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Die Herberge der Madame Leroux
Am 8. Juli 1804 hingen gegen elf Uhr vormittags
die Wolkenmassen so tief und so eng über den Dächern, dass es
aussehen wollte, als entstiegen sie dem Meer, statt sich vom Himmel
herabzusenken, als ein fünfoder sechsundzwanzigjähriger junger
Mann, dem die atmosphärischen Gegebenheiten höchst gleichgültig zu
sein schienen, zu Fuß die Ortschaft Saint-Servan verließ, die er
über die Straße von Châteauneuf erreicht und in der er sich nur
aufgehalten hatte, um langsam und frugal zu Mittag zu speisen;
zwischen den Granitfelsen stieg er den Weg nach Boisouze hinunter,
den es heute nicht mehr gibt, denn er musste der Route Impériale
weichen. Die Sturzbäche, die sich über ihn ergossen und von seinem
Lederhut auf seine Seemansjacke troffen, konnten ihn nicht zur Eile
nötigen; er ging unbeschwerten Schritts, seinen Seesack auf dem
Rücken, und schlug mit seinem Wanderstock gegen die Blüten voller
Tau, die Diamantenschauer entsandten. Hinter und vor ihm toste das
Meer, doch das schien ihn nicht zu beeindrucken; der Donner grollte
über seinem Kopf, doch Donner und Blitz schienen ihn nicht zu
bekümmern, und als er die Schiffswerft erreichte, konnte ihn nicht
einmal das überwältigende
Schauspiel, das sich nun seinem Blick bot, aus seiner
Gedankenverlorenheit wecken.
Er hatte den Rand des Sillon erreicht, am Eingang
des Viertels Rocabey.
Dieser Sillon war eine schmale Mole zwischen dem
Ärmelkanal und dem Meerwasserbecken landeinwärts, die Saint-Malo
mit Saint-Servan verband. Sie war dreißig Fuß hoch, aber keine acht
Fuß breit, und bei Flut und stürmischem Wetter ergossen sich nach
jedem Ansturm der Wassermassen die Wogen wie eine flüssige Kuppel
über die Mauer und stürzten dröhnend und zischend in das
landeinwärts gelegene Becken. Wenn Wind und Wasser den wilden
Ärmelkanal aufwühlten, wagte sich fast keine Menschenseele auf den
schmalen Steg, denn man erzählte sich, dass nicht nur Wanderer,
sondern sogar Pferde und Wagen von den Wirbelstürmen erfasst und in
das Becken geschleudert worden waren; es wäre also klüger gewesen,
abzuwarten, bis das Toben der Elemente sich etwas beruhigte und man
den Sillon ungehindert überqueren konnte. Doch der junge Mann
betrat unbeschwerten Schritts den Weg auf der Mole. Unterwegs warf
das Meer wie ein zweiköpfiges Ungeheuer, das beide Rachen aufriss,
um ihn zu verschlingen, zwei riesige Wogen über ihn, doch ohne sich
zu beeilen, erreichte er das andere Ende des Sillon und die
Schlossmauern, die er nun entlangging und die ihn zwar nicht vor
dem Regen, doch vor Wind und Meer schützten.
Um die Zugbrücke zu erreichen, musste unser
Reisender bis zu den Knien im Wasser waten; dann stieg er zur
Innenstadt hinunter, in der er sich kurz umsah; ohne lange zu
fackeln, bog er nach links ab und erreichte den kleinen Platz, an
dem sich heute das Café Franklin befindet. Dort schien er sich
wieder auszukennen, denn er bog in die Straße ein, die von der
Place au Beurre zur Rue Traversière führt; und als er sich in dem
Gewirr enger Gässchen verirrte, deren stattlichste zwei Meter breit
waren, wendete er sich an einen Seemann, der in einem Hauseingang
Schutz vor dem Regen gesucht hatte. »He, Kamerad«, sagte der junge
Mann, »können Sie mir sagen, wie ich zu der Herberge von Madame
Leroux finde?«
»À La Victorieuse?«, fragte der
Seemann.
»À La Victorieuse«, erwiderte der
Reisende.
»Kennen Sie den Ankerplatz, Kamerad?«, fragte der
Seemann.
»Nur dem Namen nach.«
»Oho!«, sagte der Seemann vieldeutig.
»Ist es ein unsicheres Pflaster?«
»O nein, die Reede ist tadellos, aber wenn man sich
da hineinwagt, muss man gut gefüllte Taschen haben.«
»Zeig mir den Weg zu der Herberge, und wenn du
heute Abend mit mir speisen willst, werden wir eine Flasche des
besten Weins leeren, den sie haben, und eine ihrer berühmten
Pré-Salé-Lammkeulen schmausen.«
»Mit Vergnügen«, sagte der Seemann, »so etwas werde
ich einem Kameraden nicht abschlagen. Nach wem soll ich
fragen?«
»René«, erwiderte der Reisende.
»Sehr wohl, und wann?«
»Zwischen sieben und acht Uhr abends, wenn es dir
recht ist. Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«
»Welche Frage?«
»Die nach dem Weg zu der Herberge der Madame
Leroux.«
»Zwanzig Schritte von hier entfernt«, erwiderte der
Seemann, »in der Rue Traversière, du wirst das Schild nicht
verfehlen; aber vergiss nicht, dass du zuerst einen Beutel Gold auf
den Tisch leeren und sagen musst: ›Gebt mir zu trinken und zu
essen, und ich kann bezahlen, wie ihr seht‹, wenn du dort
willkommen sein willst.«
»Ich danke dir für den guten Rat!«, erwiderte der
Reisende und machte sich auf den Weg.
Diesmal fand er sich nach zwanzig Schritten, wie
ihm gesagt worden war, vor einem riesengroßen Gebäude, über dessen
Tür ein Schild mit einer aufgemalten Fregatte und der Inschrift
À La Frégate victorieuse hing.
Der Reisende zögerte, bevor er eintrat, denn noch
nie war ein solcher Höllenlärm an sein Ohr gedrungen: eine Mischung
aus Geschrei, Verwünschungen, Blasphemien und Flüchen, die man
miterlebt haben muss, um sie sich vorzustellen. Der Korsar Niquet,
ein Rivale Surcoufs, war vor wenigen Tagen mit zwei reichhaltigen
Prisen eingelaufen, deren Ertrag am Vorabend unter den Matrosen
aufgeteilt worden war; keiner von ihnen hatte bisher seinen Anteil
ausgeben können, doch nun waren sie mit einem Eifer bei der Sache,
dass man hätte meinen können, es wären Wetten abgeschlossen worden,
wer sein Geld zuerst verschleudert haben würde. Die heftigen
Regenschauer hatten alle Mannschaften in das Innere der Herbergen
verbannt. All die irrwitzigen Spazierfahrten im geschmückten Wagen,
mit Geigen und Flöten, all die Eintagshochzeiten, bei denen die
Braut des Vortags der des nächsten Tages Platz macht, hatten sich
in die sieben oder acht großen Hotels verlagert, welche die Stadt
Saint-Malo besaß. Diejenigen, die sich keine aristokratische
Unterkunft hatten verschaffen können, waren in die Gässchen und die
kleineren Herbergen ausgeschwärmt, in denen Seeleute für gewöhnlich
unterkamen.
Der Reisende hätte nicht zu zögern brauchen, denn
niemand beachtete ihn, jedermann war viel zu beschäftigt mit seinen
eigenen Angelegenheiten: Die einen tranken, die anderen rauchten,
wieder andere spielten Tricktrack oder Karten, und um zwei
Billardtische drängten sich nicht nur fünfundzwanzig bis dreißig
Spieler, sondern außerdem fünfzig bis sechzig Zuschauer, die auf
Stühle, Bänke und Öfen geklettert waren. Mitten in diesem
ohrenbetäubenden Tohuwabohu, aus dem das Klirren der Geldmünzen auf
den Marmortischen deutlich herauszuhören war, verfolgte jeder seine
Gedanken, doch da es in diesem Krach unmöglich gewesen wäre, ihnen
geistig zu folgen, sprach jeder sie in seinem halb berauschten
Zustand laut aus, um sie den anderen, die sich nicht dafür
interessierten, und sich selbst, obwohl er sie nicht zu Ende denken
konnte, zu Gehör zu bringen.
Der junge Mann trat in den Nebel, den in Madame
Leroux’ großen Räumen der Dampf aus den Lungen der Trunkenen und
aus ihrer regennassen Kleidung bildete. Ohne eine Antwort zu
erhalten, fragte er nach Madame Leroux, ohne Hilfe suchte er nach
ihr, deren Szepter über ein Königreich von Wahnsinnigen regierte;
zuletzt sah er sie und bahnte sich den Weg zu ihr. Sie wiederum
erblickte ein unbekanntes Gesicht, auf dem sich nicht das blöde
Lächeln der Trunkenheit malte, und schickte sich an, ihm
entgegenzugehen.
Madame Leroux war eine mollige kleine Frau von
ungefähr dreißig Jahren mit herzlichem Lächeln, einschmeichelnden
Worten und einladender Gestik, die sich dieser
Berufsliebenswürdigkeit von einer Sekunde zur nächsten zu
entledigen verstand, um sich Annäherungen verliebten oder
pekuniären Ursprungs zu entziehen, wenn ihre Kundschaft sich
dergleichen erdreistete. Dann stemmte sie die Fäuste in die Hüften
und wuchs zusehends, ihre Stimme grollte wie Donner, und ihre Hände
schlugen zu wie der Blitz. Wir müssen nicht eigens betonen, dass
sie unseren Reisenden mit ihrem Schönwettergesicht begrüßte.
»Madame«, sagte dieser mit der gleichen
Ehrerbietung und Höflichkeit, als hätte er es mit einer der feinen
Damen des Faubourg Saint-Germain zu tun, »wurden Ihnen vor drei
Tagen zwei Koffer und eine Holztruhe für einen Citoyen René,
Matrose, überbracht, sowie ein Brief mit der Bitte, ein Zimmer für
ihn freizuhalten?«
»Oh, gewiss, gewiss doch, Citoyen«, erwiderte
Madame Leroux, »das Zimmer ist bereit, und wenn Sie mir folgen
wollen, wird es mir ein Vergnügen sein, Sie hinzuführen.«
Ein Nicken war Renés Antwort, und er folgte Madame
Leroux die Wendeltreppe hinauf bis zu dem Zimmer mit der Nummer
elf; mitten auf dem Zimmerboden standen seine zwei Koffer und seine
Holztruhe, und vor dem Fenster hatte die umsichtige Wirtin einen
Tisch mit Papier und Tinte aufstellen lassen, denn jemand, der zwei
so elegante Koffer und eine so stabile Truhe besaß, hatte
sicherlich Briefe zu schreiben.
»Wird der Citoyen unten speisen, oder will er sich
das Essen auf sein Zimmer bringen lassen?«, fragte Madame
Leroux.
René entsann sich der Empfehlung des Seemanns, den
er nach dem Weg gefragt hatte; er suchte unauffällig in seiner
Tasche, holte eine Handvoll Louisdor hervor und legte sie auf den
Tisch.
»Ich wünsche, auf meinem Zimmer zu speisen«, sagte
er, »und gut zu speisen.«
»Das werden Sie, Monsieur, seien Sie unbesorgt«,
sagte Madame Leroux mit ihrem reizendsten Lächeln.
»Wohlan, meine liebe Madame Leroux, lassen Sie mir
ein gutes Feuer machen, denn ich bin bis auf die Knochen
durchnässt, und ein gutes Abendessen mit zwei Gedecken für fünf
Uhr; ein wackerer Seemann wird nach mir – René – fragen, und Sie
werden ihn zu meinem Zimmer weisen. Vergessen Sie nicht guten
Wein.«
Fünf Minuten später brannte ein prächtiges Feuer in
Nummer elf.
Sobald René allein war, zog er seine nasse Kleidung
aus und holte aus seinem Seesack ein zweites Gewand, das den
Kleidern auf dem Boden völlig gleich war; dann kleidete er sich
sorgfältig an, auch wenn seine Sorgfalt nur einfachster
Seemannskleidung galt.
Wenige Augenblicke später hatte sich das
Sommergewitter verzogen, das Straßenpflaster begann zu trocknen,
der Himmel erstrahlte erneut in ungetrübtem Blau; die Natur
lächelte wieder, abgesehen von vereinzelten Tränen, die von den
Dachrinnen tropften, und zeigte sich bereit, ihre Kinder zu
liebkosen, wie sie es vor ihrem Zornesausbruch getan hatte. Mit
einem Mal war lautes Geschrei zu vernehmen. Im einen Augenblick
klang es wie Wehgeschrei, im nächsten wie übermäßiges
Freudengelächter. René öffnete das Fenster und erblickte eine
Szene, wie er sie sich in seinen verstiegensten Träumen nicht hätte
ausmalen können. Ein Matrose, dem als Anteil an der Prise
zweitausend Piaster zugefallen waren, hatte die Hälfte
des Geldes innerhalb von acht Tagen auf den Kopf gehauen, und in
seiner Ratlosigkeit, was er mit dem Rest anfangen sollte, war er
auf die Idee verfallen, die Münzen in einer Pfanne glühend zu
machen und sie unter die Gaffer zu werfen, die sich vor der Tür
angesammelt hatten; die Zuschauer hatten sich auf die Piaster
gestürzt, doch die Ersten, die das Geld berührten, hatten sich die
Fingerspitzen versengt, daher das Wehgeschrei; andere hatten
gewartet und erst zugegriffen, als die Münzen abgekühlt waren, und
daher die Jubelrufe.
René erkannte mitten unter den Zuschauern den
Seemann, dem er früher am Tag begegnet war; bis zum Abendessen
blieb noch eine Stunde Zeit. René hatte zuerst vorgehabt, Surcouf
nach am selben Tag seine Aufwartung zu machen, doch er hatte den
Besuch auf den nächsten Tag verschoben, um nicht in Zeitnot zu
geraten; zudem kam es ihm nicht ungelegen, von einem Seemann, einem
gewöhnlichen Matrosen, Auskünfte über den außergewöhnlichen Mann zu
erhalten, den er aufsuchen wollte. Deshalb winkte er seinem Gast,
um ihm zu bedeuten, er solle hereinkommen, was dieser sogleich tat;
doch da er sich im Erdgeschoss der Herberge durch die eng gedrängte
Menschenmenge kämpfen musste, hatte René Zeit, die Klingelschnur zu
ziehen und Zigarren, etwas Kautabak und ein Fläschchen Branntwein
bringen zu lassen.
Kaum waren diese Dinge auf den Tisch gestellt
worden, trat der Seemann ein.
René trat zu ihm, reichte ihm die Hand und bot ihm
einen Stuhl neben dem Tisch an.
Der Seemann aber sah sich erstaunt in dem Zimmer
um; offenbar fand er es etwas sehr elegant für einen einfachen
Matrosen, und der Branntwein, die Zigarren und der Kautabak
bestärkten ihn in seinem Eindruck, dass der Neuankömmling offenbar
ebenfalls einen Prisenanteil zu verprassen habe.
»Ha, ha, Matrose!«, sagte er. »Der Fischzug scheint
reiche Ernte gebracht zu haben! Zwei Gewänder, was für ein Luxus!
Seit zehn Jahren fahre ich zur See, und seit zehn Jahren trocknet
mir das Gewand am Leib, wenn es nass wurde, denn ich hatte nie
genug Geld, um mir ein zweites zu kaufen.«
»Sie täuschen sich, Kamerad«, erwiderte René. »Ich
komme von zu Hause, ich bin der einzige Sohn wohlhabender Eltern,
und die Fahrt, für die ich anheuern will, wird meine erste sein.
Aber ich bin lernwillig, ich fürchte mich nicht vor Gefahren, und
ich bin willens, mein Leben zu
verlieren oder meinen Weg zu machen. Ich habe erfahren, dass
mehrere Schiffe ausgerüstet werden, um auszulaufen: die
Leth, die Saint-Aaron und die Revenant. Auf
der Leth führt Niquet das Kommando, auf der
Saint-Aaron Angenard und auf der Revenant Surcouf.
Für welches dieser Schiffe würdest du dich entscheiden?«
»Ha! Du bist mir ein Spaßvogel! Ich habe mich schon
entschieden.«
»So, du schiffst dich wieder ein?«
»Gestern habe ich angeheuert.«
»Und auf welchem der drei Schiffe?«
»Na, auf der Revenant.«
»Ist sie der beste Segler unter den dreien?«
»Tja, das kann man noch nicht wissen, weil sie neu
ist. Unter Surcouf wird ihr nichts anderes übrigbleiben als
verdammt gut zu segeln oder verdammt gute Gründe zu haben, warum
sie es nicht tut. Surcouf würde sogar einem Transportkahn Beine
machen.«
»Du hast also Vertrauen zu Surcouf?«
»Na, ich habe ihn ja schließlich erlebt, ich fahre
nicht zum ersten Mal unter ihm. Mit der Confiance haben wir
den Engländern ganz schön heimgeleuchtet. Ha, dem haben wir es
gezeigt, dem armen John Bull!«
»Kannst du mir nicht ein paar eurer Streiche
erzählen, Kamerad?«
»Ha, du musst nur sagen, welche.«
»Nur zu, ich lausche dir.«
»Warten Sie, ich nehme mir erst einen neuen Priem«,
sagte der alte Seemann, und er widmete sich dieser Handlung mit
aller gebotenen Aufmerksamkeit, schenkte sich daraufhin ein
Gläschen Branntwein ein, das er auf einen Zug leerte, hustete
zweimal feierlich und begann zu erzählen:
»Wir kreuzten also in den Gewässern der Insel
Ceylon; unsere Kampagne hatte unter schlechten Vorzeichen begonnen:
Als wir uns vor der Antilleninsel Saint-Anne segelfertig machten,
kenterte eine Pirogge, und drei Männer wurden von Haien zerrissen;
in diesen Gewässern bleibt niemand lange im Wasser, man wird sofort
gefressen.
Wir befanden uns östlich von Ceylon und kreuzten
von der malaiischen Küste zur Küste von Koromandel über den Golf
von Bengalen; dort hatten wir so ungeahntes Glück, dass wir es kaum
fassen konnten; in nicht einmal einem Monat kaperten wir sechs
prachtvolle Schiffe, jedes einzelne reich beladen und bedeutend,
die miteinander an die fünfhundert Tonnen ausmachten.
Nachdem wir unsere Prisen verschifft hatten,
bestand unsere Mannschaft aus einhundertdreißig verschworenen
Kameraden. Mit einem Schiff wie der Confiance und einem
Kapitän wie Surcouf durften wir hoffen, noch weitere glänzende
Fänge zu tun.
Hin und wieder begegneten wir englischen Kreuzern
mit Oberwerk, und vor denen mussten wir die Flucht ergreifen, was
unsere Eitelkeit kränkte, aber die Confiance war so schnell,
dass wir trotz allem stolz darauf waren, wie flugs wir den
Engländern entkamen. So steuerten wir seit ungefähr einer Woche von
Küste zu Küste, ohne auf Beute zu stoßen, als eines Morgens der Ruf
erscholl: ›Schiff in Sicht!‹
›Und wo?‹, rief Surcouf, der den Ruf in seiner
Kabine gehört hatte und an Deck eilte.
›Ein dickes, fettes Schiff?‹
›Fett genug, dass die Confiance es nicht auf
einmal verschlingen kann.‹
›Umso besser! Welchen Kurs hält es?‹
›Schwierig zu entscheiden, es hat alle Segel
gesetzt.‹<
Sofort richteten sich alle Fernrohe und alle Augen
auf die angegebene Stelle, und wahrhaftig sah man eine hohe,
unbewegliche Pyramide, deren Weiße durch den dichten Nebel
leuchtete, denn in jenen Gewässern kriecht der Nebel nachts von den
Bergen herunter und bedeckt noch am Morgen alles, was sich in
Ufernähe befindet.
›Das kann genauso gut ein Schiff mit Oberwerk sein
wie ein Handelsschiff der französischen Ostindienkompanie. Wenn es
ein Kriegsschiff ist – pah, dann werden wir uns eben amüsieren,
aber wenn es ein Handelsschiff ist, dann werden wir es
kapern.‹<
Keine zwei Seemeilen trennten uns von unserem Ziel,
und obwohl es unter den gegebenen Umständen einigermaßen schwierig
war, abzuschätzen, um welche Art Schiff es sich tatsächlich
handelte, begannen wir mit der Beobachtung -«
Doch in diesem Augenblick wurde geklopft, und man
teilte ihnen mit, dass der Tisch gedeckt sei und das Essen sie
erwarte. So groß das Vergnügen der beiden neuen Gefährten am
Erzählen und Zuhören sein mochte, stärker war die Zauberwirkung
dieser Worte, denn beide erhoben sich unverzüglich und vertagten
die Fortsetzung des Berichts auf einen späteren Zeitpunkt.