Kapitel 35

Asko von Orven begrüßte Thorolf Treynstern mit einem Lächeln, das er durch den Schmerz presste, der wie immer in seinen Knochen schwelte. Er hatte sich mühsam beigebracht, wieder zu lächeln, doch sein Lächeln hatte sich verändert, so wie alles andere in seinem Leben auch.

Der junge Mann verbeugte sich und grinste, als der Blick des ehemaligen Offiziers auf seine Krawatte fiel. Seltsam, dachte Asko. Die Mischung von formeller Abendgarderobe und einem in jeder Beziehung unpassenden Accessoire gab dem jungen Mann ein sehr eigenwilliges Ambiente. Der „Salon“ war nicht so formell, dass auf Feinheiten allzu großer Wert gelegt wurde. Manche der Künstler trugen Trachtenjanker, die in letzter Zeit in Mode gekommen waren, ganz besonders unter den Landschaftern, die in die bäuerlichen Gegenden reisten, um zu malen. Diese Herren versuchten dort unter dem Landvolk nicht allzu sehr hervorzustechen. Graue Jägerjoppen mit Hirschhornknöpfen und angedeuteten Charivariketten an den Westen waren somit zur gängigen Mode unter diesen Künstlern geworden. Wenige von ihnen gingen allerdings so weit, auch noch Lederhosen dazu zu tragen. Stattdessen trugen sie graue Hosen, die zu den Joppen passten.

Doch Abendgarderobe mit einem kardinalsroten Halstuch war schon außergewöhnlich.

„So treffen wir uns wieder, Herr Treynstern“, sagte Asko, der im gleichen Sessel lehnte, den er auch das letzte Mal belegt hatte. Lucilla führte ihn immer dort hin, langsam und höflich, und machte die ganze lange Strecke unablässig Konversation, um so den Eindruck zu erzeugen, dass ihr langsames Vorankommen nicht etwa an seinem Gebrechen lag, sondern an der angeregten Unterhaltung. Sie war eine wunderbare Frau.

Seine Augen suchten sie, fanden ihr ebenmäßiges, klassisches Antlitz und fielen dann zurück auf den jungen Treynstern. Der junge Mann hatte sich zu ihm gesellt; er wirkte ein wenig bedrückter als das letzte Mal. Die Brillanz seines Lächelns wirkte ein wenig scharf. Es war schon ungewöhnlich, wie sehr Asko es gelernt hatte, den Gesichtsausdruck anderer Menschen zu deuten. Sein Leiden hatte seine Wahrnehmung fein geschliffen. Er fragte sich, warum das wohl so war.

Charly hatte ihn eigens gebeten, eine Einladung zum Abendessen auszusprechen. Warum auch nicht einen jungen Künstler einladen? Askos Freunde aus der Offizierszeit waren langsam aus seinem Leben verschwunden. Nur Udolf von Görenczy besuchte ihn regelmäßig, erzählte ihm über das Leben im Corps und bot ihm an, ihn zu nicht näher definierten Vergnügungen mitzunehmen. Von Görenczys Vergnügungen kreisten gemeinhin um Zechgelage und käufliche Mädchen, und Asko wäre keinesfalls mitgegangen, selbst wenn er noch Mann genug gewesen wäre, um sich auf diese Weise zu erfreuen. Doch das war er nicht, und er war ebenso erstaunt wie dankbar, dass sein Freund das nicht argwöhnte. Seinem ehemaligen Kampfgefährten gegenüber sein Defizit zuzugeben, wäre ihm unmöglich gewesen. Er konnte es ja kaum sich selbst gegenüber zugeben und mochte das Wrack nicht, zu dem er geworden war.

Kameraden und echte Freunde hatten sich nach Askos Beinahe-Ableben und Invalidität auseinanderdividiert. Niemand sprach gern über Königgrätz oder auch all die anderen Schlachten und Scharmützel gegen die Preußen. Fast alles hatte man verloren. Es war Pech, ausgerechnet in einer Schlacht versehrt zu werden, in der er nur als Liaison eines alliierten Landes fungierte. Königgrätz war von den Österreichern verloren worden. Er und von Görenczy waren im Grunde kaum mehr gewesen als Beobachter und „Gäste“ gewesen.

Doch es war egal, wo sich das Schlachtfeld befand. Kugel war Kugel. Das Mitleid seiner ehemaligen Kameraden wollte er nicht. Soldatenschicksal. So etwas geschah eben in Kriegen, auch in sinnlosen.

Warum also nicht neue Freunde gewinnen? Charly würde sich darüber freuen. Sie arbeitete so hart für die Werkstatt, und es gelang ihr dennoch, auf exzellente Weise einen Haushalt zu regeln, in dem jeder so tat, als wäre der Hausherr kein Krüppel. Sie gab sich solche Mühe, glücklich auszusehen. Nur konnte er sie nicht glücklich machen. Vielleicht würde der Sohn ihrer Freundin mit seinem Charme und seiner feurigen Krawatte sie ja ein wenig ablenken.

Nicht, dass er sich besonders darauf freute, andere Männer in ihr Leben zu lassen. Schon gar nicht junge, gutaussehende, gesunde Männer, die sie glücklich machen könnten, wo er versagte.

Er zwang sich zu einem weiteren Lächeln. Eifersucht. Sein altes Problem. Er hatte gehofft, es zu überwinden, wenn er erst einmal ihr Mann war. Doch nun würde sie nie vollständig die Seine sein, und er würde das Problem nie loswerden.

Entschlossen schob er die Gedanken aus seinem Sinn. Er würde besser daran tun, sich zu konzentrieren. Er verabscheute sich für das Selbstmitleid, das ihn immer wieder überkam. Er kämpfte unablässig verbissen dagegen an.

„Ihre Mutter ist eingetroffen und unser lieber Gast. Wir freuen uns sehr über ihren Besuch. Ich hoffe, Sie werden uns die Ehre erweisen, demnächst mit uns zu Abend zu speisen“, sagte er zu Thorolf und hielt eisern sein Lächeln fest, so wie er sich selbst auch an der Mauer von Entschlossenheit und Willenskraft festhielt, die er um sich errichtet hatte.

Thorolf verneigte sich höflich, fragte allerdings nicht nach einem genauen Zeitpunkt. Vielleicht würde sich der junge Mann ja in der Gesellschaft seiner Mutter, eines steifen Kriegsversehrten und dessen Gattin langweilen. Dessen guter und treuer Gattin. Einer Gattin, die ihm nie einen wirklichen Grund zur Eifersucht geben würde.

„Herr von Orven, wie schön, Sie wiederzusehen.“ Thorolf lächelte, und einen Augenblick lang lag etwas in diesem Lächeln, das Asko von Orven gar nicht mochte, obgleich ihm klar war, dass er allein so fühlte. Das Lächeln erinnerte ihn an etwas, er wusste nur nicht an was. Es war, als ob dieses Lächeln einem anderen gehörte. Er kannte es und hatte es schon früher gehasst.

Er schalt sich ob seiner unlauteren Gedanken.

Feuerbach, der Philosoph, betrat eben den Raum zusammen mit dem Gastgeber; beide waren schon fleißig dabei, logische Feinheiten zu debattieren.

„Wenn Sie die Zeit als physischen Ort definieren, in dem man sich vorwärts oder rückwärts bewegen kann – mit divergierenden Geschwindigkeiten –, würden Sie Zeit als zusätzliche Dimension verstehen“, sagte der Philosoph und klang eifrig und interessiert.

„Was lässt Sie so sicher sein, dass Zeit nicht genau das ist?“, fragte der Professor. „Wenn man jeden Punkt im Universum dadurch bestimmen kann, dass man seine genauen Achsenpunkte angibt, so sollte das doch auch eine Methode sein, die auf die Zeit an sich anzuwenden ist.“

„Aber wie? Was für eine Maschine würden Sie benötigen, um so etwas zu berechnen oder funktionieren zu lassen?“

„Wer weiß?“, gab der Professor zurück und lächelte. „Doch das tut nichts zur Sache. Jeder Erfindung geht eine Theorie voraus. Man hat eine Idee, formuliert eine Theorie, macht diese wasserdicht und versucht dann erst, sie im physikalischen Versuch zu beweisen.“ Er wandte sich Asko von Orven zu. „Sie sind Ingenieur und Erfinder. Wie würden Sie denn darangehen, Zeit nicht als linearen Strom, sondern als physikalische Dimension zu erfassen?“

Asko beugte sich vor und lächelte.

„Ich würde es gar nicht versuchen. Lineare Zeit misst man mit Uhren. Alles andere gehört in den Bereich des Arkanen. Damit gebe ich mich nicht ab.“

„Magie!“, schnaubte der Professor verächtlich. „Also wirklich, von Orven, das hätte ich nicht von Ihnen erwartet. Das hat gar nichts mit dem sogenannten Arkanen zu tun. Es ist einfach nur ein physikalisches Konzept.“ Der Professor wandte sich dem jungen Künstler zu. „Wenn Sie die Zeit malen müssten, ohne ein gängiges Symbol dafür zu verwenden, wie würden Sie sie darstellen?“

Thorolf blickte seinen Gastgeber erstaunt und ein wenig betreten an.

„Ich weiß nicht, Herr Professor. Da müsste ich schon eine ganze Weile drüber nachdenken. Man könnte eine Entwicklung darstellen, vom Knaben zum Manne, von der Geburt zum Tod“, gab der junge Mann zurück.

„Das zeigt aber nur eine Dauer an“, widersprach Asko, „keinesfalls die Zeit selbst. Vielleicht könnte man sich die Ewigkeit besser vorstellen, wenn man Zeit malen könnte. Aber um ganz ehrlich zu sein, ist die Ewigkeit nichts, womit ich mich dieser Tage besonders intensiv beschäftige. Ich bin sterblich. Meine Sterblichkeit ist mir in der Vergangenheit sehr bewusst gemacht worden. Im Spiegel der Unendlichkeit, existiere ich kaum länger als eine Eintagsfliege.“

Feuerbach sah ihn nachdenklich an, der Professor auch und ebenso Lord Edmond, der sich eben zu der Gruppe dazugesellte.

„Die Welt ist ein Karussell“, schlug er als Erklärung vor und sah dabei ein wenig gönnerhaft aus. „Dennoch bemerken wir nicht, wie sie sich dreht.“

„Aber wir würden die Bewegung wahrnehmen, wenn wir aussteigen könnten, um uns das ganze von außen zu betrachten“, gab Asko trocken zurück.

Der Weißhaarige sah ihn nachdenklich an. Ein entzückendes Lächeln erhellte seine Züge.

„Ist es das, was Sie gerne tun würden? Die Welt anhalten, um auszusteigen und eine bessere Aussicht zu haben?“

„Ob man eine bessere Aussicht hätte, sei dahingestellt, doch die Perspektive wäre atemberaubend. Was würde man nicht alles dafür geben, genau so eine Aussicht – oder Einsicht – zu erhalten?“

„Was genau?“, fragte Lord Edmond.

„Wie bitte?“, meinte Asko.

„Was würden Sie denn geben, um eine Außenansicht der Welt zu erhaschen? Ihr Leben? Ihre Zukunft? Ihren Verstand? Ein einziger Blick vollkommenen Verstehens – und dann nichts mehr? Was würden Sie dafür geben, Herr von Orven? Ihre Gesundheit? Oh, nein, die haben Sie ja schon Ihrem König geopfert.“ Asko zuckte ob der Unverschämtheit zusammen. „Wie steht’s um die Liebe? Würden Sie Ihre Liebe geben für einen vollkommenen Einblick in die Realität, quasi von außen?“

Asko starrte ihn an.

„Mylord, das würde ich auf keinen Fall. Kein noch so vollkommener Einblick in die Realität von außen wäre den Verlust der Liebe wert“, sagte er.

„Dann muss Ihre Gattin eine glückliche Frau sein“, gab Lord Edmond zurück, und Asko lief dunkelrot an. „Ich hoffe, Sie ist entsprechend dankbar.“

„Ich habe dankbar zu sein“, sagte er steif und konnte nicht fassen, dass ein Gespräch über die physikalischen Eigenschaften von Zeit auf einmal auf die Dankbarkeit, die er seiner Frau schuldete, umgeschwenkt war. Dieser Kerl war entschieden zu direkt. Er übertrat jede Grenze der Höflichkeit. Ein wenig erinnerte er Asko an Graf Arpad. Jener machte sich auch absolut nichts aus höflichen Konventionen und übertrat die Grenzen des Anstandes andauernd.

„Da fahren Sie also auf dem Karussell herum, Herr von Orven, umdiedum und rundherum, und sie werden die Ewigkeit nie von der anderen Seite sehen, weil Sie Ihre Last nicht ablegen und einfach springen möchten.“

Asko focht um eine Antwort und war dankbar für den beinahe naiven Kommentar Thorolfs.

„Lord Edmond, ich fürchte, Sie erwarten zu viel von mir. Ich kann ein Karussell malen. Doch wenn ich eines malen würde, so würde ich Herrn von Orven gewiss nicht auf eines der hölzernen Reittiere setzen. Er scheint mir schlichtweg nicht die Art Mann zu sein, der ohne Ziel und oder freien Willen seine Runden durch die Zeit trudelt.“

Lord Edmonds blassgraue Augen betrachteten den Maler eingehend, und es lag in ihnen so viel Feindseligkeit, dass sich Asko die Nackenhaare hochstellten. Vielleicht sollte er den Sohn von Frau Sophie Treynstern besser warnen, wenngleich er nicht wusste, vor was.

Er mochte den Engländer nicht. Der Mann hatte etwas Verunsicherndes an sich. Asko entsann sich, dass er Charlotte darüber hatte berichten wollen und dass ihm die Begegnung vollständig entfallen war. Er fragte sich, ob sein Gastgeber, der anerkannteste Naturwissenschaftler dieses Königreiches, ahnte, dass er einen Gast beherbergte, der vielleicht kein Mensch war. Asko war schon mehr als einem Feyon begegnet, und er hasste sie alle ohne Ausnahme. Er mochte ihre Macht nicht, verabscheute ihre moralische Gleichgültigkeit und ihre herablassende Art gegenüber menschlichem Leben.

Die Fey. Er wusste, dass sie existierten, doch er versagte es sich, den Weißhaarigen mit seinem Verdacht zu konfrontieren. Unter den Anwesenden konnte ihn eine solche Äußerung sein Renommee kosten. Zudem mochte es gefährlich sein. Die Sí waren sehr darauf bedacht, ihre Geheimnisse für sich zu behalten, und ihnen galt weder ein Menschenleben, noch das intakte Gedächtnis eines Menschen besonders viel.

So wandte er sich Thorolf zu, der ihm in der Diskussion zur Seite gestanden hatte.

„Ich danke Ihnen. Ihr Urteil über mich ist sehr schmeichelhaft.“

Der Künstler verneigte sich und wandte sich dann wieder dem Engländer zu.

„Was ist mit Ihnen? Würden Sie einen Logensitz außerhalb des Karussells annehmen?“

Eine Hand berührte sanft den Arm des Malers.

„Das würde er mit Sicherheit“, sagte Fray Lybratte und lächelte gutmütig. „Aber gelegentlich würde er aufspringen und ein paar Runden mitreiten, denn sich im Kreis zu drehen ist immer noch besser, als sich gar nicht zu bewegen. Zumindest für die meisten von uns.“

„Sie tun, als ändere sich nie etwas in unserem Leben!“, sagte Treynstern und klang ein wenig angespannt dabei. „Aber dem ist nicht so. Dinge ändern sich laufend. Manchmal werden sie besser, manchmal schlechter. Wir entwickeln uns und wir lernen dazu. Manchmal lernen wir Dinge, die wir nie wissen wollten.“

Lord Edmond lächelte und vermittelte dabei den Eindruck, als glaube er, jedem an Wissen überlegen zu sein. Die Haltung ärgerte den Invaliden. Der Engländer war das letzte Mal um einiges charmanter gewesen. Heute betrug er sich wie ein arroganter Fürst, dem es Freude machte, seinen Hofstaat zu malträtieren. Dabei wirkte er zutiefst unzufrieden, geradeso als hätte ihm jemand den Gehorsam verweigert.

„Aber sicher lernen Sie immer wieder Neues, Herr Treynstern“, gab Lord Edmond zurück und lächelte dünn. „Das Holzpferd, auf dem Sie im Karussell reiten, mag aber nicht allzu fest am Boden menschlichen Daseins festgeschraubt zu sein.“

„Wie meinen Sie das?“, fuhr Thorolf ärgerlich auf. Asko sah, dass er vor Zorn ganz bleich geworden war. Die Kreatur hatte nun auch das sonnige Gemüt des Österreichers durchschnitten.

„Machen Sie sich nichts draus, Herr Treynstern“, beschwichtigte Lucilla und lächelte besonders entzückend. „Unser Freund genießt es, in Rätseln zu sprechen. Es muss überhaupt nichts heißen. Außer vielleicht, dass man ihn von seinem eigenen Holzpferd gerade erst verscheucht hat.“

Der Weißhaarige lächelte und verneigte sich zuerst vor Frau Lybratte dann vor Asko und Treynstern.

„Ich bitte um Verzeihung. Ich bin übers Ziel hinausgeschossen.“

„Allerdings“, schalt Lybratte. „Unser Thema war die Zeit an sich und nicht Holzpferde und Ringelspiel. Ich habe darüber nachgedacht, was wäre, wenn wir Zeit genauer definieren könnten. Würden wir dann an ihr entlang reisen können wie eine Lokomotive auf Gleisen, von hier nach da?“

„Genau das tun wir doch“, unterbrach Feuerbach. „Interessant ist nur die Frage, ob wir die Geschwindigkeit frei bestimmen können – oder die Richtung.“

„Mit Dampfkraft?“, fragte seine Lordschaft wegwerfend.

„Mit Feyonkraft“, gab Asko zurück und lächelte in die Runde. „Wir bitten Herrn von Schwind, dass er es malt. Er ist immerhin der Spezialist, wenn es um Legenden geht. Tir Na Nog im Dampfzeitalter. Der Barde singt Wagnerarien am Hof der Elfenkönigin, und wenn er damit fertig ist, steigt er auf seine Lokomotive und reist zurück in seine eigene Zeit.“

Nun starrten ihn alle an. Doch das war einerlei. Nur Thorolf grinste und führte den Gedanken fort.

„Nachdem der Hof der Elfenkönigin vermutlich auch rückwärts durch die Zeit reisen kann, kann er sich die gleiche Musik beliebig oft anhören. Wenn man darüber nachdenkt, wäre das schon eine erstrebenswerte Sache, einfach in die Vergangenheit zu reisen, um ein bestimmtes Musikstück zu hören so oft man will.“

„Da wäre es vermutlich leichter, ein Gerät zu entwickeln, das Klang speichert“, entgegnete Asko. „Klang kann man immerhin genau definieren.“

„Man kann? Wie?“, fragte Lucilla.

„Das ist einfach“, versicherte der Maler mit einem Grinsen. „Ich kanns hören, also ist es Klang.“

„Das würde bedeuten“, warf Feuerbach ein, „dass alles, was Sie persönlich nicht hören, kein Klang ist? Würde das die gesamte Erde nicht zu einem sehr stillen Ort machen?“

Frau Lybratte begann zu lachen, und nach und nach stimmten alle ein, selbst Thorolf, der sich entschuldigend verneigte.

„Ich bin kein begabter Philosoph, Herr Professor“, gab er zu. „Aber malen kann ich. Vielleicht sollte ich mich darauf beschränken.“

„Dann habe ich eine Hausaufgabe für Sie“, sagte Lord Edmond mit einem eigentümlichen Lächeln. „Malen Sie mir ‚Klang. Wenn Sie mir ‚Klang wirklich gut malen, dann werde ich Ihnen das Bild abkaufen – für wirklich teures Geld, wenn’s sein muss.“

Aller Augen schwenkten auf Thorolf, der schluckte und dann zurücklächelte.

„Wenn Sie wirklich teures Geld für ein Bild verschwenden möchten, das von mir, einem gänzlich Unbekannten, gemalt wurde, Lord Edmond, dann werde ich daran gehen, Ihnen ‚Klang so laut zu malen, dass Sie sich die Finger in die Ohren stecken müssen, wenn Sie das Bild anschauen.“

Beide verneigten sich.

„Abgemacht“, sagte der Engländer. „Ich werde Sie reichlich entlohnen, wenn Sie es schaffen.“

„Was, wenn er es nicht schafft?“, fragte Lybratte. „Ihr Engländer mit Euren Wetten!“

Der Brite lächelte.

„Dann lasse ich ihn etwas Gegenständlicheres malen. Mit einem lebenden Modell. Ein Hund, vielleicht? Zu gewöhnlich. Eine Maus? Eine Fliege? Wie wäre es mit einer Spinne, Herr Treynstern? Wie wäre es mit einem riesigen Bild von einer – kleinen – Spinne?“, fragte er.

In den Händen des Künstlers brach ein Glas.