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Saint-Malo
An einer der zahlreichen Buchten, die Frankreichs
Küsten zwischen Calais und Brest, zwischen Normandie und Bretagne,
zwischen dem Kap von La Hague und dem Kap Tréguir aufweisen, und
gegenüber den alten französischen Inseln Jersey, Guernesey und
Aurigny erhebt sich die kleine Stadt Saint-Malo wie das Nest eines
Meeresvogels auf einem Felsen.
In den rauen und umwölkten alten Zeiten, als die
Bretagne Armorique hieß, trennten diesen Felsen, den der Fluss
Rance umspülte, Wälder und Wiesen von dem Meer, zu denen die
Inseln, die Saint-Malo umschlossen, und jene, die wir weiter oben
nannten, zweifellos gehörten, doch das Erdbeben, das sich im Jahr
709 vor Christus ereignete, verschlang einen Teil des Kaps, das
sich ebenso weit ins Meer erstreckte wie das Kap von La Hague und
das Kap Tréguir.
Die Vorstöße der normannischen Seeräuber kosteten
Karl den Großen noch auf seinem Totenbett Tränen und nötigten die
Bewohner der Umgegend, auf dem Felsen von Saint-Malo Schutz zu
suchen. Zwischen 1143 und 1152 verlegte Jean de Châtillon den
Bischofssitz dorthin, nachdem er die Mönche von Marmoutier der
Insel und ihrer Dependenzien enteignet hatte.
Von diesem Zeitraum an datiert das neue Leben: Die
Tochter des ungebändigten Ozeans entwickelte sich rasch unter dem
Schutz der wackeren Seeleute und unter der herrschaftlichen
Gerichtsbarkeit des Bischofs und des Kapitels.
Diese Einteilung, die dem Gemeinwesen und den
Rechten des Volkes Rechnung trug, führte zu einem
Bevölkerungswachstum durch Asylsuchende, dem riskanten Aufschwung
junger Städte; die Marine gedieh dank der Zollfreiheit des Hafens,
der Handel dank Abgabenfreiheit und Privilegien, die Herzöge und
Könige der Stadt gewährten, und Wohlergehen und Wohlstand wuchsen
durch die Prisen in Kriegszeiten und in Friedenszeiten durch steten
Handel und gewinnbringende Transaktionen.
Die Stadt bildete gewissermaßen eine unabhängige Republik im
Herzen der bretonischen Nation. Die Unantastbarkeit des Asyls
rettete dem jungen Grafen Richmond aus dem Hause Lancaster das
Leben, dem späteren Henry VII. Von Edward IV., dem ersten Herrscher
aus dem Hause York, erbarmungslos verfolgt, flüchtete er sich 1475
in die Kathedrale von Saint-Malo.
Eine Merkwürdigkeit besteht darin, dass des Nachts
bei Ebbe die Schiffe von einer Meute aus vierundzwanzig Doggen
bewacht wurden, die aus England stammten. Diese Sitte führten
Kapitel und Gemeinde im Jahr 1145 ein, und bis 1770 versah die
Meute regelmäßig ihren Dienst. In diesem Jahr war ein junger
Offizier so tollkühn, sich mit den vierfüßigen Wächtern anzulegen,
als er an Bord zu gehen versuchte, nachdem die Tore bereits
geschlossen waren. Die Hunde rissen ihn in Stücke, woraufhin der
Stadtrat befahl, sie zu vergiften.
Die Bollwerke von Saint-Malo hatten nicht einmal
die Hunde je bewachen dürfen.
Lang und ruhmreich wäre die Geschichte all der
Boote, die in Saint-Malo vom Stapel gelassen wurden und die Wogen
durchpflügten, um ihre eisernen Klauen in englische, portugiesische
und spanische Schiffe zu schlagen. Keine zweite Nation verzeichnet
in ihren Annalen so viele siegreich bestandene Kämpfe wie dieses
kleine Volk, dessen Stadtmauern man binnen einer Stunde umrunden
kann.
Schon 1234 prägten die Einwohner Saint-Malos, die
Malouins, dem Meer ihren Stempel auf. Und als Matthew Paris sie wie
im Sturzflug über die englischen Schiffe herfallen sah, nannte er
sie die leichten Truppen des Meeres.
Ludwig der Heilige hört von dem Ruhm der
waghalsigen Seefahrer; er vereint sie mit denen aus Picardie und
Normandie und schickt sie der englischen Flotte entgegen. Die
englische Flotte wird geschlagen, und ihre Schiffe müssen sich in
den Hafen zurückziehen, aus dem sie ausgelaufen waren.
Am 1. April 1270 trat Ludwig der Heilige,
angetrieben von dem heiligen Wahn, dessen Heilung er in El-Mansura
zu finden hoffte, die siebte, letzte Kreuzfahrt an. Die Schiffe der
Seeleute aus Saint-Malo folgten seinem Aufruf und umfuhren Spanien,
um sich wie verlangt vor Aigues-Mortes einzufinden.
Das Glück blieb den Schiffen von Saint-Malo treu
bis zu dem Seegefecht auf dem Swin im Jahr 1340, in dessen Verlauf
sie gegen Engländer
und Flamen unterlagen. Sie verständigten sich mit ihren früheren
Gegnern und schlossen sich Jean de Montfort an, den diese
unterstützten; als er jedoch aus seinen Ländern verjagt wurde und
nach England floh, unterwarf Saint-Malo sich Karl V. Daraufhin
wollte der Herzog von Lancaster die Stadt einnehmen; dies hoffte er
mittels einer neuen Erfindung, der Artillerie, zu bewerkstelligen,
doch die Einwohner entfachten künstlichen Nebel, töteten die
Minierer in ihren Unterständen und steckten einen Teil des
feindlichen Lagers in Brand. Froissart behauptet, das Scheitern
dieses Angriffs habe Lancaster und sein ganzes Heer mit Schande
überhäuft.
Herzog Jean, der mittlerweile sein Herzogtum
zurückerhalten hatte, wollte ebenfalls Saint-Malo einnehmen; er
belagerte die Stadt und ließ keine Lebensmittel hineingelangen, und
er unterbrach die Wasserzufuhr des Aquädukts oberhalb des Hafens.
Nach seinem Sieg nahm er den Bewohnern der Stadt alle Privilegien,
die sein Vater ihnen gewährt hatte.
Doch so leicht gaben die Malouins sich nicht
geschlagen. Wie sie sich einst Karl V. unterworfen hatten,
unterwarfen sie sich nun Karl VI. und nutzten dessen Huld, um eine
Flotte auszurüsten, mit der sie die Küsten Englands
heimsuchten.
Am 25. Oktober 1415 schlug die schwere Stunde der
Schlacht von Azincourt, die beinahe Frankreichs Verderben
besiegelte. Der Herzog der Bretagne gewann Saint-Malo, dessen
Bewohner ihn mit hermelinbesetzten Bannern und in weißen Gewändern
begrüßten.
Daraufhin dehnte das siegreiche England seine
Herrschaft über ganz Frankreich aus, und die englische Fahne
flatterte auf Notre-Dame und auf allen französischen Festungen. Nur
auf dem Gipfel des Mont-Saint-Michel protestierten die drei Lilien
des französischen Banners gegen unsere Niederlage. Eine Flotte
blockierte die wehrhafte Zitadelle. Kardinalbischof Guillaume de
Montfort rüstete die englische Flotte mit Waffen aus. Und obwohl an
Größe und Zahl unterlegen, kämpften die Schiffe der Seeleute von
Saint-Malo Schiff für Schiff gegen die der Engländer. Der Kampf
wurde erbittert und erbarmungslos geführt; die englischen Schiffe
wurden geentert, ihre Mannschaften erschlagen, die Niederlage war
vernichtend. Als das geschlagene Frankreich den Siegesruf
Saint-Malos vernahm, hob es erstaunt den Kopf und begann wieder
Hoffnung zu schöpfen, hatte es doch an dieser Stelle seines Landes
alles verloren gewähnt; und der Garnison von Mont-Saint-Michel kam
Saint-Malo mit Männern und Lebensmitteln zu Hilfe.
Karl VII. wurde durch die Meldung dieses Sieges für
einen Augenblick
aus seiner Liebesträgheit wachgerüttelt, und am 6. August 1425
erließ er ein Edikt, das die Schiffe Saint-Malos für drei Jahre von
allen alten wie neuen Abgaben in allen der Krone unterstehenden
Ländern befreite.
Dieser Freibrief wurde von Franz I. der Bretagne
verdoppelt, denn er verbot seinem Generalpächter, Hafengebühren zu
erheben; dieser durfte nun nicht mehr verlangen und nehmen als das,
was die Herzöge für den Unterhalt des Kapitäns und für die
Befestigung der Stadt festgesetzt hatten.
Im Jahr 1466 nahm sich Ludwig XI. die Freibriefe
und Abgabenfreiheiten Saint-Malos zum Vorbild und wendete sie auf
Paris an, um die Bevölkerung der Stadt zu vermehren, die durch die
langen Kriege gegen die »Ligue du Bien public« stark dezimiert
war.
1492, fast gleichzeitig mit der Eroberung Amerikas
durch Christoph Kolumbus, entdeckten die Bewohner Saint-Malos
zusammen mit denen der Städte Dieppe und den Biskayern Neufundland
und verschiedene Stellen des Südens von Kanada. Die Basken nennen
das Land bacalaos, und daher rührt der Name baccalat,
der in Italien, Spanien, Portugal und ganz Südfrankreich den
Stockfisch bezeichnet.
1505 hatte Anne von Frankreich, die Tochter Franz
II., die als Siebenjährige mit ebenjenem Prinzen von Wales verlobt
wurde, der seinen Onkel Gloucester erwürgen ließ, und die zwei
Könige Frankreichs nacheinander ehelichen sollte – Karl VIII. und
Ludwig XII. -, einen kurzen Auftritt in Saint-Malo. Sie ließ das
begonnene Schloss weiterbauen, ohne sich um den Widerstand des
Kapitels zu scheren; und um zu zeigen, was sie von diesem
Widerstand hielt, ließ sie in die Steine eines Turms dieser Festung
mit Blick auf die Stadt folgende Herausforderung einmeißeln:
»Scheltet nur! Mein Wille geschieht, weil es mir so gefällt.«
Im selben Jahr, in dem den Bewohnern Saint-Malos
ein Rathaus zugestanden wurde, anders gesagt die Freiheit, sich
selbst zu regieren, kam Jacques Cartier zur Welt, der künftige
Kolumbus Kanadas. Er brachte als Erster den kostbaren Kabeljau nach
Saint-Malo, der einen ganzen Handel begründete und einem Drittel
Europas Reichtum bescherte.
Von da an findet man Seeleute aus Saint-Malo auf
jeder Expedition: Sie folgen Kaiser Karl V. nach Afrika, als er dem
König von Tunis seinen Thron zurückgeben will, und sie bewaffnen
sich, um den Portugiesen nach Indien zu folgen.
Ein Malouin, Archidiakonus Ébrard, war so kühn,
Henry VIII. den Brief zu überbringen, in dem Paul III. die
Exkommunikation aussprach, die er über ihn verhängt hatte.
Ein neuer Krieg zwischen Frankreich und England
brach 1512 aus und wurde erbittert geführt. Unter Monsieur de
Bouillé kämpften die Einwohner Saint-Malos gegen die Engländer auf
der Insel Cézembre, machten sie nieder, und die Überlebenden
mussten auf ihren Schiffen fliehen.
Franz I. kommt an die Regierung, und mit ihm wird
es zum Krieg gegen Spanien kommen; an wen wendet er sich wohl, um
die Flotte des Admirals Annebaut zu verstärken? An die Seeleute
Saint-Malos, deren Kriegsschiffe er mietet. Verschiedene Kapitäne
wollen sich dem Admiral nicht anschließen, doch nur, weil sie bis
an das Ende der damaligen Welt auf eigene Rechnung gegen Spanien
kämpfen wollen. So kam es, dass ein Teil der Flotte Kaiser Karls V.
auf der Rückfahrt von Amerika durch bretonische Schiffe und Schiffe
aus Saint-Malo aufgebracht wurde, die sich bis in den Golf von
Mexiko vorgewagt hatten.
Heinrich II. folgt seinem Vater auf den Thron und
entzweit sich mit Edward VI. Er greift zur Feder und schreibt den
Einwohnern Saint-Malos, sie möchten sich so schnell wie möglich mit
Schiffen ausrüsten, in See stechen, die Engländer überfallen und
ihnen alles nur Erdenkliche antun, wobei er verspricht, dass sie
weder von den Prisen etwas abzugeben noch sonstige Abgaben oder
Steuern zu gewärtigen hätten.
Der Portugiese Cabral hatte eine neue Handelsroute
über den Atlantik eröffnet, den Weg nach Brasilien, und schon bald
befuhren die Schiffe der Malouins diese Route.
Auch auf Neufundland machten sie weiterhin gute
Geschäfte. Im Jahr 1560 erhielten sie einen Brief Franz’ II., der
seinem Vater auf den Thron gefolgt war. In diesem Schreiben
untersagte er ihnen, Schiffe zum Fischfang auszusenden, weil man
befürchtete, die Kalvinisten könnten auf diesem Weg fliehen;
stattdessen wurden sie beauftragt, mit ihren Schiffen an den Küsten
zu patrouillieren, um den Kalvinisten den Weg zu versperren, die
nach Bekanntwerden des Todesurteils gegen den Prinzen von Condé aus
dem Anjou in die Bretagne strömten, um nach England zu
fliehen.
Während die katholischen Bewohner Saint-Malos vor
der bretonischen Küste kreuzten, um die Hugenotten daran zu
hindern, nach England überzusetzen, beteiligten sich die
kalvinistischen Bewohner Saint-Malos an der Expedition, die Admiral
Coligny unter der Leitung Kapitän Ribauts nach Florida
entsandte.
Die Schlacht von Jarnac, die der Herzog von Anjou
gewinnt, verschafft Frankreich kurzzeitig Frieden. Karl IX. nutzt
diese Ruhepause und besucht die Bretagne. Guillaume de Ruze,
Bischof von Saint-Malo, begleitet
ihn; es ist das einzige Mal, dass der würdige Prälat den Fuß in
seine Bischofsstadt setzt; die Einwohner begrüßen Karl IX. in
Festtagskleidung, mit Büchsen bewaffnet und mit einem Spalier aus
vierhundert Kindern. Am nächsten Tag, dem Fronleichnamsfest, begibt
sich der König in die Kathedrale und nimmt an der Prozession teil.
Ab Mittag wird zur Unterhaltung Seiner Majestät ein Seegefecht
aufgeführt, woraufhin dieser sich mit all seinen Geschenken über
Cancale und Dol auf den Heimweg macht.
Doch das ist noch nicht alles. Im Jahr darauf
erfährt Saint-Malo, dass Seine christliche Majestät pekuniär
gewaltig in der Klemme steckt. Man lässt sich den Betrag der
königlichen Schulden nennen und begleicht sie. Das sind Untertanen,
wie es sie heute nicht mehr gibt!
Das Massaker der Bartholomäusnacht nimmt seinen
Lauf, doch die Malouins weigern sich, daran teilzunehmen, und in
ihrer Stadt wird keinem Hugenotten ein Haar gekrümmt. Als sie aber
im Folgejahr Belle-Isle den Engländern und den französischen
Hugenotten entreißen wollen, bewaffnen sie sich, rüsten ihre
Schiffe auf eigene Kosten aus und verjagen Montgomery um den Preis
von sechzig Toten in den eigenen Reihen.
Die Einwohner Saint-Malos wurden zu Ligisten mit
der Inbrunst, mit der sie alles taten. Und als sie erfuhren, dass
Heinrich III. ermordet worden war und der König Frankreichs
Heinrich IV. hieß, nahm die Stadt diese zwei Ereignisse mit
finsterem Schweigen auf. Nur Monsieur de Fontaine, der Gouverneur
der Festung, war bereit, sich einem ketzerischen König zu
unterwerfen. Daraufhin bewaffneten sich die Bewohner der Stadt,
verbarrikadierten die Stadttore und gelobten, sich erst zu ergeben,
wenn Gott Frankreich einen katholischen König geschenkt haben
würde.
Doch sobald Heinrich IV., der erfahren hatte, dass
er mangels Geld nicht in die Bretagne kommen und den Herzog von
Mercœur bezwingen konnte, von einer Belagerung absah, gelobten die
Malouins, den König mit so vielen Kanonen, Pulverfässern,
Kanonenkugeln und mit so viel Geld zu unterstützen, wie er
verlangen mochte, und sie beteiligten sich mit zwölftausend Talern
an den Kosten seines Unternehmens.
Das waren die Männer, die kurz zuvor den Gouverneur
der Festung ermordet hatten, weil er gewagt hatte zu sagen, wenn
Heinrich IV. die Stadt betreten wolle, werde er ihn im Schloss
willkommen heißen, und er werde es schon verstehen, ihm die Tore
öffnen zu lassen, was sie als Affront gegen ihre Interessen
aufzufassen beliebt hatten.
Doch wie gesagt, kaum hatte Heinrich IV. seine
Pläne aufgegeben, wurden
sie zu seinen ergebensten Anhängern und entfesselten einen
Vernichtungskrieg gegen die Stützpunkte der Ligisten, die sie bis
dahin versorgt hatten.
Und Heinrich schrieb ihnen, dass sie die
legitimste, ehrlichste und loyalste Schiffahrt betrieben, die man
sich nur wünschen könne, und bat Elisabeth I. um Einschreiten gegen
die englischen Piraten.
Denn Korsaren darf man nicht mit Piraten
verwechseln.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war Saint-Malo
bereits eine nicht unbedeutende Seemacht.
1601 hatten zwei seiner Schiffe, Le
Croissant und Le Corbin, das Kap der Guten Hoffnung
umfahren und waren nach Indien gelangt. 1603 stachen drei weitere
Schiffe in See, »um Kanada und anliegende Länder zu entdecken und
dort Handel zu treiben«. 1607 bemannte der Graf von Choisy, Neffe
des Herzogs von Montmorency, beauftragt, eine Expedition einer
Flotte aus fünf Schiffen zu leiten, diese Schiffe – L’Archange,
Choisy, L’Affection, L’Esprit und L’Ange –
in Saint-Malo und rüstete sie dort aus, weil er die Malouins für
die besten Seeleute weit und breit hielt.
Kaum hatte die Ermordung Heinrichs IV. den Thron
für Ludwig XIII. freigemacht, hatte dieser nichts Eiligeres zu tun,
als den Bewohnern Saint-Malos alle Privilegien zu bestätigen, die
sein Vater ihnen verliehen hatte, und zwei seiner Kriegssschiffe
bewaffnen zu lassen, damit diese die Fischereiflotte Saint-Malos
bei ihrem Fischfang vor Neufundland beschützten.
Auch Richelieu wendete sich an die treuen
Untertanen Saint-Malos, als er beschloss, La Rochelle zu belagern,
das die Hugenotten mit Nahrungsmitteln und Geld unterstützte, und
dafür benötigte er eine Marine, die es mit der Buckinghams
aufnehmen konnte. Er verfügte über nur vierunddreißig Walfänger;
Saint-Malo brachte zweiundzwanzig mit. Eine Bevölkerung von
achttausend Bewohnern, eine Kleinstadt, ein kleiner Hafen, hatten
ganz allein fast ebenso viel ausgerichtet wie das übrige
Frankreich. Der Hafen Saint-Malo wurde zum Admiralssitz erhoben;
was die Kosten der Stadt betraf, das vergossene Blut zum Beispiel,
erließ man sie dem König gnädig.
Richelieu stirbt. Mazarin ist sein
Nachfolger.
1649 lässt die Regierung mit Schiffen, die von
Saint-Malo nach Kanada fahren, zahlreiche Straßenmädchen in die
neue Kolonie deportieren, um diese zu besiedeln; jede von ihnen
fand bei der Ankunft einen Ehemann, und keine zwei Wochen später
waren sie alle verheiratet, und alle hatten ihrem Mann als Mitgift
einen Ochsen, eine Kuh, einen Eber, eine
Sau, einen Hahn, ein Huhn, zwei Fass Pökelfleisch, einige Waffen
und zwölf Taler mitgebracht.
Die Tapferkeit der Männer von Saint-Malo war so
sprichwörtlich, dass die Mannschaft des Flaggschiffs in der Regel
aus ihnen rekrutiert wurde, und dieser Regel verlieh Ludwig XIV.
Gesetzeskraft.
Damals bestand die Marine Saint-Malos aus
einhundertfünfzig Schiffen, davon sechzig unter hundert Tonnen und
neunzig von hundert bis vierhundert Tonnen.
Und nun kommen die großen Seefahrer ins Spiel. Von
1672 bis 1700 sehen wir in den Annalen Saint-Malos einst so
berühmte und heute so vergessene Namen wie Dufresne des Saudrais,
Le Fer de La Bellière, Gouin de Beauchesne – der Name des ersten
Mannes aus Saint-Malo, der Kap Hoorn umschiffte -, Alain Porée,
Legoux, Herr von la Fontaine, Louis-Paul Danycan, Herr von la Cité,
Joseph Canycan, Athanaze Le Jolif, Pépin de Bellisle, François
Fossart, la Villauglamatz, Thomas des Minimes, Étienne Piednoir,
Joseph Grave, Jacques Porcher, Josselin Gardin, Nouail des Antons,
Nicolas de Giraldin, Nicolas Arson und Duguay-Trouin. Viele dieser
Sterne sind erloschen, verblichen, doch der Name Duguay-Trouin
strahlt weiterhin so hell wie Jupiter.
Während des für Frankreich so verhängnisvollen
Unabhängigkeitskrieges machte Saint-Malo im Jahr 1704 einundachtzig
Prisen, deren Verkauf zwei Millionen und
vierhundertzweiundzwanzigtausendsechshundertfünfzig Francs und zwei
Centimes erbrachte. Saint-Malo eröffnet den Handel mit Mocha,
begründet die Kontore in Surate, Calicut und Pondicherry, erobert
Rio de Janeiro, nimmt die Insel Mauritius in Besitz, die in Île de
France umbenannt wird, erweitert seine eigene Stadt, umgibt sie mit
Befestigungen und bringt nach Duguay-Trouins Tod seinen würdigen
Nachfolger hervor, Mahé de la Bourdonnais, der die Île de France
und die Île de Bourbon regierte und die Schlappen wettmachte, die
wir in Asien erlitten hatten.
Während der schrecklichen Kriege unter der
Herrschaft Ludwigs XV., die durch den schändlichen Friedensschluss
von 1763 beendet wurden, erlitt Saint-Malos Handel schmerzliche
Einbußen. Trotz der Hoffnungen, die man an die Herrschaft Ludwigs
XVI. knüpfte, ging es mit dem Wohlstand nicht bergauf, und die
stürmischen Revolutionsjahre 1794 und 1795 machten ihm vollends den
Garaus; schon gegen Ende 1793 besaß Saint-Malo kaum mehr als zwei,
drei Küstenfahrer und kein einziges Kaperschiff.
1790 hatte sich Saint-Servan, bis dahin ein Vorort
Saint-Malos, von der Stadt losgesagt und ihr die Hälfte ihrer
Bevölkerung genommen.
Als jedoch im Juni 1793 Prokonsul Le Carpentier
nach Paris zurückbeordert wurde und Saint-Malo aufatmen konnte,
ließ man fünf kleine Kaperschiffe zu Wasser, und zwischen 1796 und
1797 war ihre Zahl auf dreißig angewachsen, auch wenn manche nur
mit Musketen und Gewehren bewaffnet waren. Im Jahr darauf rüstete
Saint-Malo achtundzwanzig neue Kaperschiffe aus. Diese Zahl von
Kriegsschiffen wurde bis zum Frieden von England im Jahr 1801
beibehalten.
Dieser Frieden aber war nicht von Dauer; schon 1803
waren die Feindseligkeiten mit einer Verbissenheit
wiederaufgenommen worden, die verriet, welch alter Hass zwischen
den zwei Völkern schwelte.
Die Helden dieser Zeit waren Le Même, Lejolif,
Tréhouart und Surcouf, und der letztgenannte Name führt uns zu
unserem Sujet zurück.