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Am Haus von Wyatt traf ich gleichzeitig mit Meacham ein, der ein paar Witzchen über meinen Porsche riss. Wir wurden in Wyatts hochmodernen Fitnessraum geführt, der zwar im Keller, wegen der Erdneigung aber nicht unter der Erde lag. Wyatt stemmte auf einer Bank Gewichte – hundertfünfzig Pfund. Er trug nur winzige Trainingsshorts und wirkte aufgepumpter denn je. Dieser Typ war Godzilla.
Ohne ein Wort zu sagen, beendete er sein Pensum, dann stand er auf und trocknete sich den Schweiß ab.
»Und, sind Sie schon gefeuert?«, fragte er.
»Noch nicht.«
»Nein, Goddard hat jetzt anderes im Kopf. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass sein Unternehmen den Bach runtergeht.« Er sah Meacham an, und die beiden lachten leise. »Was hat der heilige Augustinus dazu zu sagen?«
Die Frage kam nicht unerwartet, aber so plötzlich, dass ich nicht gut vorbereitet war. »Nicht allzu viel«, sagte ich.
»Bullshit«, widersprach Wyatt, trat näher zu mir und starrte mich an, versuchte, mich mit seiner physischen Präsenz einzuschüchtern. Sein Körper dampfte und roch nach etwas Ammoniakähnlichem: Der Geruch von Gewichthebern, die zu viel Protein zu sich nehmen.
»Jedenfalls nicht, wenn ich dabei war«, erläuterte ich. »Ich meine, ich glaube, dass der Artikel sie wirklich aufgeschreckt hat – plötzlich wurde es hektischer als normalerweise.«
»Was wissen Sie denn schon, was dort ›normal‹ ist?«, schaltete Meacham sich ein. »Es ist doch erst Ihr erster Tag im siebten Stock.«
»Ich hatte nur den Eindruck«, erwiderte ich lahm.
»Wie viel von dem Artikel stimmt?«, fragte Wyatt.
»Wollen Sie damit sagen, dass nicht Sie ihn lanciert haben?«, gab ich zurück.
Wyatt warf mir einen Blick zu. »Schaffen sie das Quartal oder nicht?«
»Ich habe keine Ahnung«, log ich. »Ich war ja nicht den ganzen Tag in Goddards Büro.« Ich wusste nicht, warum ich so wild entschlossen war, die katastrophalen Quartalszahlen oder die Nachricht von den bevorstehenden Entlassungen nicht preiszugeben. Vielleicht hatte ich das Gefühl, dass Goddard mir ein Geheimnis anvertraut hatte und es falsch wäre, sein Vertrauen zu missbrauchen. Herrgott, dabei war ich ein gottverdammter Maulwurf, ein Spion – was sollte jetzt mein hochtrabendes Gehabe? Warum zog ich plötzlich Grenzen: Bis hierhin verrate ich euch alles, aber darüber hinaus nichts mehr? Wenn die Nachricht von den Entlassungen morgen verbreitet würde, würde Wyatt mir die Daumenschrauben anlegen, weil ich ihm nichts davon gesagt hatte. Er würde mir nicht glauben, dass auch ich vorher nichts davon gehört hätte. Also lavierte ich ein bisschen herum. »Aber irgendwas ist da im Gang«, sagte ich. »Irgendwas Großes. Da wird eine Ankündigung vorbereitet.«
Ich gab Wyatt einen Ordner mit einer Kopie der Strategie, die Goddard mir zur Durchsicht gegeben hatte.
»Was ist das?«, fragte Wyatt. Er setzte sich auf die Bank, zog sich ein Tanktop über und fing an, die Unterlagen durchzublättern.
»Trions Geschäftsstrategie für die nächsten achtzehn Monate. Inklusive detaillierter Beschreibungen aller neuen Produkte, die sie auf Lager haben.«
»Inklusive AURORA?«
Ich schüttelte den Kopf. »Aber Goddard sprach davon.«
»Inwiefern?«
»Er sagte nur, es gäbe ein großes Projekt mit dem Codenamen AURORA, das alles für die Firma verändern würde. Er sagte, er hätte Camilletti damit betraut.«
»Aha! Camilletti ist mit allen Akquisitionen betraut, und meine Informanten behaupten, AURORA sei aus einer Reihe Firmen zusammengestellt, die Trion in den letzten Jahren heimlich aufgekauft habe. Hat Goddard verraten, um was es sich dabei handelt?«
»Nein.«
»Haben Sie gefragt?«
»Natürlich habe ich das. Ich sagte, ich sei daran interessiert, an so etwas Bedeutendem mitzuarbeiten.«
Wyatt blätterte die Strategie durch und schwieg. Hastig und aufgeregt überflog er die Seiten.
In der Zwischenzeit gab ich Meacham einen Zettel. »Jocks Privatnummer vom Handy.«
»Jocks?«, wiederholte Meacham angewidert.
»Alle nennen ihn so. Das heißt nicht, dass wir Brüderschaft getrunken hätten. Wie auch immer, so können Sie jedenfalls viele seiner wichtigsten Anrufe zurückverfolgen.«
Meacham nahm den Zettel, ohne mir zu danken.
»Noch eines«, sagte ich zu Meacham, als Wyatt nicht mehr zu lesen aufhörte. »Es gibt ein Problem.«
Meacham starrte mich an. »Keine dämlichen Spielchen mit uns.«
»Es gibt einen Neuen bei Trion, einen Typ namens Kevin Griffin, im Vertrieb. Sie haben ihn von euch abgeworben – von Wyatt.«
»Und?«
»Wir waren irgendwie befreundet.«
»Befreundet?«
»Irgendwie. Wir haben zusammen Basketball gespielt.«
»Er hat Sie hier mitgekriegt?«
»Genau.«
»Scheiße«, sagte Meacham. »Das ist wirklich ein Problem.«
Wyatt blickte von seinen Unterlagen auf. »Ausschalten«, sagte er.
Meacham nickte.
»Was soll das heißen?«, fragte ich.
»Das heißt, dass wir uns um ihn kümmern«, erwiderte Meacham.
»Dies sind wichtige Informationen«, sagte Wyatt schließlich. »Sehr, sehr nützlich. Was sollen Sie damit anfangen?«
»Er möchte, dass ich ihm meine generelle Meinung über die Geschäftsbereiche abgebe. Was viel versprechend ist, was nicht, was Probleme geben könnte. Wie auch immer. Alles.«
»Das ist nicht besonders spezifisch.«
»Er sagte, er wollte einen Helikopterflug über sein Terrain.«
»Mit Adam Cassidy, dem Marketinggenie, als Pilot«, ergänzte Wyatt amüsiert. »Tja, dann holen Sie mal Stift und Schreibblock hervor und machen Sie sich Notizen. Ich mache Sie jetzt zum Star.«