21

Verbindungen

Nach zwei Wochen kam endlich etwas herein. Ein für die CIA arbeitender KGB-Offizier schnüffelte herum und erfuhr von einer laufenden Operation, bei der es um Atomwaffen in Deutschland ging. Gesteuert wurde sie von der Zentrale in Moskau und überwacht von Golowko persönlich. Die KGB-Station in Berlin war nicht beteiligt. Ende der Meldung.

»Nun?« sagte Ryan zu Goodley. »Was meinen Sie?«

»Das paßt zu SPINNAKERs Report. Wenn diese Geschichte von den fehlenden taktischen Sprengköpfen stimmt, hat das wohl etwas mit dem Abzug der in Deutschland stationierten sowjetischen Truppen zu tun. Da kann leicht etwas verlorengehen. Mir sind selbst beim Umzug hierher zwei Bücherkisten abhanden gekommen.«

»Ich könnte mir vorstellen, daß man auf Kernwaffen ein bißchen besser aufpaßt«, merkte Ryan trocken an und erkannte, daß Goodley noch eine Menge zu lernen hatte. »Und weiter?«

»Ich habe nach Daten gesucht, die den Bericht entkräften. Die Sowjets haben ihre SS-18 nicht termingerecht deaktiviert, weil, wie sie behaupten, ihre Entsorgungsanlage nicht richtig funktioniert. Unsere Inspekteure können nicht feststellen, ob das auch stimmt – offenbar ist das eine rein technische Frage. Ich kann mir kaum vorstellen, daß die Russen, die diese Raketen so lange gebaut haben, jetzt nicht in der Lage sein sollen, eine Anlage für ihre sichere Verschrottung zu entwerfen. Probleme machen ihnen der Treibstoff und die Formulierung in den Vertragsdokumenten. Die SS-18 wird von lagerfähigen Diergolen angetrieben und hat einen Druckkörper – das heißt, daß ihre strukturelle Integrität vom Innendruck abhängt. Man könnte den Treibstoff im Silo entfernen, aber dann ließen sich die Raketen nicht mehr unbeschädigt herausheben, und der Vertrag schreibt vor, daß sie intakt zur Entsorgungsanlage gebracht werden müssen. Aber nun sagen die Sowjets auf einmal, die Anlage eigne sich nicht für die Entsorgung des Treibstoffs, man spricht von einem Konstruktionsfehler und einer möglichen Gefährdung der Umwelt. Der lagerfähige Treibstoff sei chemisch aggressiv, heißt es, man müsse alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen treffen, damit niemand vergiftet wird, und obendrein läge die Anlage nur drei Kilometer von einer Stadt entfernt.« Goodley machte eine Pause. »Klingt plausibel, aber man fragt sich, wie die so einen Mist bauen konnten.«

»Das Problem ist die Infrastruktur«, erklärte Jack. »Die Sowjets können eine solche Anlage nicht einfach in die Pampa stellen, weil nur wenige Leute Autos haben; Personal an den Arbeitsplatz zu bringen ist dort komplizierter als hier. Es sind solche Kleinigkeiten, die uns bei dem Versuch, die Russen zu verstehen, zum Wahnsinn treiben.«

»Andererseits ließen sich mit diesem Konstruktionsfehler auch alle möglichen anderen Vertragsverletzungen erklären.«

»Sehr gut, Ben«, bemerkte Jack. »Nun denken Sie wie ein richtiger Geheimdienstmann.«

»Was für ein verrückter Arbeitsplatz!«

»Lagerfähige Treibstoffe – hier Stickstofftetroxid als Oxidator und Hydrazin als Brennstoff – sind häßliche Substanzen: korrodierend, reaktiv, toxisch. Erinnern Sie sich an die Probleme, die wir mit der Titan-II hatten?«

»Nein«, gestand Goodley.

»Das war eine Interkontinentalrakete, die auch in der Raumfahrt benutzt wurde. Ihre Wartung war ein Alptraum. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen gab es regelmäßig Lecks, die Metall zerfraßen und Menschen verletzten.«

»Haben wir jetzt die Positionen getauscht?« fragte Ben locker.

Ryan lächelte mit geschlossenen Augen. »Da bin ich nicht so sicher.«

»Eigentlich sollten uns bessere Daten vorliegen. Das Sammeln von Informationen ist schließlich unsere Aufgabe.«

»Tja, so habe ich auch mal gedacht. Von uns wird erwartet, daß wir über alles Bescheid wissen.« Ryan schlug die Augen auf. »Aber das war nie der Fall und wird es auch nie sein. Große Enttäuschung, was? Die alles durchdringende CIA. Wir stehen hier vor einem ziemlich wichtigen Problem, aber da uns sichere Daten fehlen, können wir nur spekulieren. Wie soll der Präsident seine Entscheidungen treffen, wenn wir ihm keine Fakten, sondern nur gelehrte Spekulationen liefern? Das habe ich schon in der Vergangenheit erklärt – schriftlich sogar. Die meiste Zeit versorgen wir die Regierung mit Vermutungen. Und manchmal ist es mir peinlich, so etwas weiterleiten zu müssen.« Jacks Blick fiel auf den Report der Rußlandabteilung, deren Experten eine Woche lang über SPINNAKERs Bericht gebrütet hatten und zu dem Schluß gekommen waren, daß der Agent vermutlich recht, die Sache vielleicht aber auch mißverstanden hatte.

Jack schloß wieder die Augen und wünschte sich, die Kopfschmerzen würden weggehen. »Sehen Sie, das ist unser strukturelles Problem. Wir sehen uns verschiedene Möglichkeiten an. Wer eine feste Prognose abgibt, läuft Gefahr, sich zu irren. Und wissen Sie was? An einen Fehler erinnern sich die Leute länger als an eine korrekte Vorhersage. Aus diesem Grund tendieren wir dazu, alle Möglichkeiten zu berücksichtigen. Einerseits ist das ehrlich, und andererseits legt man sich dabei nicht fest. Leider erfüllen wir damit die Erwartungen der Leute nicht. Unsere ›Kunden‹ brauchen weniger feste Daten als Hinweise auf wahrscheinliche Entwicklungen, aber das ist ihnen nicht immer klar, und das kann einen zum Wahnsinn treiben, Ben. Behörden verlangen Informationen, die wir meist nicht liefern können, und unsere eigene Bürokratie will sich natürlich keine Blöße geben. Willkommen in der wirklichen Welt der Nachrichtendienste.«

»Für einen Zyniker hätte ich Sie nie gehalten.«

»Ich bin kein Zyniker, sondern Realist. Manche Dinge wissen wir, andere nicht. Wir sind schließlich keine Roboter, sondern nur Menschen, die nach Antworten suchen und statt dessen immer neue Fragen finden. Hier im Haus sitzen viele gute Leute, aber die Bürokratie bringt individuelle Stimmen zum Verstummen. Und Fakten werden häufiger von Individuen entdeckt als von Komitees.« Es klopfte. »Herein.«

»Dr. Ryan, Ihre Sekretärin ist nicht...«

»Sie macht heute später Mittagspause.«

»Ich habe etwas für Sie, Sir.« Der Mann reichte ihm einen Umschlag. Ryan bestätigte den Empfang und schickte den Boten wieder weg.

»All Nippon Airlines sei Dank«, meinte Ryan, nachdem er den Umschlag geöffnet und einen weiteren Bericht von NIITAKA herausgenommen hatte. Dann fuhr er auf. »Himmel noch mal!«

»Probleme?« fragte Goodley.

»Dafür sind Sie nicht zugelassen.«

 

»Was gibt es für ein Problem?« fragte Narmonow.

Golowko war in der unangenehmen Lage, einen großen Erfolg mit bösen Konsequenzen melden zu müssen. »Wir haben uns seit einiger Zeit bemüht, amerikanische Chiffriersysteme zu entschlüsseln und hatten einige Erfolge, besonders im diplomatischen Verkehr. Hier ist eine Nachricht, die an mehrere amerikanische Botschaften ging. Wir konnten sie vollständig dechiffrieren.«

»Und?«

 

»Wer hat das herausgehen lassen?«

»Moment, Jack«, sagte Cabot. »Liz Elliot nahm den letzten SPINNAKER-Bericht ernst und wollte das Außenministerium konsultieren.«

»Ist ja großartig. Das beweist, daß der KGB unsere diplomatischen Chiffren geknackt hat. Das Kabel, das unser Botschafter erhielt, bekam auch NIITAKA zu lesen. Und Narmonow weiß jetzt, was uns Kummer macht.«

»Das Weiße Haus wird die Sache herunterspielen. Was kann es schon schaden, wenn Narmonow unsere Sorgen kennt?« fragte der Direktor.

»Kurz gesagt: eine Menge. Sir, ist Ihnen klar, daß ich von diesem Kabel nichts wußte? Und wissen Sie, wie ich es zu sehen bekam? Ein KGB-Offizier in Tokio schickte es mir. Himmel noch mal, ging die Anfrage etwa auch nach Burkina Faso?«

»Wurde der ganze Text entschlüsselt?«

»Wollen Sie die Übersetzung prüfen lassen?« versetzte Jack eisig.

»Reden Sie mit Olson.«

»Schon unterwegs.«

Vierzig Minuten später trat Ryan ins Vorzimmer von Lieutenant General Ronald Olson, Direktor der supergeheimen Nationalen Sicherheitsbehörde NSA, ein. Die Zentrale in Fort Meade, Maryland, zwischen Washington und Baltimore, strahlte eine Atmosphäre wie die Gefängnisinscl Alcatraz aus, nur daß ihr der malerische Blick auf die Bucht von San Francisco fehlte. Das Hauptgebäude war umgeben von einem Doppelzaun, an dem nachts Hunde patrouillierten – ein Beweis für die Sicherheitsmanie bei diesem Nachrichtendienst, die selbst die CIA zu theatralisch fand. Aufgabe der NSA war das Erstellen und Knacken von Chiffren und das Aufzeichnen und Auswerten jeder elektronischen Emission auf dem Planeten. Jack ließ den Fahrer im Auto warten und Newsweek lesen; er selbst betrat dann das Arbeitszimmer des Leiters der NSA, die wesentlich größer als die CIA ist.

»Ron, Sie haben ein ernstes Problem.«

»Und was genau?«

Jack reichte ihm NIITAKAs Bericht. »Hatte ich Sie nicht gewarnt?«

»Wann ging das heraus?«

»Vor 72 Stunden.«

»Es kam bestimmt aus dem Außenministerium.«

»Korrekt. Exakt acht Stunden später wurde es in Moskau gelesen.«

»Mag sein, daß jemand im Außenministerium es durchsickern ließ und daß die sowjetische Botschaft es über Satellit weitermeldete. Die undichte Stelle könnte auch einer der fünfzig Beamten im Ministerium sein«, sagte Olson.

»Oder die Sowjets haben das ganze Chiffriersystem geknackt.«

»STRIPE ist sicher, Jack.«

»Ron, warum haben Sie eigentlich TAPDANCE nicht ausgebaut?«

»Besorgen Sie mir die Mittel, dann tu’ ich das auch.«

»Dieser Agent hat uns schon einmal gewarnt. Ron, der KGB liest unsere Post, und hier haben Sie einen ziemlich sicheren Beweis.«

Der General ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Sie wissen genau, daß das nicht eindeutig ist.«

»Nun, unser Agent verlangt die persönliche Versicherung des Direktors, daß wir sein Material nie über Kommunikationskanäle geleitet haben und es auch niemals tun werden. Zum Beweis für die Notwendigkeit schickte er uns diese Information, die er sich unter einem beträchtlichen Risiko verschaffte.« Jack machte eine Pause. »Wer benutzt alles dieses System?«

»STRIPE wird ausschließlich im Außenministerium eingesetzt. Das Verteidigwngsministerium benutzt ähnliche Systeme, bei denen nur das Tastenfeld etwas anders ist. Bei der Navy sind sie wegen ihrer Benutzerfreundlichkeit besonders beliebt«, erklärte Olson.

»General, die Zufallsgeneratortechnologie steht seit über drei Jahren zur Verfügung. TAPDANCE, Ihre erste Version, arbeitete mit Tonbandkassetten. Wir stellen jetzt auf CD-Festspeicher um; das funktioniert und ist einfach zu benutzen. In zwei Wochen ist unser System einsatzbereit.«

»Und Sie möchten, daß wir es übernehmen?«

»Das fände ich vernünftig.«

»Wissen Sie, was meine Leute sagen, wenn wir ein CIA-System kopieren?« fragte Olson.

»Unsinn! Wir haben die Idee doch bei Ihnen abgepinnt.«

»Jack, wir arbeiten an einem ähnlichen, benutzerfreundlicheren und sichereren System. Es hat zwar noch seine Kinderkrankheiten, aber meine Spezialisten sind fast für einen Probelauf bereit.«

Fast bereit, dachte Ryan. Das kann also noch drei Monate oder drei Jahre dauern.

»General, ich muß Ihnen offiziell mitteilen, daß Ihre Kommunikation unter Umständen nicht sicher ist.«

»Und?«

»Ich muß das dem Kongreß und auch dem Präsidenten mitteilen.«

»Ich halte es für wahrscheinlicher, daß im Außenministerium jemand geplappert hat. Sie könnten auch einer Desinformation aufgesessen sein. Was liefert uns dieser Agent?«

»Sehr nützliches Material über Japan.«

»Aber nichts über die Sowjetunion?«

Jack zögerte, ehe er antwortete, aber an Olsons Loyalität und Intelligenz war nicht zu zweifeln. »Korrekt.«

»Und Sie sind sicher, daß das kein Täuschungsmanöver ist? Absolut sicher?«

»Ich bitte Sie, Ron. Was ist in diesem Geschäft schon absolut sicher?«

»Ehe ich zweihundert Millionen Dollar anfordere, brauche ich einen eindeutigeren Beweis. Solche Tricks gab es schon in der Vergangenheit: Wenn man den Code der anderen Seite nicht knacken kann, gibt man vor, ihn entschlüsselt zu haben, und bewegt sie so zu einer Umstellung.«

»Das mag vor fünfzig Jahren gegolten haben, aber heute nicht mehr.«

»Ich wiederhole: Ich brauche bessere Beweise, ehe ich zu Trent gehe. Wir können nicht etwas schnell zusammenschustern, wie Sie es mit Ihrem System MERCURY getan haben, weil wir gleich Tausende von Geräten brauchen. Betrieb und Unterhaltung sind komplex und verdammt teuer. Ehe ich mir eine Blöße gebe, muß ich harte Beweise sehen.«

»Nun, General, ich habe meinen Standpunkt dargelegt.«

»Jack, wir prüfen die Sache. Ich habe ein Spezialteam, das morgen früh das Problem untersuchen wird. Und ich danke Ihnen für den Hinweis. Schließlich sind wir Freunde, oder?«

»Tut mir leid, Ron. Ich bin überarbeitet.«

»Sie sollten mal Urlaub machen. Sie sehen abgespannt aus.«

»Das sagt mir jeder.«

 

Ryans nächste Station war das FBI.

»Ich habe schon von der Sache gehört«, sagte Dan Murray. »Ist sie so ernst?«

»Ich glaube schon. Aber Ron Olson hat seine Zweifel.« Ryan brauchte sich nicht näher auszulassen. Von allen Katastrophen, die eine Regierung mit Ausnahme eines Krieges befallen konnte, war eine undichte Stelle in den Kommunikationssträngen die ärgste. Buchstäblich alles hing von sicheren Methoden der Nachrichtenübermittlung ab. Wegen einer einzigen Meldung, die der Feind abgefangen hatte, waren Kriege verloren und gewonnen worden. Einer der spektakulärsten außenpolitischen Coups der USA, das Washingtoner Flottenabkommen von 1922, war nur gelungen, weil das amerikanische Außenministerium den gesamten verschlüsselten Informationsaustausch zwischen den teilnehmenden Diplomaten und ihren Regierungen mitgelesen hatte. Eine Regierung, die nicht in der Lage ist, ihre Geheimnisse zu hüten, kann nicht funktionieren.

»Nun ja, wir hatten die Walker-Brüder, Pelton und die anderen Spione...«, merkte Murray an. Der KGB hatte mit erstaunlichem Erfolg Amerikaner angeworben, die in sensitiven Nachrichtenabteilungen arbeiteten. Die Chiffreure in den Botschaften hatten notwendigerweise Zugang zu streng vertraulichem Material, wurden aber schlecht bezahlt und galten nicht als Techniker, sondern als Verwaltungsangestellte. Einigen war das ein Dorn im Auge, und manche brachte es so auf, daß sie ihr Wissen zu Geld machten. Sie alle lernten mit der Zeit, daß Geheimdienste knausern (mit Ausnahme der CIA, die Landesverrat gut dotiert), aber dann war es immer schon zu spät. Die Walkers hatten den Russen verraten, wie amerikanische Chiffriermaschinen konstruiert sind und wie ihre Tastaturen funktionieren. Die grundlegende Technologie hatte sich im Lauf der letzten zehn Jahre kaum verändert. Technische Verbesserungen hatten die Maschinen zwar effizienter und zuverlässiger gemacht als ihre mechanischen Vorläufer mit Schrittschalter und Nadelscheibe, aber sie arbeiteten nach wie vor auf der Basis der mathematischen Theorie der komplexen Zahlen. Und die Russen hatten einige der besten Mathematiker der Welt. Viele glaubten, daß die Kenntnis der Struktur einer Chiffriermaschine einen guten Mathematiker in die Lage versetzen konnte, das ganze System zu knakken. War einem unbekannten russischen Theoretiker ein Durchbruch gelungen? Und wenn ja...

»Wir müssen annehmen, daß wir nicht alle erwischt haben. Wenn wir dazu noch ihre technischen Kenntnisse hinzufügen, kriege ich Kopfschmerzen«, sagte Ryan.

»Zum Glück ist das FBI nicht direkt betroffen«, meinte Murray. Die verschlüsselte Kommunikation des FBI wurde zum größten Teil gesprochen und durch Codenamen und Slang noch weiter getarnt. Außerdem war die Abhörkapazität der Opposition beschränkt.

»Könnten Sie Ihre Leute ein bißchen herumschnüffeln lassen?«

»Aber sicher. Melden Sie das nach oben weiter?«

»Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, Dan.«

»Damit stoßen Sie zwei mächtige Bürokratien vor den Kopf.«

Ryan lehnte sich an den Türrahmen. »Im Dienst einer gerechten Sache, oder?«

»Sie lernen es nie!« Murray schüttelte den Kopf und lachte.

»Diese verfluchten Amerikaner!« tobte Narmonow.

»Was ist jetzt los, Andrej Iljitsch?«

»Oleg Kirilowitsch, haben Sie eine Ahnung, wie unangenehm der Umgang mit einem mißtrauischen fremden Land ist?«

»Noch nicht«, antwortete Kadischow. »Ich habe nur mit mißtrauischen Elementen in der Innenpolitik zu tun.« Mit dem Politbüro war auch die Lehrzeit abgeschafft worden, in der kommende sowjetische Politiker die internationale Staatskunst lernen konnten. Außenpolitisch waren sie nun so naiv wie die Amerikaner. Und das, sagte sich Kadischow, durfte man nicht vergessen. »Wo liegt das Problem?«

»Es muß absolut geheim bleiben, mein junger Freund.«

»Verstanden.«

»Die Amerikaner haben ein Rundschreiben an ihre Botschaften geschickt, in dem sie sich diskret nach meiner politischen Verwundbarkeit erkundigen.«

»Tatsächlich?« Kadischow beschränkte seine Reaktion auf diese knappe Antwort, denn ihm war die Verzwicktheit der Lage sofort klargeworden. Sein Bericht hatte bei den Amerikanern die gewünschte Wirkung gehabt, aber die Tatsache, daß Narmonow darüber informiert war, machte seine eigene Enttarnung als amerikanischer Agent möglich. Ist das nicht interessant? fragte er sich nun ganz objektiv. Seine Manöver waren nun ein echtes Vabanquespiel mit gewaltigen Gewinn- und Verlustchancen. Aber damit war zu rechnen gewesen; schließlich spielte er um mehr als ein Monatsgehalt. »Woher wissen wir das?« fragte er nach kurzem Nachdenken.

»Das kann ich Ihnen nicht sagen.«

»Ich verstehe«, sagte Kadischow und dachte: Verdammt! Andererseits aber zieht er mich ins Vertrauen ... oder ist das nur ein Trick? »Können wir auch ganz sicher sein?«

»Ja, ziemlich sicher.«

»Wie kann ich helfen?«

»Ich brauche Ihre Unterstützung, Oleg Kirilowitsch, und bitte Sie jetzt noch einmal darum.«

»Dieses Rundschreiben der Amerikaner hat Sie offenbar sehr getroffen.«

»Allerdings!«

»Ich kann verstehen, daß man sich über dieses Thema Gedanken macht, aber warum interessiert sich Amerika aktiv für unsere Innenpolitik?«

»Die Antwort auf diese Frage kennen Sie.«

»Stimmt.«

»Ich brauche Ihre Unterstützung«, wiederholte Narmonow.

»Ich muß mich erst mit meinen Kollegen beraten.«

»Möglichst bald, bitte.«

»Wird gemacht.« Kadischow verabschiedete sich und ging zu seinem Wagen, den er, was für einen sowjetischen Politiker ungewöhnlich war, selbst steuerte. Die Zeiten hatten sich geändert. Die hohen Herren hatten nun Männer des Volkes zu sein, und das bedeutete die Abschaffung der reservierten Fahrspuren in der Mitte der Moskauer Straßen und vieler anderer Vergünstigungen. Schade, dachte Kadischow, aber ohne die anderen Veränderungen wäre ich jetzt nicht Fraktionsführer im Kongreß der Volksdeputierten, sondern immer noch eine einsame Stimme in einer abgelegenen Oblast. Er war also bereit, ohne eine Datscha im Wald östlich von Moskau, ohne eine Luxuswohnung und die handgefertigte Limousine mit Chauffeur auszukommen. Er fuhr zu seinem Abgeordnetenbüro, wo er wenigstens einen reservierten Parkplatz hatte. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, ging er an seine Schreibmaschine und setzte einen kurzen Brief auf, den er in die Tasche steckte und sich dann in die gewaltige Eingangshalle des Parlamentsgebäudes begab. Die Garderobenfrau nahm ihm den Mantel ab und gab ihm eine Marke. Er bedankte sich höflich. Sie hängte das Kleidungsstück an einen numerierten Haken, nahm dabei den Brief aus der Innentasche und steckte ihn ein. Vier Stunden später traf er in der US-Botschaft ein.

 

»Ist Panik ausgebrochen?« fragte Fellows.

»Das kann man wohl sagen«, erwiderte Ryan.

»Na, dann erzählen Sie uns mal, wo’s brennt.« Trent trank einen Schluck Tee.

»Es gibt weitere Hinweise auf die Möglichkeit, daß unsere Kommunikationsstränge nicht mehr sicher sind.«

»Schon wieder?« Trent verdrehte die Augen.

»Langsam, Al, diese Leier hören wir nicht zum ersten Mal«, brummte Fellows. »Details bitte, Jack.«

Ryan legte ihnen das Problem dar.

»Und was sagt das Weiße Haus dazu?«

»Das weiß ich noch nicht; ich fahre erst nach dieser Besprechung hin. Offen gesagt, wollte ich den Fall erst mit Ihnen beraten, und ich war sowieso in der Gegend.« Jack berichtete von SPINNAKERs Bericht über Narmonows Probleme.

»Seit wann wissen Sie das?«

»Seit zwei Wochen...«

»Warum haben wir nichts davon erfahren?« fragte Trent aufgebracht.

»Weil wir verzweifelt bemüht waren, die Meldung zu verifizieren«, antwortete Jack.

»Und?«

»Al, wir waren nicht in der Lage, die Meldung direkt zu bestätigen. Es gibt Anzeichen, daß der KGB etwas im Schilde führt. Er hat in Deutschland eine sehr diskrete Operation laufen und sucht nach verlorengegangenen taktischen Atomwaffen.«

»Guter Gott!« rief Fellows. »Was soll das heißen: ›verlorengegangen‹?«

»Mit Sicherheit können wir das nicht sagen. Wenn das etwas mit SPINNAKERs Befürchtungen zu tun hat, scheint die sowjetische Armee mit falschen Karten zu spielen.«

»Was meinen Sie?«

»Ich konnte mir noch keine Meinung bilden, und unsere Analytiker – jene zumindest, die überhaupt eine Diagnose zu stellen bereit sind – können sich nicht einigen.«

»Daß das sowjetische Militär unzufrieden ist, wissen wir«, sagte Fellows langsam. »Über die Kürzung der Mittel, den Prestigeverlust, die Auflösung von Einheiten und die knappen Unterkünfte... aber reicht das für eine Rebellion?«

»Welch angenehme Vorstellung«, fügte Trent hinzu. »Ein Machtkampf in einem Land, mit Unmengen von Atomwaffen... wie zuverlässig war SPINNAKER bisher?«

»Sehr. Er hat uns fünf Jahre lang gute Dienste geleistet.«

»Er ist Abgeordneter, nicht wahr?«

»Korrekt.«

»Er muß einflußreich sein, wenn er an solches Material herankommt... seinen Namen wollen wir wohl beide nicht wissen«, fügte Fellows hinzu.

Trent nickte. »Wahrscheinlich sind wir ihm schon begegnet.« Gut geraten, dachte Jack. »Sie nehmen also auch diese Meldung ernst?«

»Ja, und wir bemühen uns, sie zu bestätigen.«

»Gibt es Neuigkeiten von NIITAKA?« fragte Trent.

»Sir, ich ...«

»Ich habe aus dem Weißen Haus erfahren, daß in Mexiko gemauschelt wird«, sagte Al Trent nun. »Offenbar sucht der Präsident meine Unterstützung. Sie können es uns also ruhig sagen.«

Eigentlich war das ein Verstoß gegen die Vorschriften, aber Ryan wußte, daß Trent immer Wort hielt, und klärte sie nun auch über diesen Bericht auf.

»Das ist ja ungeheucrlich!« rief Trent. »Haben Sie eine Ahnung, wie viele Stimmen mich meine Zustimmung zu diesem Handelsabkommen gekostet hat? Und jetzt wollen die Kerle es brechen! Soll das heißen, daß wir wieder mal übers Ohr gehauen worden sind?«

»Nicht ausgeschlossen, Sir.«

»Sam, die Bauern in Ihrem Wahlbezirk setzen doch bestimmt diese gräßlichen Chemikalien ein. Das kann sie teuer zu stehen kommen«, frotzelte Trent.

»Al, der Freihandel ist ein wichtiges Prinzip«, versetzte Fellows.

»Vertragstreue aber auch!«

»Unbestreitbar, Al.« Fellows begann, sich zu überlegen, wie viele seiner Farmer wegen der Verletzung dieses Abkommens, für das er sich im Repräsentantenhaus ausgesprochen hatte, verringerte Einkünfte würden hinnehmen müssen. »Wie können wir das bestätigen?«

»Das kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen.«

»Verwanzen wir dem Japaner das Flugzeug?« schlug Trent lachend vor. »Ich wäre zu gerne dabei, wenn Fowler ihm das in den Arsch rammt. Verdammt, die Sache hat mich Stimmen gekostet!« Daß er in seinem Wahlkreis 58 Prozent eingeheimst hatte, tat im Augenblick nichts zur Sache. »Gut, der Präsident sucht also unsere Unterstützung. Haben Ihre Parteifreunde etwas dagegen einzuwenden, Sam?«

»Vermutlich nicht.«

»Ich lasse lieber die Politik aus dem Spiel, Gentlemen«, warf Ryan ein. »Ich überbringe nur Nachrichten, mehr nicht.«

»Jack Ryan, der letzte Mohikaner«, spottete Trent. »Interessanter Bericht. Nett, daß Sie vorbeigekommen sind. Wenn der Präsident ein neues und verbessertes TAPDANCE-System bewilligen will, sagen Sie uns Bescheid.«

»Soweit kommt es nie. Das kostet zweihundert bis dreihundert Millionen, und die Dollars sind im Augenblick knapp«, merkte Fellows an. »Ich will bessere Daten sehen, ehe wir unser Plazet geben. Es ist schon zu viel Geld in diesen schwarzen Löchern verschwunden.«

»Ich kann nur sagen, daß wir den Fall sehr ernst nehmen«, erklärte Ryan. »Und das FBI auch.«

»Und was tut Ron Olson?« fragte Trent.

»Der bunkert sich ein.«

»Wenn er TAPDANCE beantragt, stehen Ihre Chancen besser«, riet Fellows.

»Das ist mir klar«, erwiderte Ryan. »Zum Glück ist wenigstens unser System in drei Wochen am Netz. Wir haben die ersten CDs hergestellt und die ersten Tests laufen.«

»Was tun Sie da exakt?«

»Ein Supercomputer Cray YMP führt Zufallstests aus, und ein Berater vom MIT erprobt ein neues Type-Token-Programm. In einer Woche oder zehn Tagen sollten wir wissen, ob das System den Erwartungen gerecht wird. Dann liefern wir die Geräte aus.«

»Ich hoffe nur, daß Sie mit Ihrer Vermutung falsch liegen«, sagte Trent beim Abschied.

»Ich auch«, gab Ryan zurück. »Aber mein Instinkt sagt etwas anderes.«

 

»Und was soll das kosten?« fragte Fowler beim Mittagessen.

»Zweihundert bis dreihundert Millionen, soviel ich weiß.«

»Kommt nicht in Frage. Wir haben schon genug Probleme mit dem Haushalt.«

»Finde ich auch«, sagte Liz Elliot. »Aber ich wollte es erst mit dir besprechen. Es ist natürlich Ryans Idee. Ryan spinnt, sagt Olson von der NSA; die Systeme seien sicher. Aber Ryan ist auf dieses neue Chiffriersystem abgefahren und hat sich sogar direkt an den Kongreß gewandt, um es für die CIA bewilligt zu bekommen.«

»Ach, wirklich?« Fowler schaute von seinem Teller auf. »Ohne das Finanzministerium zu fragen? Was geht hier eigentlich vor?«

»Bob, er hat bei Trent und Fellows für ein neues System bei der NSA antichambriert, ehe er zu mir kam.«

»Was bildet der sich eigentlich ein?«

»Habe ich es nicht gesagt, Bob?«

»Der Kerl fliegt raus. Fang an zu sägen.«

»Ich weiß auch schon, wo ich ansetzen kann.«

 

Die Umstände waren günstig. Ein Mann aus Ernest Wellingtons Team hatte den 7-Eleven-Markt seit einer Woche observiert. Carol Zimmers Geschäft an der Bundesstraße 50 zwischen Washington und Annapolis lag neben einer großen Wohnsiedlung, aus der die Mehrzahl der Stammkunden kam. Der Ermittler parkte seinen Kleinbus am Ende einer Straße an einer Stelle, von der aus er den Laden und das nur fünfzig Meter entfernte Haus der Familie überblicken konnte. Sein Fahrzeug war von einer auf solche Unternehmungen spezialisierten Firma für die verdeckte Überwachung umgerüstet worden. Der Entlüfter auf dem Dach tarnte ein Periskop, dessen Okulare mit einer Fernsehkamera und einer 35-Millimeter-Canon verbunden waren. Der Beamte hatte eine Kühltasche voller Getränke, eine große Thermosflasche Kaffee, eine chemische Toilette. Er fühlte sich, als befände er sich in der engen Kabine eines Raumfahrzeugs. In der Tat war die High-Tech-Ausrüstung des Busses mindestens so gut wie die Anlagen, die die NASA in die Raumfähre einbaute.

»Achtung!« kam es aus dem Funkgerät. »Fahrzeug nimmt die Ausfahrt. Breche die Verfolgung ab.«

Der Mann im Kleinbus griff nach dem Mikrofon. »Roger, out.«

 

Clark war der Ford Mercury schon vor zwei Tagen aufgefallen, doch da man im täglichen Berufsverkehr hin und wieder ein und dasselbe Fahrzeug sieht, machte er sich keine weiteren Gedanken. Der Mercury kam nie dicht heran und bog auch nie hinter ihnen von der Hauptstraße ab. Auch nun, als Clark die mehrspurige Straße verließ, folgte er nicht. Clark begann sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Daß der Fahrer des Ford in ein Mikrofon sprach, hatte er nicht gesehen. Er hielt auf dem Parkplatz des 7-Eleven und schaute sich aufmerksam um: alles sicher. Clark und Ryan stiegen gleichzeitig aus. Clark trug Mantel und Jackett offen, um notfalls schnell an die 10-Millimeter-Beretta heranzukommen, die an seiner rechten Hüfte steckte. Die untergehende Sonne färbte den Himmel im Westen orange, und es war für die Jahreszeit so warm, daß er es bereute, den Regenmantel angezogen zu haben. Das Wetter in Washington ist launisch.

»Tag, Dr. Ryan«, sagte eins von den Zimmer-Kindern. »Die Mama ist drüben im Haus.«

»Gut.« Ryan verließ das Geschäft und hielt auf den Plattenweg zum Haus der Zimmers zu. Er entdeckte Carol hinten im Garten, wo sie ihr Jüngstes schaukeln ließ. Clark folgte ihm so wachsam wie immer, sah aber nur immer noch grüne Grasflächen, geparkte Autos und ein paar Kinder, die Football spielten. Derart mildes Wetter Anfang Dezember gefiel ihm nicht; er glaubte, daß es einen harten Winter ankündigte.

»Hallo, Carol!« rief Jack. Mrs. Zimmer beaufsichtigte ihr Kleines im Sitz der Schaukel.

»Tag, Doc Ryan. Gefällt Ihnen die neue Schaukel?«

Jack nickte ein wenig schuldbewußt; er hätte das Gerät aufbauen helfen sollen. Mit Spielzeug kannte er sich aus. Er beugte sich vor. »Nun, was macht unser Prinzeßchen?«

»Sie will gar nicht mehr runter, dabei ist es Essenszeit«, sagte Carol. »Helfen Sie mir?«

»Was machen die anderen?«

»Peter wird jetzt auch studieren, am MIT, und er hat ein Stipendium bekommen.«

»Ist ja großartig!« Jack zog die kleine Frau an sich und dachte: Wie stolz würde Buck jetzt auf seine Kinder sein! Sie waren noch motivierter als die ohnehin schon bildungsbetlissenen normalen Asiaten, die, ebenso wie die amerikanischen Juden, jede Gelegenheit beim Schopf ergriffen. Er beugte sich zu der Kleinen hinunter, die die Arme reckte, um sich von Onkel Jack hochheben zu lassen.

»Kommt, Jackie.« Er nahm sie auf den Arm und wurde mit einem Kuß belohnt. Als er das Geräusch hörte, hob er den Kopf.

 

»Hab’ ich dich!«

Es war ein simpler, wirkungsvoller Trick. Selbst wenn man darauf gefaßt ist, kann man die Reaktion nicht verhindern. Im Kleinbus gab es mehrere Knöpfe, die die Hupe auslösten. Der menschliche Verstand interpretiert das Geräusch als Gefahrensignal, und man dreht sich instinktiv nach der Schallquelle um. Ryan, der das Kind auf dem Arm hatte, hob prompt den Kopf. Der Ermittler hatte schon die Umarmung und den Kuß des kleinen Mädchens aufgenommen; nun bekam er zur Untermauerung des Videobands noch Ryans Gesicht auf den hochempfindlichen Film. So, Ryan war im Kasten. War ganz einfach gewesen. Warum vögelt ein Mann, der eine so reizende Frau hat, eine andere? fragte sich der Beamte. Na ja, so geht’s halt im Leben. Und ein Kind hat der Fiesling auch noch gezeugt, dachte er, als der Filmtransport der Canon surrte.

 

Nun folgte der heikelste Teil des Prozesses. Das Plutonium kam in Gußformen aus Cersulfid, und diese wurden zu einem Elektro-Ofen getragen. Fromm schloß und verriegelte die Tür. Eine Vakuumpumpe saugte die Luft im Innern ab und ersetzte sie durch Argon.

»Luft enthält Sauerstoff«, erklärte Fromm. »Argon ist ein Edelgas, also reaktionsträge. Plutonium ist so reaktiv und pyrophor, daß wir kein Risiko eingehen dürfen. Wir benutzen auch nicht nur eine, sondern mehrere Gußformen aus reaktionsträgem Material, um zu verhindern, daß das Plutonium kritisch wird und eine verfrühte atomare Reaktion einsetzt.«

»Wegen der Veränderungen, die das Plutonium beim Erhitzen durchmacht?« fragte Ghosn.

»Korrekt.«

»Wie lange dauert das Ganze?« wollte Kati wissen.

»Zwei Stunden. Hier müssen wir uns Zeit lassen. Wenn die Formen aus dem Ofen kommen, sind sie natürlich noch geschlossen. Wir öffnen sie dann in einem mit Edelgas gefüllten Tank. Nun wissen Sie, warum wir diesen speziellen Ofen brauchten.«

»Droht uns dabei keine Gefahr?«

Fromm schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn wir vorsichtig sind. Die Konfiguration der Form verhindert die Bildung einer kritischen Masse. Ich habe den Vorgang sehr oft simuliert. Es kam natürlich schon zu Unfällen, aber nur bei größeren spaltbaren Massen und zu einer Zeit, als man die Gefahren des Umgangs mit Plutonium noch nicht ganz erkannt hatte. Keine Angst, wir gehen langsam und vorsichtig ans Werk. Bilden Sie sich ein, es wäre Gold«, schloß Fromm.

»Und die Bearbeitung?« fragte Ghosn.

»Wird drei Wochen in Anspruch nehmen, und Montage und Tests weitere zwei.«

»Wann wird das Tritium extrahiert?«

Fromm beugte sich vor und spähte in den Ofen. »Zuallerletzt, und dann ist die Bombe komplett.«

 

»Können Sie eine Ähnlichkeit feststellen?« fragte der Ermittler.

»Schwer zu sagen«, meinte Wellington.

»Auf jeden Fall scheint er den kleinen Fratz gern zu haben. Süßes Ding. Am vergangenen Wochenende sah ich ihnen beim Aufstellen der Schaukel zu. Die Kleine heißt übrigens Jackie – Jacqueline Theresa.«

»So? Sehr interessant.« Wellington machte sich eine Notiz.

»Die Schaukel macht der Kleinen Spaß.«

»Den Mr. Ryan scheint sie auch zu mögen.«

»Glauben Sie, daß er wirklich der Vater ist?«

»Ausgeschlossen ist das nicht«, sagte Wellington, der die Videoaufnahmen mit den Fotos verglich. »Die Lichtverhältnisse waren nicht besonders gut.«

»Ich lasse die Aufnahmen von meinen Technikern durch den Computer schicken. Das Band wird aber ein paar Tage dauern, weil sie jedes Bild einzeln durchgehen müssen.«

»Gute Idee. Wir wollen handfeste Beweise haben.«

»Die bekommen Sie auch. Und was wird nun aus Ryan?«

»Man wird ihm wohl den Rücktritt nahelegen.«

»Wenn wir normale Bürger wären, würde ich das Erpressung und Verletzung der Privatsphäre nennen.«

»Wir sind aber keine Durchschnittsbürger, und Ryan auch nicht. Der Mann kennt Staatsgeheimnisse und hält sein Privatleben nicht in Ordnung.«

»Und das ist nicht unsere Schuld.«

»Genau.«