Strang 1 / Kapitel 4

 

Ben war so tief in die Erinnerung an die vergangenen Tage mit seinen ehemaligen Schulkameraden versunken, dass er das Klopfen schlicht überhört hatte. Dabei pochte es seit geraumer Zeit gegen die Garagentür. Und die Intensität nahm stetig zu. Bis auch noch Rufe folgten.

„Ben? Ist bei dir alles in Ordnung? Oder stellst du dich abwesend? Das gelingt leider nicht, ich sehe das Licht unter dem Garagentor.“

Der aufdringliche Besucher schwieg eine Weile, dann polterte er weiter.

„Ich bin keine deiner Stalkerinnen. Sie stehen auch nicht hinter mir oder so was. Obwohl, die Blonde mit den langen Beinen, die würde ich mir genehmigen.“

„Die würdest du aber nicht kriegen. Leider nicht dein Level.“ Ben schüttelte den Kopf und rieb sich den Nacken, um die Erinnerungen zu vertreiben. Für einen kurzen Moment herrschte Leere in seinem Gehirn und er musste sich umsehen damit er erkannte, wo er sich befand.

Mist. Mutter hatte Recht. Er brauchte Ferien. Damit erhob er sich. Das Foto immer noch in der Hand schlurfte er nicht zum Garagentor, sondern zum Eingang, der in den Keller des angrenzenden Hauses führte. Kurz bevor er durch den Eingang verschwand, rief er: „Vordertür!“

Einen Augenblick später tauchte ein rundliches Gesicht in der Scheibe der leuchtroten Eingangstür auf. Anfänglich nicht erfreut über die Störung musste Ben nun doch grinsen, als er die Tür öffnete.

Tim, optisch kein Frauenheld, aber ein Typ mit einer Menge Humor und bahnbrechendem Charme, drückte die Nase fest an die Scheibe. Gleichzeitig streckte er die Zunge heraus. Er ähnelte einem Muffin nach einer Kollision mit einem Auto.

Obwohl Tim gesehen haben musste, dass Ben die Tür öffnete, geriet er doch aus dem Gleichgewicht und stolperte ihm entgegen.

„Na hoppla!“ Mit einem breiten Grinsen stützte er sich an Bens Bauch ab. „Hast trainiert, was? Ist inzwischen fast so viel Fett dran wie bei mir.“ Tim tätschelte Bens Bauch, und weil er wusste, was folgte, drückt er sich flugs unter dem Arm seines Freundes hindurch und verschwand in die Küche.

Bens flache Hand erwischte anstelle von Tims Hinterkopf nur Luft.

„Was treibt dich her?“ Ben trat nach Tim in die Küche. Er sah gar nicht hin. Er streckte nur die Hand aus, als er am Kühlschrank vorbei ging. Da füllte auch schon eine kühle Bierflasche die Handfläche aus.

Tim zog den Kopf aus dem Kühlschrank, setzte seine Zähne an den Kronkorken seiner Bierflasche, hob die Flasche schräg nach aussen und genoss das leise Zischen der entweichenden Kohlensäure. Dann hob er seinen Arm noch weiter und die Flasche war vom Verschluss befreit. Ohne zu zögern spuckte Tim den Kronkorken in die Spüle und trank gierig einen grossen Schluck.

Ben wartete das Ritual geduldig ab. Symbolisch hob er seine Flasche in Tims Richtung um seinem Freund zuzuprosten und trank dann selbst das konventionell geöffnete Bier in tiefen Zügen.

„Also nochmal. Was hat dich hergeführt?“

Tim schwieg noch einen Augenblick. Dann sah er Ben aus Unschuldsmiene an. Und da fiel der Groschen.

„Meine Mutter hat dich angerufen?“

Ein Grummeln und ein Nicken.

„Du sollst mich davon überzeugen Ferien zu machen?“

Wieder das grummelnde Nicken.

„Wenn du sie nachher zurückrufst, kannst du ihr sagen, dass ich ihr nicht widerspreche.“

Im Gesicht des Gegenübers hob sich fragend eine Augenbraue.

„Ich habe mich heute dabei ertappt, wie mich eine Vergangenheit einholt, die nicht meine ist. Das ist definitiv ein Zeichen.“

„Das Foto, das du vorhin auf die Kommode neben die Haustür gelegt hast?“

„Manchmal machst du mir echt Angst, weisst du das?“

„Ich sagte doch schon immer, ich stamme aus einer Dynastie berühmter Hellseher und Wahrsager. Ihr wollt mir nur nicht glauben!“

„Wollen wir wirklich noch einmal über den Trick der verschwindenden Kaffeemaschine sprechen?“

„Hey, die Maschine war weg!“

„Ja. Und die Feuerwehr da.“

„Ach, komm. Es brannte ja nicht das ganze Haus runter. Einen Teil konnten wir retten und der Rest war sowieso renovationsbedürftig.“

„Das Büro war frisch saniert und der Pausenraum auch. Zum Glück hast du die Werkstatt verschont.“

„Auch das hätte die Versicherung bezahlt.“

„So verfallen war dir die zuständige Sachbearbeiterin nun auch nicht. Und auch wenn, ihr Chef war’s ganz bestimmt nicht.“

„Ja, ja, ist ja gut jetzt. Deine Bude steht wieder und ich habe schon lange nichts mehr abgefackelt. Also Schwamm drüber. Wo geht’s denn in Urlaub?“

„Das weiss ich noch nicht.“ Ben sah seinem Freund in die leuchtenden Augen. „Nein. Nicht Mallorca. Und auch nicht Gran Canaria und schon gar nicht mit dir. Sonst bringen die Ferien nichts.“

„Warum? So gäbe es wenigstens Urlaub vom Urlaub.“

Ben warf Tim einen tadelnden Blick zu. Dann wurde er ernst. „Nein. Ich schätze, ich fahr an einen Ort, den ich schon zu lange meide.“

Tim blickte erwartungsvoll auf. „Und wie nennt sich dieser mysteriöse Ort?“

„Zuhause.“

 

Unscheinbar
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