23
Als ich zu Hause ankam, war ich ein Wrack. Ich war einfach nicht für so eine Arbeit geschaffen. Ich wollte nur raus und mich wieder besaufen, musste aber ins Bett und etwas Schlaf bekommen.
Meine Wohnung wirkte noch kleiner und schäbiger als sonst. Ich bekam ein sechsstelliges Gehalt, also konnte ich mir doch wohl eines dieser Apartments in den neuen großen Gebäuden am Kai leisten. Es gab keinerlei Grund für mich, in diesem Höllenloch zu bleiben, nur dass es mein Höllenloch war, die stetige Erinnerung daran, dass ich in Wirklichkeit ein mieser, nichtsnutziger Versager war und nicht der gut angezogene, glattzüngige Angeber, den ich jetzt spielte. Außerdem hatte ich keine Zeit, mir eine neue Wohnung zu suchen.
Ich schlug auf den Lichtschalter neben der Tür, aber es blieb dunkel. Verdammt. Das hieß, die Glühbirne in der großen hässlichen Lampe am Sofa, die die Hauptlichtquelle des Wohnraums darstellte, war ausgebrannt. Ich ließ die Lampe immer angeschaltet, so dass ich sie über den Lichtschalter an der Tür ein- und ausschalten konnte. Jetzt musste ich mich durch die dunkle Wohnung zu dem Schränkchen vortasten, wo ich die Ersatzbirnen und so hatte. Glücklicherweise kannte ich jeden Zentimeter meiner Winzwohnung und konnte sie buchstäblich mit geschlossenen Augen durchqueren. Ich fummelte aus der Schachtel aus Wellpappe eine neue Birne, hoffte, dass es eine Hundert-Watt und keine Fünfundzwanzig-Watt oder so war, dann steuerte ich den Couchtisch an, löste die Dinger, die den Lampenschirm festhalten, schraubte die alte Birne heraus und die neue hinein. Aber immer noch kein Licht. Das beschissene Ende eines beschissenen Tages. Ich ertastete den kleinen Schalter am Fuß der Lampe, drückte ihn, und im Zimmer wurde es hell.
Ich war schon auf dem Weg zum Badezimmer, als mich die Frage durchzuckte: Wieso war die Lampe ausgeschaltet gewesen? Ich schaltete sie nie aus – nicht ein einziges Mal. Verlor ich jetzt meinen Verstand?
War jemand in der Wohnung gewesen?
Das war ein ziemlich unheimliches Gefühl, ein Anflug von Paranoia. Jemand war hier gewesen. Wie sonst hätte die Lampe ausgeschaltet gewesen sein können?
Ich hatte keinen Mitbewohner, keine Freundin, und es hatte auch niemand sonst einen Schlüssel zu der Wohnung. Die miese Hausverwaltungsgesellschaft, die sich für den miesen, unerreichbaren Hausbesitzer um das Gebäude kümmerte, kam nie in die Wohnungen. Nicht einmal, wenn man sie anflehte, jemanden vorbeizuschicken, der die Heizungen reparieren sollte. Hier war nie jemand außer mir.
Als ich zum Telefon direkt neben der Lampe blickte, dieses alte schwarze Kombigerät von Panasonic, dessen Anrufbeantworter ich nicht mehr benutzte, seit ich die Voicemail der Telefongesellschaft hatte, entdeckte ich noch etwas. Das schwarze Telefonkabel lag über der Tastatur, direkt auf den Tasten, statt ordentlich neben dem Hörer, wie sonst auch. Klar, das waren alberne Kleinigkeiten, aber wenn man allein lebt, fällt einem so etwas auf. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, wann ich das letzte Mal einen Anruf getätigt hatte, wo ich da gewesen und was ich genau gemacht hatte. War ich so zerstreut gewesen, dass ich den Hörer falsch aufgehängt hatte? Aber ich war mir sicher, dass das Telefon noch nicht so ausgesehen hatte, als ich an diesem Morgen die Wohnung verließ.
Jemand war definitiv hier gewesen.
Ich blickte erneut zum Kombigerät und entdeckte etwas, was unzweifelhaft falsch war, und diesmal keine Kleinigkeit. Der Anrufbeantworter, den ich nie benutzte, hatte dieses Dualsystem mit zwei Mikrokassetten, eine für die eingehenden und eine für die getätigten Anrufe.
Aber die Kassette für die eingehenden Nachrichten fehlte. Jemand hatte sie entfernt.
Vermutlich jemand, der eine Aufzeichnung meiner Anrufe haben wollte.
Oder – dieser Gedanke traf mich wie ein Blitz – jemand, der sicherstellen wollte, dass ich den Anrufbeantworter nicht genutzt hatte, um eingehende Anrufe aufzuzeichnen. Das musste es sein. Ich stand auf und fing an, den einzigen Rekorder zu suchen, den ich besaß, ein kleines Diktiergerät, das ich aus irgendeinem Grund, an den ich mich nicht mehr erinnern konnte, fürs College gekauft hatte. Ich erinnerte mich vage daran, dass ich ihn einige Wochen zuvor in der untersten Schreibtischschublade gesehen hatte, als ich nach einem Feuerzeug suchte. Ich zog die Schublade auf und durchwühlte sie, aber es war nicht da. Und auch nicht in den anderen Schubladen des Schreibtischs. Je länger ich suchte, desto sicherer war ich mir, das Diktiergerät in der untersten Schublade gesehen zu haben. Als ich noch einmal nachsah, fand ich den dazugehörigen Akku, was meinen Verdacht bestätigte. Dieses Aufnahmegerät war also auch weg.
Jetzt war ich mir sicher: Wer auch immer meine Wohnung durchsucht hatte, war scharf auf etwaige Aufzeichnungen von mir gewesen. Die Frage war nur, wer? Wenn es Leute von Wyatt und Meacham waren, war das verdammt unverschämt und empörend.
Aber was, wenn sie es nicht waren? Wenn es jemand von Trion war? Das fand ich so unheimlich, dass ich nicht mal darüber nachdenken wollte. Mir kam wieder Morddens sachlich gestellte Frage in den Sinn: Wovon wollen Sie sich freischwimmen?