Simone Simons und Dennis betraten das Polizeipräsidium und fragten sich so lange nach der Mordkommission durch, bis sie an Marie Guillaumes Tür klopften und sofort eintraten. Sophie Erdmann holte gerade Post aus ihrem Fach, als die beiden vor ihr standen.
»Frau Guillaume?«
»Nein, die Kollegin ist zur Vorbereitung einer Pressekonferenz unterwegs.« Sie lächelte. Eigentlich war sie hundemüde und erleichtert über den Fahndungserfolg. Ihre anfänglichen Zweifel, nicht den Richtigen gefunden zu haben, hatten sich zerstreut. Im Keller waren die Kollegen auf ein Bett und Folterinstrumente gestoßen, die zu den Verletzungen der Frauen passten. Spleeth würde einen DNA-Abgleich vornehmen, doch alle gingen davon aus, dass die neuen Tests nur die Ergebnisse bestätigen würden, die bereits vorlagen.
Die beiden schienen verschüchtert zu sein, sie mochte sie nicht abwimmeln. »Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
»Nun, wir möchten einen Hinweis geben, der vielleicht zu dem Frauenmörder passt, der in der Zeitung gesucht wird.« Das Mädchen schaute unsicher.
»Den haben wir heute gefunden.«
»Was?« Simone Simons schaute verwirrt. »Ich habe ihn doch vorhin wiedererkannt, als er an mir vorbeigefahren ist. Und dann haben wir ihn verfolgt. Wieso läuft der noch immer frei herum?«
»Sie müssen sich getäuscht haben.«
»Nein, ich bin ganz sicher. Er war es, in seinem Toyota.«
»Was war das für ein Auto?«
»Ein Toyota mit Campingaufsatz. Der hat mich vor einiger Zeit belauert, und nur weil Dennis aufgetaucht ist, bin ich davongekommen. Ich habe schon vor Wochen in Saarburg eine Aussage gemacht.«
Die Alarmglocken in Sophie Erdmanns Kopf begannen leise zu schrillen. »In der Polizeiwache dort? Haben Sie das Kennzeichen?«
»Ja, und jetzt auch Fotos von seinem Haus. Wir sind ihm eben hinterhergefahren.« Der Junge reichte ihr sein Handy, und sie konnte die Bilder einzeln betrachten.
Das erste Foto war verwackelt und zeigte einen Toyota mit Campingaufsatz. Auf dem zweiten Bild war in der Ferne ein Haus zu sehen. Es lag zwischen Feldern und wirkte bis auf den parkenden Geländewagen irgendwie verlassen.
»Das war oben in Vierherrenborn. Wir haben uns nicht näher rangetraut. Er hätte uns bemerken können.« Der Junge schaute ihr aufgeregt über die Schulter. »War ohnehin gefährlich genug. Aber irgendjemand muss doch etwas gegen ihn unternehmen. Ich will, dass Sie ihn festnehmen. Meine Freundin fühlt sich nicht mehr sicher, seit er ihr aufgelauert hat.« Ein wenig Stolz schwang in seiner Stimme mit.
Dann kam das dritte Foto und Sophie sprang auf. Mit zwei Schritten war sie am Telefon und wählte Lichthaus’ Nummer, doch niemand meldete sich. Sie wählte erneut und sagte hastig: »Alarm! Wir müssen ganz schnell einen Einsatz organisieren. Ich glaube Johannes, also Herr Lichthaus, schwebt in Gefahr. Ja, ich komme runter.«
Sie schaute wieder auf das Handy. Am Rand des Bildes stand Lichthaus’ Berlingo mit offener Motorhaube. Und sein Handy war tot, das war es sonst nie.
*
Sie kamen gegen fünf Uhr. Wie schon am Morgen flog eine Tür in einen Hausgang, und schwarze Männer stürmten hinein. Wieder bellende Befehle und splitterndes Glas auf der Rückseite, Rufe aus dem Haus. Routine.
Oberkommissar Ludger Grislar war als Erster in der Waschküche. Er hatte die Tür aufgetreten und den Raum mit vorgehaltener Maschinenpistole gesichert. Ein fast leerer Raum, nur die Waschmaschine war unübersehbar.
Dann hörte er Wasser rauschen, sah das Becken, den laufenden Hahn darüber. Vorsichtig schlich er dorthin und im nächsten Augenblick riss er Lichthaus’ Kopf hoch und schrie die Kollegen herbei. Sie hoben ihn heraus. Schwer wog der Körper mit der nassen Kleidung, doch die trainierten Männer ächzten kaum. Sie trugen ihn durch die Tür hinaus ins Freie, durch die Lichthaus vor so vielen Stunden aufrecht hereingekommen war.
Oben liefen Steinrausch und Sophie Erdmann sofort zu der Trage. Kalt und nass mit verklebten Haaren lag er vor ihnen, den jetzt aufgeschnittenen Strick noch um den Hals. In ihren Gesichtern lag pures Entsetzen. Sophie Erdmann begann zu zittern, dann telefonierte sie. Auch Müller trat mit betretener Miene hinzu, hatte er doch noch vor einer Stunde diesen Einsatz zu verhindern gesucht und sich nur durch die massiven Drohungen von Sophie Erdmann zu einem Ja bewegen lassen. Er nahm kaum wahr, wie diese die Fahndung nach dem Flüchtigen in den Hörer schrie und jeden, der ihr in die Quere kam, abbügelte. Das Leben von Lichthaus lag nun in den Händen des Notarztes.
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