Strang 2 / Kapitel 6
Einst soll es hinter einer Kapelle ein Bauernhaus gegeben haben. Ein Knecht des Hauses litt an Depressionen. Irgendwann wogen seine Qualen so schwer, dass der Knecht sie nicht mehr länger ertrug. Er nahm sich ein Seil. Einen Teil des Seils knotete er um den Firstbalken. Den anderen band er zu einer Schlinge. Seinen Kopf steckte er durch die Schlinge. Er baumelte nicht lange, da kam der Tod…
In den schützenden Schatten der hereingebrochenen Nacht stand er und belauschte, wie die Rückkehrer ihrer Mutter von den Erreignissen auf der Alp erzählten. Er erfreute sich daran, dass offensichtlich niemand die zweite Leiche gefunden hatte. Dabei war sie doch so nahe gewesen. Direkt unter dem Bretterboden in der Kochnische. Dort lag sie. Das viele Blut, das bei dem sauberen Schnitt durch die Kehle geflossen war, war getrocknet. Schade eigentlich. Es hatte die Erde so schön getränkt. Es drang auch nicht mehr durch die zweite Holzschicht in den Steinsockel, wo es vor nicht allzulanger Zeit noch von der Decke getropft war. Dann waren da noch die wilden Tiere, die vom Verwesungsgeruch magisch angezogen worden waren. An die Leiche kamen sie nicht heran. Dafür rissen sie das ungeschützte Vieh. Aber ein paar Tiere behielt er für sich. Und schlitzte ihnen die Kehlen auf. Dann verbarg er sie ebenso gut wie die menschliche Leiche, und genauso sicher vor äusseren Einflüssen. Schliesslich hatte er noch etwas vor. Dieser Gedanke zauberte ihm ein Lächeln auf das Gesicht. Die Augen begannen zu leuchten, wie bei einem Kind an Weihnachten.