Strang 2 / Kapitel 16

 

Es trug sich zu an einem ganz normalen Tag, als die Tochter hinter dem Spinnrad schlief anstatt das Flachs zu verarbeiten. So tat sie es immer. In ihrer Faulheit maulte sie lieber herum, anstatt sich nützlich zu machen. So kam es, dass die Mutter die Geduld verlor und die Tochter aus dem Haus schickte. Die Tochter ging. Und kehrte den ganzen Tag nicht zurück. Auch nicht des Nachts. Die Mutter sorgte sich, als die Tochter nicht einmal zum Abendessen nach Hause kam und ging sie suchen. Sie fand ihr Kind fernab unter einem Baum schlafend. Der Verdruss über diese abermalige Faulheit war gross, aber das Glück, ihr Kind zurückzuhaben war grösser. Auf dem Weg nach Hause kamen Mutter und Tochter zu der alten Brücke. Die Brücke war von Nebel umgeben. Und auf einmal machte es den Anschein, als sässe da eine Frau an einem Spinnrad. Die Nachtspinnerin soll das gewesen sein. Die Tochter glaubte ihrer Mutter aber nicht. Sie sprach nur von dem steinernen Heiligenbild auf der Brücke. Doch beim Näherkommen erkannte auch die Tochter, dass auf der Brücke eine Frau im schneeweissen Gewand sass. Zögernd setzte die Mutter ihren Weg über die Brücke fort. Die Tochter folgte ihr unbekümmert. Während die Mutter sich respektvoll bekreuzigte, liess die Tochter jeden Anstand missen. Lieder singend überquerte sie die Brücke und drehte sich sogar noch zu der Nachtspinnerin um. Ein fataler Fehler. Denn die Nachtspinnerin sollte das letzte gewesen sein, das die Tochter zu sehen bekam. Ein Blitz, Blendung und weg war das Sehvermögen. Die Tochter erblindete. Das Augenlicht kehrte nie zurück.

 

Er wunderte sich schon fast, wie einfach sich alle zum Narren halten liessen. Wenigstens jetzt hätte doch irgendjemand darauf kommen müssen, dass vielleicht ein kleines Bisschen fremde Hilfe hinter dem Tod dieses faulen Weibsbildes steckte. Aber wer glauben wollte, dass sich die steinerne Jungfrau selbstständig gemacht hatte, durfte das gerne glauben.

Die steinerne Jungfrau hatte sich selbständig gemacht. Was für eine herrliche Vorstellung.

Er lachte laut heraus. Diesmal war das kein Problem. Es war niemand in der Nähe. Er sass unter einer grossen Tanne und starrte zum Himmel.

Alleine schwelgte er in der Erinnerung an seinen letzten Coup.

Leider hatte sie ihm nicht so viel Spass bereitet. Selbst dafür war sie zu faul gewesen. Sie war einfach herumspaziert.

Als er sich auf die Brücke gestellt und sie zu sich gerufen hatte, war sie ohne nachzudenken hingelaufen. Oder eher geschlichen.

Einfach so hatte er ihr den Schädel einschlagen können.

Ihr Gesicht hatte keine Emotion gezeigt. Sie war wie ein Sack in sich zusammengesunken und zu Boden gefallen. Die Spindel zwischen die noch warmen Finger geschoben und das war‘s gewesen. Einfach so.

Sein Lächeln erlosch.

Einfach. Genau. Es war zu einfach gewesen. Keine Herausforderung. Kein Adrenalin. Keine Befriedigung.

Eigentlich hatte er bereits geahnt, dass sie nicht einmal als Opfer taugte. Aber ihr Tod war notwendig gewesen.

Unzufriedenheit tobte in ihm.

Jetzt nur nicht die Konzentration verlieren. Sonst wäre alles umsonst gewesen.

Ruhe bewahren.

Der Nächste würde besser werden.

Hoffentlich.

 

 

Unscheinbar
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