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Das Dorf mit Namen Li Parenti
»Ich habe eine schlechte Nachricht erhalten, mein
lieber Graf: Eine Kompanie des neunundzwanzigsten Regiments, die
aus Cosenza aufbrach, um mir Verstärkung zu bringen, musste in den
Bergen um Scilla den Wald durchqueren, in dem das Dorf namens Li
Parenti gelegen ist, einer der abscheulichsten
Brigantenschlupfwinkel von ganz Kalabrien.
Unter dem Vorsitz eines berüchtigten
Räuberhauptmanns aus der Basilikata überlegten die Hauptbourbonen
des Dorfs lange, ob sie sich in den Hinterhalt legen oder ob sie
die Kompanie mittels einer List in das Dorf
locken und dort niedermachen sollten, bevor jene wussten, wie
ihnen geschah.
Am helllichten Tag ein Detachement von achtzig gut
bewaffneten Soldaten anzugreifen, deren jeder achtzig Schuss
Munition in seiner Patronentasche mit sich führte, war ein
gefährliches Unterfangen, das wohl erwogen sein wollte.
Und man beschloss, ihnen einen Hinterhalt zu
bereiten.
Der Räuberhauptmann heißt Taccone und hat sich
durch die unvorstellbaren Gräueltaten, die er sowohl 1799 als auch
1806 und 1807 an den Franzosen verübt hat, den Spitznamen Il Boia –
der Henker – erworben. Er ging in Begleitung einiger Einheimischer
den Franzosen entgegen, und als er ihnen begegnete, gab er sich als
Hauptmann der Nationalgarde aus, der mit zwei Leutnants gekommen
war, um den französischen Soldaten Erfrischungen und
Gastfreundschaft in dem Dorf anzubieten.
Der Hauptmann wusste zwar, dass er der
vorgespielten Liebenswürdigkeit der Einheimischen nicht trauen
durfte, doch er und seine Offiziere ließen sich mit typisch
französischer Vertrauensseligkeit von der geheuchelten Herzlichkeit
einwickeln und waren so unvorsichtig, ihren Männern zu befehlen,
die Waffen vor dem Gemeindehaus abzustellen, in dem die
Erfrischungen warteten; die Franzosen traten ein und aßen und
tranken voller Sorglosigkeit. Nach zehn Minuten ertönte ein
Pistolenschuss als Signal, gefolgt von einer ohrenbetäubenden
Salve.
Der Hauptmann und die zwei Leutnants, die sich im
selben Raum befanden, waren auf der Stelle tot; die Soldaten eilten
hinaus, doch dort erwarteten sie die Bauern mit einem Geschosshagel
aus ihren eigenen Gewehren.
Nur sieben Soldaten konnten sich retten; sie sind
nachts in unserem Lager angekommen und haben die schreckliche
Neuigkeit berichtet.«
»Aha«, sagte René, »diesem Herrn Taccone muss man
also schleunigst einen Denkzettel verpassen.«
»Ja, lieber Freund, aber vorher müssen Sie wissen,
mit wem Sie es zu tun haben. Taccone ist keineswegs der feige
Meuchelmörder, der am liebsten mit Fallen und aus dem Hinterhalt
operiert, wie Sie nach meinem Bericht denken könnten; so manches
Mal hat er gegen unsere tapfersten Soldaten gekämpft und konnte sie
dank seiner günstigen Position, dank seiner genauen Kenntnis der
Gegend oder dank der Dunkelheit besiegen; und wenn er nicht siegte,
erstaunte er sie durch unerwartete Manöver …
Oft machte er seinen Leuten mitten im Kugelhagel
ein Zeichen, sobald
er genug Deckung hatte, und daraufhin verstreuten sie sich in alle
Himmelsrichtungen. Wenn unsere Männer dann die leichtfüßigen
Bergbewohner zu verfolgen suchten, wiederholte sich die alte
Geschichte von Horatiern und Curiatiern: Die Banditen machten
unvermutet kehrt, jeder von ihnen griff einen keuchenden,
erschöpften Gegner an, und bevor der französische Soldat wusste,
wie ihm geschah, hatte ihn eine Kugel oder ein Messer
getroffen.
Stieß der Bandit auf einen Soldaten, der sich
mannhaft verteidigte, dann floh er einfach, und wer soll einem
Kalabresen auf den Fersen bleiben, der in die Berge flieht?
Taccone ist der Wagemutigste und Grausamste aus
seiner ganzen Bande, und diesen Eigenschaften verdankt er seine
Autorität über seine Gefährten; bei diesen wilden Banditen ist der
Titel Hauptmann nicht wohlfeil; wer in den Bergen kommandiert, der
ist des Kommandos auch würdig.
Taccone gilt zudem als schnellster Läufer seiner
Räuberbande; man sollte meinen, Homers schnellfüßiger Achill hätte
ihm seine goldene Chlamys vererbt oder Jupiters Bote Merkur hätte
ihm seine Flügel an die Fersen geheftet, denn er springt so schnell
wie der Blitz oder wie der Wind von einem Ort zum anderen.
Einmal hatten unsere Soldaten ihm in einem Wald
heftig zugesetzt, und es sah ganz so aus, als wollte er ihnen lange
Widerstand bieten; doch kaum war die Nacht hereingebrochen,
verschwand er im Schutz der Dunkelheit so plötzlich wie ein
Gespenst, seine Männer entschwanden mit ihm, und am nächsten Tag
fand er sich vor Potenza ein, das er über Pfade erreicht hatte, die
zu begehen man nur Gemsen und wilden Ziegen zutrauen würde.
Vergessen Sie nicht, lieber Graf, dass Potenza kein
Dorf und keine Kleinstadt ist, sondern eine ansehnliche Stadt von
acht- bis neuntausend Einwohnern. Diese acht- oder neuntausend
Bewohner begaben sich in ihre Häuser und verschlossen Fenster und
Türen, als sie die Räuberbande erblickten, die wie vom Himmel
gefallen vor den Stadttoren stand, und die furchterregende Stimme
Taccones hörten, ohne auch nur einen Gedanken darauf zu
verschwenden, sich ihm zu widersetzen.
Und König Taccone, denn so nannte man ihn, bevor
man ihn den Henker Taccone nannte, schickte einen Herold in die
Stadt, der anordnete, dass alle zivilen, religiösen und
militärischen Autoritätspersonen sich unverzüglich zu ihm zu
begeben hatten – andernfalls würde die Todesstrafe ihrer harren und
ihre Häuser würden niedergebrannt.
Eine Stunde später war ein seltsames Schauspiel zu
sehen: Die Geistlichkeit ging voran, gefolgt von den Vertretern der
Behörden, und diesen folgte die ganze Bevölkerung, um einem
Anführer von Briganten zu huldigen und ihn auf den Knien und mit
gefalteten Händen um Gnade zu bitten. Taccone ließ sie eine Weile
die Demütigung auskosten und beschied sie dann mit der
Großherzigkeit eines Alexander, der die Familie des unterlegenen
Dareios aus dem Staub aufhebt, in den sie sich vor ihm geworfen
hat: ›Erhebt euch, ihr Unseligen, denn ihr seid meines Zorns nicht
würdig; gnade euch Gott, wenn ich zu einer anderen Zeit gekommen
wäre, doch heute ist mein Herz dem Erbarmen geöffnet, da ich mich
mithilfe der Heiligen Jungfrau von meinen Feinden befreien konnte;
heute ist ein Festtag und ein Tag des Triumphs für alle Gerechten,
und an diesem Tag will ich mich nicht mit eurem Blut besudeln,
obwohl eure schändlichen Ansichten mich drängen, es zu vergießen.
Aber freut euch nicht zu früh, denn gänzlich straffrei werdet ihr
nicht ausgehen: Weil ihr euch gegen euren König empört habt und
weil ihr euren Gott verleugnet habt, werdet ihr innerhalb einer
Stunde die Steuer entrichten, die mein Sekretär euch nennen wird.
Auf, erhebt euch und schickt Boten in die Stadt, damit ein meines
Sieges würdiges Fest ausgerichtet wird; alle, die ihr hier weilt,
werdet ihr mich begleiten und Lobgesänge singen, bis wir die
Kathedrale erreichen, wo Monsignore ein Tedeum anstimmen
wird, um dem Allerhöchsten für den Sieg unserer Waffen zu danken.
Und jetzt auf die Beine und vorwärts!‹
Das Volk sang die heiligen Hymnen im Chor zusammen
mit den Banditen, Olivenzweige in Händen, und Taccone näherte sich
dem Dom auf einem Pferd, das mit Glöckchen, Federn und einer
seidenen Pferdedecke herausgeputzt war, während er das
Tedeum sang. Als die Steuer bezahlt war, machte die Bande
sich aus dem Staub, doch nicht ohne eine weit kostbarere Beute als
Gold und Silber mitzunehmen.
Beim Betreten der Stadt blickte der Triumphator
hocherhobenen Kopfes neugierig in Fenster und Türen, als suchte er
im Inneren der Häuser nach etwas.
Ein junges Mädchen hob schüchtern den Vorhang eines
Fensters und zeigte sein Gesicht voll Liebreiz der Jugend und der
Schönheit. Da hielt der Bandit sein Pferd an und heftete seinen
Blick auf das junge Geschöpf; er hatte gefunden, was er
suchte.
Als hätte es verstanden, dass es verloren war, trat
das Mädchen einen Schritt zurück und bedeckte sein Gesicht mit den
Händen.
Taccone sagte leise etwas zu zweien seiner Männer,
und sie gingen in das Haus.
Als Taccone die Kirche verließ, sah er einen Greis
vor sich, den Großvater des jungen Mädchens, dessen Vater tot war.
Er war gekommen, um Taccone anzubieten, das junge Mädchen um jeden
Preis auszulösen.
›Du irrst dich, Alterchen‹, sagte Taccone, ›mit
meinem Herzen lasse ich nicht feilschen; deine Enkelin ist schön,
ich liebe sie; sie will ich und nicht dein Geld.‹<
Der alte Mann wollte Taccone in den Arm fallen,
doch dieser stieß ihn mit einem Faustschlag von sich; er kniete vor
dem Briganten nieder, doch der stellte ihm einen Fuß auf die
Schulter und warf ihn zu Boden, und dann bestieg er sein Pferd. Das
in Tränen aufgelöste Mädchen wurde vor ihm über den Sattel gelegt,
und dann verließ er die Stadt im Schritt, ohne dass jemand sich
diesem Menschenraub zu widersetzen versucht hätte, und entführte
die Jungfrau, die keine anderen Küsse als die ihrer Mutter gekannt
hatte.
Das junge Mädchen wurde nie wieder in Potenza
gesehen.
Taccone reihte als Bandit Erfolg an Erfolg; als er
Potenza verließ, machte er sich auf den Weg zum Schloss des Barons
Federici, eines erklärten Gegners der Bourbonen.
Obwohl der Baron aus heiterem Himmel überfallen
wurde, blieb ihm genug Zeit, die Schlosstore zu schließen, nachdem
er einige seiner Vasallen hereingeholt hatte; die Heftigkeit der
Angreifer erwiderte er mit verbissenem Widerstand.
Der Kampf währte von morgens bis abends, und nicht
wenige Tote blieben am Fuß der Schlossmauern liegen.
Doch das Unglück der Belagerten wollte, dass sie
abends feststellen mussten, dass ihnen bei einem so erbittert
fortgeführten Kampf die Munition am nächsten Nachmittag ausgehen
würde.
Die Banditen begrüßten den Tagesanbruch mit einer
entsetzlichen Gewehrsalve; nachdem sie eine Stadt eingenommen
hatten, ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben, empfanden
sie es als Schmach, vor einer einfachen Festung aufgehalten zu
werden; sie erkannten, dass der Widerstand nicht so bald zu brechen
sein würde, solange die Bauern dem Beispiel ihres Lehnsherren
folgten und zudem um Leib und Leben fürchteten, doch sie wussten
auch, dass die Munitionsvorräte der Belagerten schnell schwanden,
selbst wenn diese nur gezielte Schüsse abgaben.
Doch die Bauern im Schloss verlangten, dass man die
Bedingungen der
Banditen anhörte; sie behaupteten, die Banditen würden sich mit
einem Lösegeld zufriedengeben und verschwinden, ohne das Schloss zu
plündern und ohne seinen Bewohnern etwas anzutun.
›Lassen Sie uns kapitulieren, Herr Baron!‹,
beschworen sie Federici. ›Wenn wir uns ergeben, können wir
Bedingungen aushandeln, aber wenn die Briganten das Schloss
erstürmen, dann sind wir alle verloren, wir, unsere Frauen und
unsere Kinder.‹
›Meine armen Kinder‹, erwiderte der Baron, ›glaubt
ihr wirklich, dass diese Briganten noch so viel Ehre besitzen, sich
an Abmachungen zu halten? Verloren sind wir, wenn wir keine Hilfe
von außerhalb bekommen. ‹<
Doch man konnte noch so lange aus den Fenstern im
obersten Geschoss hinaussehen, weit und breit war keine Hilfe für
die Belagerten zu sehen, sondern nur Unterstützung für die
Belagerer, denn die Bauern der Umgegend, von Natur aus Verbündete
der Briganten, kamen herbeigelaufen in der Hoffnung, beim Plündern
mitzutun. Zuletzt ordnete Taccone die Erstürmung an; überall wurden
Leitern angelegt, die Gewehre glänzten und die Äxte blinkten im
Sonnenlicht. Die diabolischen Freudenrufe schienen bis zum Himmel
zu erklingen.
Baron Federici sah all diese mörderischen
Vorbereitungen; er sah auch seine zitternde Frau, seine
totenblassen Töchter und seinen sechsjährigen Sohn, der vor Angst
zu weinen begonnen hatte, und ihn erfasste blindwütiger und
verzweifelter Zorn, als er sah, dass die Frauen seinem Blick
abzulesen suchten, ob noch Hoffnung bestand. Da er sich eingestehen
musste, dass alle sich ergeben wollten, beugte sich der Baron dem
allgemeinen Wunsch und sandte einen Unterhändler zu Taccone, obwohl
er keinen Pfifferling auf das Wort des Banditen gab.
Man ließ den Boten lange warten, bevor der illustre
General ihn vorließ, der sich mit der Frau zurückgezogen hatte, die
er in Potenza entführt hatte. Zuletzt wurde der Unterhändler von
Taccone empfangen und sprach von Kapitulation und Vereinbarungen,
doch Taccone brach in Gelächter aus. ›Geh zu deinem Baron zurück‹,
sagte er zu ihm, ›Vereinbarungen sind unnötig, die Bewohner des
Schlosses werden verschont.‹
Der Mann ging. Taccones Briganten beschwerten sich,
dass ihr Anführer dem Baron gegenüber allzu großzügig sei, doch
Taccone lächelte nur und zuckte die Schultern. ›Wer sagt euch‹,
erwiderte er, ›dass diesem vermaledeiten Schloss nicht am Ende
Hilfe zuteilgeworden wäre, wenn wir es noch länger belagert hätten?
Denkt ihr etwa, sie hätten sich ergeben,
wenn ich ihnen nicht versprochen hätte, sie zu verschonen? Wenn
wir im Schloss sind, werden wir entscheiden, wer leben und wer
sterben soll.‹
Gegen Abend wurden die Tore des Schlosses geöffnet;
Baron Federici übergab Taccone die Schlüssel und schickte sich an,
mit seiner Familie zu gehen.
›Wohin willst du, Abtrünniger?‹, herrschte Taccone
ihn an und trat ihm in den Weg; dann wendete er sich an seine Leute
und sagte: ›Haltet ihn fest, während ich mich im Schloss
umsehe.‹<
Sie können sich vorstellen, mein lieber Graf«,
sagte Reynier, »was vor sich ging, als diese Horde von Mördern das
Haus durchsuchte: Alle Schränke wurden eingeschlagen, alle Truhen
wurden zertrümmert, und aus den Trümmern errichteten sie im Hof
einen riesigen Scheiterhaufen, auf den die Banditen Bilder, Möbel
und alles andere warfen, was sie nicht gebrauchen konnten; all das
geschah vor den Augen des geknebelten Barons, dessen Blick das
Urteil der Sieger erwartete.
Nach erfolgter Plünderung war bedrohliches Gelärme
zu vernehmen, und in den Hof torkelten und tanzten die betrunkenen
Banditen mit Fackeln in den Händen; ein auflodernder Lichtschein
verriet, dass sie das Schloss in Brand gesteckt hatten.
Als sie den Hof erreichten, wo der Baron von
Banditen bewacht wurde, trat Taccone zu ihm, setzte ihm
spaßeshalber einen alten Hut auf den Kopf, bat ihn um Verzeihung,
dass er ihn so lange im Dunkeln gelassen hatte, und befahl, Licht
zu machen.
Kaum hatte er diesen Befehl ausgesprochen, wurde
der Scheiterhaufen entzündet, und die Flammen, die gierig das
trockene Holz verzehrten, stiegen bald zum Himmel wie züngelnde
Schlangenschwänze.
›Ha, bei Gott!‹, rief Taccone. ›Es wäre eine rechte
Sünde, so ein schönes Licht ganz vergebens leuchten zu lassen. Auf,
Freunde, auf! Lasst uns ein Tänzchen mit den Damen machen; Herr
Federici wird es gewiss recht sein, dass seine Frau und seine
Töchter uns in seinem Schloss willkommen heißen.‹<
Er ergriff die Hand einer der Töchter des Barons
und führte den Reigen an; seine Kumpane bemächtigten sich der
anderen Frauen, die Baronin und ihre Kammerzofe wurden mitgerissen,
und zuletzt waren alle Frauen aus dem Schloss gezwungen, mit den
Banditen um den lodernden Scheiterhaufen zu tanzen.
Bei diesem Anblick riss der Baron sich mit einer
heftigen Bewegung von
seinen Bewachern los und sprang mitten auf den Scheiterhaufen, der
unter seinen Füßen nachgab und ihn unter sich begrub.
›Oho!‹, sagte Taccone zu seiner Tänzerin. ›Was für
einen unmanierlichen Papa Sie haben, der sich weigert, der Hochzeit
seiner Tochter beizuwohnen! Aber den Rotzbengel, den brauchen wir
wahrhaftig nicht, schicken wir ihn zu seinem Papa.‹
Und er ergriff den sechsjährigen Jungen an einem
Bein und warf ihn auf den Scheiterhaufen.
Die Frauen wurden eine nach der anderen
vergewaltigt und ebenfalls in die Flammen geworfen.
Als einziges Mitglied der unglücklichen Familie
überlebte der Junge wie durch ein Wunder: Er war auf der anderen
Seite des Scheiterhaufens neben ein Kellerloch gefallen und trug
nur einen verstauchten Fuß davon.
All diese Taten machten Taccone immer wagemutiger.
Eines Tages trieb er es so weit, einen Bataillonschef
herauszufordern, an einem bestimmten Tag mit seinen Männern aus
Cosenza aufzubrechen und sich mit ihm an einem Ort namens Lago an
der Straße zwischen Cosenza und Rogliano zu messen.
Der Offizier lachte über die Herausforderung und
schenkte ihr in seiner Überheblichkeit keinen Glauben.
Das Bataillon erhielt jedoch den Befehl,
auszurücken; als die Soldaten in eine enge Schlucht gelangten,
sahen und hörten sie plötzlich, wie von oben unter Donnergetöse
große Gesteinsmassen herabfielen.
Unter dem Aufprall dieser Massen bebte der Boden
wie bei einem Erdbeben; zugleich war es, als entflammten sich die
Berghänge, und wie von unsichtbarer Hand ging ein Kugelhagel über
sie nieder.
In kaum einer Stunde waren von dem Bataillon, das
seine Munition wirkungslos verschossen hatte, nur noch
dreiundzwanzig Soldaten und zwei Offiziere namens Filangieri und
Guarasci am Leben.
Taccone ließ sie vorführen.
›Soldaten‹, sagte er, ›euer Los ist wahrhaftig
traurig, und ich ließe euch nur zu gern laufen, hätte ich nicht dem
heiligen Antonius gelobt, keinen von euch zu verschonen; doch in
Anbetracht dessen, dass ihr uns bekriegt, nicht aus freiem Willen,
sondern gezwungen durch das unerbittliche Los der Aushebung,
erfüllt mich Erbarmen mit euch; wenn ihr aber dieses Erbarmens
teilhaftig werden wollt, müsst ihr zuerst eure Reue unter Beweis
stellen. Und dieser Beweis besteht darin, dass ihr eigenhändig eure
zwei Offiziere erschießt; tut ihr es, dann schwöre ich bei der
Jungfrau Maria,
dass ich euer Leben verschonen werde; tut ihr es nicht, dann
werdet ihr alle zusammen sterben, Soldaten wie Offiziere.‹
Keiner der Soldaten rührte sich auf diesen
Vorschlag hin, denn keiner wollte seine Hände mit dem Blut seiner
Vorgesetzten beflecken; die zwei Offiziere jedoch, die erkannten,
dass ihr Tod beschlossene Sache war, und die hofften, ihre Soldaten
könnten am Leben bleiben, wenn sie bereit waren, sie zu töten,
befahlen und flehten so lange, bis die Soldaten sich zuletzt dazu
bereitfanden.
Doch die zwei Märtyrer lagen noch in den letzten
Zuckungen des Todeskampfs, als die Briganten sich auf ein Zeichen
Taccones auf die Soldaten stürzten, ihnen die Kleider vom Leib
rissen, um sie nicht mit Blut zu besudeln, und die Gefangenen vor
Taccones Augen mit Messerstichen niedermetzelten.
Seit dieser Zeit«, fuhr Reynier fort, »nennt man
ihn Taccone den Henker; und diesen Mann müssen wir fassen.«