32
Gegen fünf Uhr morgens wurde ich von einem scheppernden Geräusch geweckt. Ich fuhr auf. Die Reinigungskräfte waren eingetroffen und rollten große gelbe Plastikeimer, Wischmopps und Staubsauger herein, die man auf dem Rücken befestigen konnte. Es waren zwei Männer und eine Frau, die sich rasch in einer Sprache unterhielten, die für mich portugiesisch klang. Ich wischte mit meinem Ärmel eine kleine Spuckepfütze vom Schreibtisch des Unbekannten, stand dann auf und schlenderte hinüber zur Tür, die sie mit einem Gummistopper aufhielten.
»Bom dia, como vai?«, sagte ich. Ich schüttelte mit verlegener Miene den Kopf und blickte demonstrativ auf die Uhr.
»Bem, obrigado e o senhor?«, gab die Frau zurück. Sie grinste und zeigte ein paar Goldzähne. Sie schien zu verstehen – armer Bürobüttel, der die ganze Nacht oder schon früh am Morgen hier war, sie wusste es nicht, es interessierte sie auch nicht.
Einer der Männer blickte auf den ausgebrannten Abfalleimer und sagte etwas zu dem anderen. So was wie: Was ist denn hier passiert?
»Cancado«, sagte ich zu der Frau: Müde bin ich. »Bom, até logo.« Bis später.
»Até logo, senhor«, antwortete die Frau, während ich aus der Tür spazierte.
Eine Sekunde erwog ich, nach Hause zu fahren, mich umzuziehen und dann direkt wieder zurückzukommen. Aber das war einfach zu viel für mich, also verließ ich stattdessen nur den E-Flügel – der sich ganz langsam mit Leuten füllte –, betrat wieder den B-Flügel und ging zu meinem Arbeitsplatz. Okay, wenn jemand jetzt die Zugangsaufzeichnungen überprüfte, würde er sehen, dass ich Sonntagabend gegen sieben das Gebäude betreten hatte und Montagmorgen gegen halb sechs zurückgekommen war. Streber. Ich hoffte nur, jetzt keinem über dem Weg zu laufen, der mich kannte, denn ich sah aus, als hätte ich in meinen Kleidern geschlafen, was natürlich auch der Fall war. Glücklicherweise begegnete ich niemandem. Ich holte mir eine Diet Vanilla Coke aus dem Pausenraum und nahm einen tiefen Schluck. Es schmeckte widerlich, so früh am Morgen, also kochte ich eine Kanne Kaffee und ging auf die Herrentoilette, um mich frisch zu machen. Mein Hemd war ein bisschen zerknittert, aber im Großen und Ganzen sah ich passabel aus, obwohl ich mich beschissen fühlte. Heute war der große Tag, und ich musste in Bestform sein.
Eine Stunde vor dem wichtigen Meeting mit Augustine Goddard versammelten wir uns für eine Generalprobe im »Packard«, einem der größeren Konferenzräume. Nora trug ein wunderschönes blaues Kostüm und sah aus, als wäre sie speziell für diesen Anlass beim Frisör gewesen. Sie war total aufgeregt, knisterte vor nervöser Energie. Sie lächelte mit weit aufgerissenen Augen.
Sie und Chad probten schon, während die anderen langsam eintrudelten. Chad spielte Jock. Sie warfen sich Stichworte zu wie ein altes Ehepaar, das noch einmal die Stationen eines alten Familienstreits durchgeht, da klingelte plötzlich Chads Handy. Er hatte eines von diesen Motorola Fliphandys, und das mit Sicherheit nur, um es am Ende eines Gesprächs geräuschvoll zuschnappen zu lassen.
»Chad hier«, sagte er. Sein Tonfall wurde plötzlich viel wärmer. »Hey, Tony.« Er bedeutete Nora mit einem hochgereckten Zeigefinger, sie solle warten, dann ging er in eine Ecke des Raums.
»Chad«, rief Nora gereizt hinter ihm her. Er kehrte zurück, nickte ihr zu und hielt erneut den Finger in die Höhe. Etwa eine Minute später hörte ich, wie er das Handy zuschnappen ließ, und dann ging er zu Nora und redete rasch und mit leiser Stimme auf sie ein. Wir alle beobachteten sie und lauschten. Sie befanden sich in der Mitte unseres Kreises.
»Im Büro des Controllers sitzt ein Kumpel von mir«, sagte er leise und mit grimmiger Miene. »Die Entscheidung über Maestro ist bereits gefallen.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Nora.
»Der Controller hat gerade die Order ausgegeben, einmalig fünfzig Millionen Dollar für Maestro abzuschreiben. Diese Entscheidung kam von ganz oben. Das Meeting mit Goddard ist eine reine Formsache.«
Nora wurde tiefrot und wandte sich ab. Sie ging hinüber zum Fenster, blickte hinaus und sagte eine volle Minute lang gar nichts.