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Der Sohn des Müllers von der Guerche
Bonaparte benötigte Roland in Paris, damit er ihm
half, den 18. Brumaire zu inszenieren. Nach diesem erfolgreichen
Coup kam ihm wieder in Erinnerung, was er mit eigenen Augen und
Ohren an der Wirtstafel in Avignon erlebt hatte. Er beschloss, die
Compagnons de Jéhu unerbittlich zu verfolgen, und bei der ersten
Gelegenheit schickte er ihnen Roland mit unbeschränkten Vollmachten
auf den Hals.
Im weiteren Verlauf dieses Buches werden wir sehen,
was es mit dieser Gelegenheit auf sich hatte, ermöglicht durch eine
Frau, die sich rächen wollte, nach welch fürchterlichem Kampf die
vier Anführer der Vereinigung Roland in die Hände fielen, und wie
sie ihr Ende fanden, ohne das Ansehen zu entehren, das sie sich
geschaffen hatten.
Roland kehrte im Triumph nach Paris zurück. Nun
ging es darum, Cadoudal nicht etwa gefangen zu nehmen, denn man
wusste, dass dies unmöglich war, sondern zu versuchen, ihn für die
Sache der Republik zu gewinnen.
Wieder wurde Roland von Bonaparte mit diesem
Auftrag betraut.
Roland machte sich auf den Weg, holte in Nantes
Erkundungen ein, schlug den Weg nach La Roche-Bernard ein, und
nachdem er dort abermals Erkundungen eingezogen hatte, machte er
sich in Richtung des Dorfs Muzillac auf.
In der Tat befand sich dort Cadoudal.
Betreten wir mit Roland das Dorf, nähern wir uns
der vierten Hütte zur Rechten, heften wir unser Auge auf einen
Schlitz des Fensterladens, und sehen wir uns um.
Vor uns haben wir einen Mann im Gewand der
wohlhabenden Bauern des Morbihan. Kragen, Knopflöcher und Hutkrempe
säumt lediglich eine fingerbreite Goldborte. Der Rock ist aus
grauem Tuch gefertigt, mit grünem Kragen. Vervollständigt wird die
Kleidung des Mannes durch eine bretonische Hose und lederne
Gamaschen, die bis zum Knie reichen.
Auf einem Stuhl liegt sein Säbel, auf dem Tisch und
in Reichweite ein Paar Pistolen. In den Läufen einiger Karabiner
spiegelt sich ein lebhaftes Kaminfeuer.
Cadoudal sitzt an dem Tisch, auf dem seine Pistolen
liegen; der Schein einer Lampe beleuchtet sein Gesicht und die
Papiere, die er aufmerksam liest. Sein Gesicht ist das eines
Dreißigjährigen: eine offene und fröhliche Miene, eingerahmt von
blonden Kräusellocken, beseelt von großen blauen Augen; ein Lächeln
würde zwei Reihen weißer Zähne enthüllen, die Zange oder Bürste des
Zahnarztes noch nie berührt haben.
Wie Du Guesclin, dessen Landsmann er ist, hat er
einen großen runden Kopf, und deshalb ist er als General Rundkopf
ebenso bekannt wie als Georges Cadoudal.
Sein Vater war Landwirt in dem Kirchspiel Kerléano,
und Georges hatte am Gymnasium von Vannes eine ausgezeichnete
Schulbildung erhalten, als in der Vendée die ersten royalistischen
Aufstände aufflackerten. Cadoudal erfuhr davon, sammelte seine
Jagd- und Zechkumpane, überquerte an ihrer Spitze die Loire und bot
Stofflet seine Dienste an.
Als ehemaliger Jagdaufseher Monsieur de Mauleviers
hatte Stofflet seine Vorbehalte gegenüber dem Adel und noch mehr
gegenüber dem Bürgertum; bevor er sich mit Cadoudal verbündete,
wollte er wissen, worauf er sich einließ, und Cadoudal war
begierig, sich im Kampf zu beweisen.
Schon am nächsten Tag kam es zu einem Gefecht. Als
Stofflet sah, wie die Weißen vorpreschten, ohne sich um Bajonette
und Kugelhagel zu scheren, sagte er unwillkürlich zu Monsieur de
Bonchamps, der sich neben ihm befand: »Wenn dieser Rundkopf kein
Loch in den Schädel bekommt, wird er es noch weit bringen.«
Seit dieser Zeit haftete Cadoudal der Name Rundkopf
an.
Georges kämpfte in der Vendée bis zur Niederlage
von Savenay, bei der die Hälfte der Aufständischen den Tod fand und
die andere Hälfte sich in alle Winde zerstreute.
Nachdem er drei Jahre lang wahre Wunder an Kraft,
Gewandtheit und Tapferkeit vollbracht hatte, überschritt er die
Loire abermals und kehrte in das Morbihan zurück.
In seinem Geburtsland führte Cadoudal auf eigene
Rechnung Krieg. Als Oberbefehlshaber, den seine Soldaten
vergötterten und dem sie bedingungslos gehorchten, erfüllte er
Stofflets Prophezeiung; er trat die Nachfolge eines La
Rochejacquelein, d’Elbée, Bonchamps, Lescure, Charette und sogar
Stofflets selbst an, und seither kann er es an Ruhm mit ihnen
aufnehmen und ist ihnen an Macht sogar überlegen, da er fast der
Einzige ist, der noch gegen die Herrschaft Bonapartes kämpft, der
seit zwei Monaten Erster Konsul ist und im Begriff steht, die
Schlacht von Marengo zu schlagen.
Vor drei Tagen hat Cadoudal erfahren, dass General
Brune, der Sieger von Alkmaar und von Castricum, der Retter
Hollands, zum Oberfehlshaber der republikanischen Armeen im Westen
ernannt wurde und in Nantes eingetroffen ist mit dem Auftrag, ihn,
Cadoudal, und seine Chouans zu vernichten, koste es, was es
wolle.
Nun denn! Cadoudal muss dem Oberbefehlshaber
zeigen, dass er keine Furcht kennt und dass man mit
Einschüchterungsversuchen bei ihm überhaupt nichts ausrichten
kann.
Müßig spielt er mit dem Gedanken an
aufsehenerregende Aktionen, durch die man die Republikaner aus der
Fassung bringen könnte, doch schon bald hebt er den Kopf, denn er
hört ein Pferd galoppieren. Der Reiter gehört zu seinen Männern,
denn er hat ungehindert die Chouans passiert, die an der Straße von
La Roche-Bernard auf der Lauer liegen, und Muzillac erreicht.
Der Reiter hält vor der Tür des Häuschens, in dem
Georges sich befindet, betritt die Gasse und sieht sich seinem
Anführer gegenüber.
»Ah, du bist es, Branche-d’Or«, sagte Cadoudal. »Wo
warst du?«
»In Nantes, General.«
»Welche Nachrichten bringst du?«
»Ein Aide de Camp General Bonapartes hat General
Brune begleitet und kommt in besonderer Mission, die Ihnen
gilt.«
»Mir?«
»Ja.«
»Weißt du, wie er heißt?«
»Roland de Montrevel.«
»Hast du ihn gesehen?«
»Wie ich Sie sehe.«
»Wie ist er?«
»Ein schöner junger Mann, sechs- bis
siebenundzwanzig Jahre alt.«
»Wann wird er kommen?«
»Ein, zwei Stunden nach mir, nehme ich an.«
»Hast du ihm den Weg bereitet?«
»Ja, man wird ihn nicht aufhalten.«
»Wo befindet sich die Vorhut der
Republikaner?«
»In La Roche-Bernard.«
»Wie viele sind es?«
»Ungefähr tausend.«
In diesem Augenblick galoppierte ein Pferd
heran.
»Oha!«, sagte Branche-d’Or. »Sollte er das schon
sein? Unmöglich!«
»So ist es, denn dieser Reiter kommt aus der
Richtung von Vannes.«
Der Reiter hielt sein Pferd vor der Tür an und trat
ein. Obwohl er in einen weiten Mantel gehüllt war, erkannte
Cadoudal ihn.
»Bist du es, Cœur-de-Roi?«, fragte er.
»Ja, General.«
»Woher kommst du?«
»Aus Vannes, wohin Sie mich geschickt hatten, damit
ich die Blauen überwache.«
»Und was kannst du berichten?«
»Sie stehen kurz vor dem Hungertod, und General
Harty will heute Nacht die Vorratsspeicher von Grand-Champ
überfallen, um an Lebensmittel zu kommen. Er wird den Überfall
selbst anführen, und die Kolonne wird aus höchstens hundert Mann
bestehen, damit sie beweglich genug ist.«
»Bist du müde, Cœur-de-Roi?«
»Aber nein, General.«
»Und dein Pferd?«
»Es ist schnell gelaufen, aber es kann noch drei
bis vier Meilen bewältigen, bevor es umfällt. Zwei Stunden Ruhe
-«
»Zwei Stunden Ruhe und eine doppelte Ration Hafer,
damit es sechs Meilen schafft!«
»Es wird sie schaffen, General.«
»Du wirst in zwei Stunden aufbrechen und in meinem
Namen den Befehl geben, das Dorf Grand-Champ bei Tagesanbruch zu
evakuieren.«
Cadoudal hielt inne und lauschte aufmerksam.
»Aha«, sagte er, »das wird er wohl sein. Ich höre
den Galopp eines Pferdes, das sich von La Roche-Bernard
nähert.«
»Das ist er«, sagte Branche-d’Or.
»Wer ist es?«, fragte Cœur-de-Roi.
»Jemand, den der General erwartet.«
»Kommt, Freunde, lasst mich allein«, sagte
Cadoudal. »Du, Cœur-de-Roi, begibst dich so schnell wie möglich
nach Grand-Champs; du, Branche-d’Or, nimmst im Hof mit dreißig Mann
Aufstellung, die du als Boten in alle Winkel des Landes aussenden
kannst. Sorge dafür, dass das Beste, was man bekommen kann, als
Abendmahlzeit für zwei Personen vorbereitet wird.«
»Verlassen Sie das Haus, General?«
»Nein, ich gehe nur demjenigen entgegen, der gerade
ankommt. Verschwinde in den Hof, er soll dich nicht sehen!«
Cadoudal erschien auf der Türschwelle, als ein
Reiter sein Pferd anhielt und sich ratlos umblickte.
»Er ist hier, Monsieur«, sagte Cadoudal.
»Wer soll hier sein?«, fragte der Reiter.
»Der, den Sie suchen.«
»Woher wollen Sie wissen, dass ich jemanden
suche?«
»Das ist nicht schwer zu erraten.«
»Und wen suche ich?«
»Georges Cadoudal; das ist nicht schwer zu
erraten.«
»Oh!«, sagte der junge Mann erstaunt. Er sprang vom
Pferd und wollte es an einem Fensterladen anbinden.
»Werfen Sie ihm die Zügel über den Hals«, sagte
Cadoudal, »und machen Sie sich keine Gedanken, Sie werden Ihr Pferd
vorfinden, sobald Sie es benötigen. In der Bretagne geht nichts
verloren, Sie befinden sich im Land der Ehrlichkeit«, und er wies
auf die Tür: »Erweisen Sie mir die Ehre, diese ärmliche Hütte zu
betreten, Monsieur Roland de Montrevel«, sagte er, »das ist der
einzige Palast, den ich Ihnen heute Nacht als Dach über dem Kopf
anbieten kann.«
Trotz aller Selbstbeherrschung konnte Roland seine
Überraschung nicht verbergen, und im Lichtschein des Kaminfeuers,
das eine unsichtbare Hand wieder entfacht hatte, sah Cadoudal ihm
an, dass er vergeblich zu erraten versuchte, wie der von ihm
Gesuchte von seinem Kommen hatte wissen können. Doch da Roland
seine Neugier nicht über Gebühr
verraten wollte, setzte er sich auf den Stuhl, den Cadoudal ihm
anbot, und hielt seine Stiefelsohlen an das wärmende Feuer.
»Ist das Ihr Hauptquartier?«, fragte er.
»Ja, Oberst.«
»Es scheint mir ein wenig nachlässig bewacht zu
sein«, sagte Roland, der sich umsah.
»Das sagen Sie«, erwiderte Georges, »weil Ihnen
zwischen La Roche-Bernard und hier niemand begegnet ist, nicht
wahr?«
»Nichts und niemand, wahrhaftig.«
»Aber das beweist doch nicht, dass die Straße nicht
bewacht gewesen wäre«, sagte Georges lachend.
»Zum Henker, wenn sie nicht von den Käuzchen
bewacht wurde, die mich offenbar von Baum zu Baum begleitet haben;
in diesem Fall nehme ich meine Behauptung natürlich zurück,
General.«
»So ist es in der Tat«, sagte Cadoudal, »die
Käuzchen sind meine Schildwachen, Wachen mit scharfen Augen, denn
sie haben den Menschen die Fähigkeit voraus, auch im Dunkeln zu
sehen.«
»Dennoch hätte ich keine Menschenseele gefunden,
die mir den Weg gezeigt hätte, wenn ich nicht so vorausschauend
gewesen wäre, mir in La Roche-Bernard den Weg erklären zu
lassen.«
»Sie hätten unterwegs jederzeit rufen können: ›Wo
finde ich Georges Cadoudal?‹, und jederzeit hätte Ihnen eine Stimme
geantwortet: ›Im Dorf Muzillac, es ist das vierte Haus auf der
rechten Seite.‹ Sie haben niemanden gesehen, Oberst. Aber in
ebendieser Sekunde wissen an die fünfzehnhundert Männer, dass
Monsieur Roland de Montrevel, Aide de Camp des Ersten Konsuls, eine
Unterredung mit dem Müller von Kerléano hat.«
»Aber wenn Ihre fünfzehnhundert Männer wissen, dass
ich Aide de Camp des Ersten Konsuls bin, warum haben sie mich dann
ungeschoren passieren lassen?«
»Weil sie Ordre hatten, Sie nicht nur ungeschoren
zu lassen, sondern Ihnen notfalls sogar zu Hilfe zu kommen.«
»Sie wussten also, dass ich auf dem Weg zu Ihnen
war?«
»Ich wusste, dass Sie auf dem Weg waren, und auch,
warum.«
»Dann muss ich es Ihnen nicht eigens sagen.«
»O doch, vorausgesetzt, Sie sagen mir etwas, was
ich gerne höre.«
»Der Erste Konsul wünscht den Frieden, Frieden mit
allen, nicht nur mit Einzelnen. Mit Abbé Bernier, mit d’Autichamp,
Châtillon und Suzannet hat er Frieden geschlossen; es schmerzt ihn,
Sie allein abseitsstehen und ihm
störrisch trotzen zu sehen, denn er schätzt Sie als tapferen und
loyalen Gegner. Und deshalb hat er mich als unmittelbaren
Unterhändler zu Ihnen geschickt. Welche Bedingungen stellen Sie für
einen Friedensschluss?«
»Oh, nichts weiter«, sagte Cadoudal lachend. »Der
Erste Konsul überlässt den Thron Seiner Majestät Ludwig XVIII.,
wird sein Kronfeldherr, sein Generalstatthalter, der Befehlshaber
über seine Armeen zu Lande und zu Wasser, und ich erkläre den
Waffenstillstand auf der Stelle zum Friedensabkommen und werde zu
seinem ersten ergebenen Soldaten.«
Roland zuckte die Schultern. »Sie wissen, dass das
unmöglich ist«, sagte er, »und dass der Erste Konsul dieses
Verlangen unmissverständlich zurückgewiesen hat.«
»So ist es. Und deshalb bin ich bereit, die
Kriegshandlungen wiederaufzunehmen.«
»Wann?«
»Heute Nacht. Sie kommen gerade im richtigen
Augenblick, um das Schauspiel mitzuerleben.«
»Und doch wissen Sie, dass die Generäle
d’Autichamp, Châtillon, Suzannet und Abbé Bernier die Waffen
gestreckt haben?«
»Sie sind Generäle der Vendée und können im Namen
der Vendée tun, was sie wollen. Ich bin Bretone und Chouan und kann
im Namen der Bretonen und der Chouans tun, was ich will.«
»Sie überantworten dieses unselige Land also einem
Vernichtungskrieg, General?«
»Ich überantworte seine Christen und Royalisten dem
Martyrium.«
»General Brune befindet sich in Nantes mit den
achttausend Gefangenen, die uns die Engländer ausgeliefert
haben.«
»So viel Glück hätten sie bei uns nicht, Oberst.
Die Blauen haben uns gelehrt, keine Gefangenen zu machen. Was die
Anzahl unserer Gegner betrifft, scheren wir uns um solche
Kleinigkeiten im Allgemeinen nicht.«
»Aber wenn General Brune mit seinen achttausend
Gefangenen und den zwanzigtausend Soldaten, die er von General
Hédouville übernimmt, nichts ausrichten kann, dann wird der Erste
Konsul persönlich gegen Sie antreten – wenn es sein muss, mit
hunderttausend Mann, das wissen Sie.«
»Wir werden uns der Ehre bewusst sein, die er uns
damit erweist«, sagte Cadoudal, »und uns bemühen, ihm zu beweisen,
dass wir würdig sind, gegen ihn zu kämpfen.«
»Er wird Ihre Städte in Schutt und Asche
legen.«
»Wir werden uns in unsere Hütten
zurückziehen.«
»Er wird sie verbrennen.«
»Dann werden wir in den Wäldern leben.«
»Sie werden sich eines Besseren besinnen,
General.«
»Erweisen Sie mir die Ehre, vierundzwanzig Stunden
mit mir zu verbringen, und Sie werden sehen, dass mein Entschluss
gefasst ist.«
»Und wenn ich annehme?«
»Wäre ich überglücklich. Allerdings dürfen Sie
nicht mehr verlangen, als ich Ihnen anbieten kann: ein Strohdach
über dem Kopf, eines meiner Pferde als Reittier und freies Geleit,
wenn Sie mich verlassen.«
»Einverstanden.«
»Und Ihr Wort, Monsieur, dass Sie sich nicht den
Ordres widersetzen, die ich erteile, und meine
Überraschungsangriffe nicht zu vereiteln versuchen.«
»Dafür bin ich viel zu neugierig; ich gebe Ihnen
mein Wort, General.«
»Was auch immer vor Ihren Augen geschieht?«,
beharrte Cadoudal.
»Was auch immer vor meinen Augen geschieht. Ich
verzichte auf die Rolle des Handelnden und begnüge mich mit der des
Zuschauers, denn ich will zum Ersten Konsul sagen können: Das sah
ich mit eigenen Augen.«
Cadoudal lächelte. »Gut!«, sagte er. »Sie werden
sehen.«
Kaum hatte er gesprochen, wurde die Tür geöffnet,
und zwei Bauern trugen einen gedeckten Tisch mit einer dampfenden
Terrine Kohlsuppe und Speck herein; zwischen zwei Gläsern stand ein
riesiger Krug frisch gezapften schäumenden Apfelmosts. Gedeckt war
für zwei Personen – eine unmissverständliche Einladung zum
Abendessen an die Adresse des Obersten.
»Sehen Sie, Monsieur de Montrevel«, sagte Cadoudal,
»meine Leute hoffen, dass Sie mir die Ehre erweisen werden, mit mir
zu speisen.«
»Und sie täuschen sich nicht«, erwiderte Roland,
»denn ich bin halb verhungert, und hätten Sie mich nicht
eingeladen, wäre ich Gefahr gelaufen, mir gewaltsam etwas zu essen
zu beschaffen.«
»Sie müssen verzeihen, dass ich Ihnen nur schlichte
Kost anbieten kann«, sagte Cadoudal. »Ich verfüge nicht über eine
Kriegskasse wie Ihre Generäle, und da Sie meine armen Bankiers auf
das Schafott geschickt haben, sind mir die Nahrungsmittel knapp
geworden. Ich will Ihnen das nicht zum Vorwurf machen, denn ich
weiß, dass Sie ohne List und Tücke gehandelt haben und dass es ein
ehrlicher Handel zwischen Soldaten war. Es gibt nichts daran zu
tadeln, ganz im Gegenteil: Ich habe Ihnen für den Geldbetrag zu
danken, den Sie mir aushändigen ließen.«
»Eine der Bedingungen, unter denen Mademoiselle de
Fargas uns die
Mörder ihres Bruders ausgeliefert hat, war die, dass das Geld, das
sie in Ihrem Namen verlangt hat, Ihnen übergeben wird. Der Erste
Konsul und ich haben nur unser Wort gehalten.«
Cadoudal verneigte sich; als Ehrenmann fand er das
völlig selbstverständlich.
Dann wandte er sich an einen der beiden Bretonen,
die den Tisch hereingetragen hatten: »Was hast du uns noch
anzubieten, Brise-Bleu?«
»Ein Hühnerfrikassee, General.«
»Das ist der Speisezettel Ihres Diners, Herr von
Montrevel.«
»Ein wahres Festmahl; ich befürchte nur
eines.«
»Was wäre das?«
»Solange wir essen, steht nichts zu befürchten,
aber wenn es ans Trinken geht...«
»Ah! Sie mögen keinen Apfelmost«, sagte Cadoudal.
»Verwünscht! Das bringt mich in Verlegenheit. Apfelmost und Wasser,
daraus besteht mein ganzer Weinkeller, wie ich gestehen
muss.«
»Darum geht es mir nicht. Auf wessen Gesundheit
werden wir trinken?«
»Das bringt Sie in Verlegenheit, Monsieur de
Montrevel«, sagte Cadoudal mit unnachahmlicher Würde. »Wir werden
auf die Gesundheit Frankreichs trinken, das unser beider Mutter
ist. Wir dienen unserem Heimatland mit unterschiedlichen Ansichten,
aber, wie ich hoffe, mit gleicher Liebe.«
»Auf Frankreich, Monsieur!«, sagte Cadoudal und
schenkte ein.
»Auf Frankreich, General!«, erwiderte Roland und
stieß mit Cadoudal an.
Und beide setzten sich fröhlich, beruhigten
Gewissens, und machten sich mit dem gesunden Appetit junger Männer
über die Kohlsuppe her.