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Heilige Scheiße«, sagte Nicholas Wyatt.

Für den Bruchteil einer Sekunde hatte seine auf Hochglanz polierte, tief gebräunte Maske der Arroganz Risse bekommen. Er warf mir einen Blick zu, der fast schon an Respekt grenzte. Fast. Jedenfalls war das ein vollkommen neuer Wyatt, und sein Anblick gefiel mir.

»Sie wollen mich verarschen, Teufel noch mal.« Er starrte mich immer noch an. »Ich hoffe für Sie, dass das kein Scherz ist.« Schließlich wandte er den Blick ab, was eine ziemliche Erleichterung für mich war. »Das ist doch verfickt noch mal un-glaub-lich.«

Wir saßen in seinem Privatflugzeug, das allerdings stillstand. Wir warteten auf sein neuestes Betthäschen, mit dem er nach Hawaii fliegen wollte, wo er ein Haus im Hualalai-Resort hatte. Wir waren zu dritt, Wyatt, Arnold Meacham und ich. Ich war noch nie zuvor in einem Privatjet gewesen, und dieser hier war ziemlich eindrucksvoll, ein Gulfstream G-IV, der Innenraum vier Meter breit und circa zwanzig Meter lang. Ich hatte noch nie so viel Platz in einem Flugzeug gesehen. Man hätte hier Football spielen können. Es gab nur zehn Sitzplätze, einen separaten Konferenzraum und zwei riesige Badezimmer mit Duschen.

Glauben Sie mir, ich flog nicht nach Hawaii. Das war nur ein Scherz. Meacham und ich würden das Flugzeug verlassen, bevor es abhob. Wyatt trug ein schwarzes Seidenhemd. Ich hoffte, er hatte Hautkrebs.

Meacham grinste Wyatt an und sagte leise: »Brillanter Schachzug, Nick.«

»Die Ehre gebührt Judith«, sagte Wyatt. »Sie hatte ursprünglich die Idee.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Aber ich glaube, selbst sie hat das nicht vorhergesehen.« Er nahm sein Handy und drückte zwei Tasten.

»Judith«, sagte er. »Unser Junge arbeitet jetzt direkt für Mister Big persönlich. Den dicken Fisch. Persönlicher Referent des CEO.« Er schwieg kurz und lächelte Meacham an. »Nein, das ist kein Witz.« Pause. »Judith, meine Liebe, ich möchte, dass Sie mit unserem jungen Mann hier einen Crashkurs machen.« Wieder Pause. »Richtig, ja, das ist wohl jetzt die Top Priority. Ich möchte, dass Adam diesen Typ inund auswendig kennt. Ich möchte, dass er der gottverdammt beste persönliche Referent ist, den er je hatte. Richtig.« Und dann drückte er auf einen Knopf und beendete das Gespräch mit einem Piepton. Er wandte sich erneut zu mir und sagte: »Sie haben gerade Ihren Arsch gerettet, mein Freund. Arnie?«

Meacham sah aus, als habe er nur auf ein Zeichen gewartet. »Wir haben alle AURORA-Namen überprüft, die Sie uns gegeben haben«, sagte er finster. »Aber nicht ein einziger erbrachte einen gottverdammten Hinweis.«

»Was soll das heißen?«, fragte ich. Gott, hasste ich diesen Typ.

»Keine Sozialversicherungsnummern, kein gar nichts. Verarschen Sie uns nicht, Kumpel.«

»Wovon sprechen Sie überhaupt? Ich habe die Namen direkt von der Trion-Website heruntergeladen.«

»Jaa, dann sind es eben nicht die echten Namen, Arschloch. Nur die Namen der Sekretärinnen sind echt, aber die Namen der Forschungsabteilung sind offensichtlich Decknamen. So ausgefeilt ist ihre Tarnung – ihre richtigen Namen sind noch nicht mal auf der Website aufgeführt. So was hab ich noch nie erlebt.«

»Da ist irgendwas faul«, sagte ich kopfschüttelnd.

»Sie fahren doch keine krumme Tour, oder?«, fragte Meacham. »Sonst zerquetschen wir Sie, so wahr mir Gott helfe.« Er warf einen Blick zu Wyatt. »Das mit den Personalakten hat er auch vermasselt – totale Fehlanzeige.«

»Die Akten waren weg, Arnold«, schoss ich zurück. »Entfernt. So vorsichtig sind sie da.«

»Was Neues mit der Braut?«, schaltete Wyatt sich ein.

Ich lächelte. »Die Braut sehe ich nächste Woche.«

»Ein echtes Date oder so?«

Ich zuckte die Achseln. »Die Frau interessiert sich für mich. Sie arbeitet bei AURORA mit. Sie ist eine direkte Verbindung zu den Skunkworks.«

Zu meiner Überraschung nickte Wyatt nur. »Schön.«

Meacham schien zu spüren, woher nun der Wind wehte. Er hatte sich darin verbissen, wie ich die HR-Sache vermasselt hatte und warum die AURORA-Namen auf der Website von Trion gefälscht waren, aber sein Boss konzentrierte sich auf das, was richtig lief, auf die erstaunliche Wendung der Dinge, und da wollte Meacham nicht außen vor bleiben. »Jetzt bekommen Sie Zugang zu Goddards Büro«, sagte er. »Dann können Sie noch das eine oder andere Spielzeug anloggen.«

»Verdammt, das ist einfach unglaublich«, sagte Wyatt.

»Ich glaube, jetzt brauchen wir ihm nicht mehr sein altes Wyatt-Gehalt zu zahlen«, sagte Meacham. »Nicht bei dem, was er jetzt bei Trion verdient. Herrgott, dieser gottverdammte Kite macht jetzt mehr Geld als ich

Wyatt schien das zu amüsieren. »Nein, wir haben eine Abmachung.«

»Wie haben Sie mich genannt?«, fragte ich Meacham.

»Es ist ein Sicherheitsrisiko, Gelder von Firmenkonten auf ein Konto von diesem Jüngelchen zu transferieren, egal über wie viele Kanäle das geht«, sagte Meacham zu Wyatt.

»Sie haben mich ›Kite‹ genannt«, beharrte ich. »Was soll das bedeuten?«

»Ich dachte, das könnte man nicht zurückverfolgen«, sagte Wyatt zu Meacham.

»Was ist ein ›Kite‹?«, fragte ich. Ich war wie ein Hund mit einem Knochen: Ich würde nicht loslassen, ganz gleich, wie sehr ich Meacham auf die Nerven ging.

Meacham hörte mir nicht einmal zu, aber Wyatt blickte zu mir und murmelte: »Das ist ein firmeninterner Codename. Ein ›Kite‹ ist ein ›Sonderbeauftragter‹, der irgendwo eingeschleust wird und mit allen erforderlichen Mitteln Informationen sammelt, seinen Auftrag erledigt.«

»›Kite‹?«, sagte ich.

»Man lässt einen ›Kite‹ steigen, und wenn er sich irgendwo verfängt, kappt man die Schnur«, erklärte Wyatt. »Schon mal was von ›glaubwürdigem Dementi‹ gehört?«

»Kappt die Schnur«, wiederholte ich dumpf. In gewisser Hinsicht hätte ich gar nichts dagegen, denn die Schnur war doch eher eine Fessel. Aber ich wusste, wenn sie sagten, sie würden die Schnur kappen, dann meinten sie, sie würden mich meinem Schicksal überlassen.

»Nur wenn’s schlecht läuft«, sagte Wyatt. »Sie dürfen es einfach nicht schlecht laufen lassen, dann muss niemand die Schnur kappen. Aber wo zum Teufel bleibt jetzt die dumme Kuh? Wenn sie nicht in zwei Minuten hier ist, dann fliege ich ohne sie los.«

Paranoia
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