Strang 1 / Kapitel 9
Der Fahrtwind rauschte ihr um die Ohren. Er fuhr ihr mit kräftigen Fingern durchs Haar und zerzauste ihre dunkelblonde Mähne rücksichtslos. Die Luft fühlte sich im Wechsel von Schatten und Sonne kühl und dann wiederum angenehm warm an. Vielerlei Gerüche umwirbelten sie. Feuchte Erde, frisches Gras, vertrocknetes Laub, junges Holz, warmer Frühling vermengt mit einem Hauch von Schnee.
Der Wechsel der Geschwindigkeit aus der Kurve in die Gerade, die fliessende Bewegung der Maschine aus der Neigung in die Senkrechte. Die Landschaft zog an ihr vorbei als würde jemand einen Video vorspulen. Ein aufregender Mix. Das Adrenalin pumpte durch ihre Adern. Ihre Hände begannen leicht zu zittern. Die Wangen röteten sich nicht nur vom Wind und die Augen leuchteten. Emma hätte am liebsten laut gejauchzt.
Im Dorf angekommen hüpfte sie förmlich von der Maschine, die sie zuvor noch so verabscheut hatte. Das glühende Gesicht und ihr breites Lächeln, das sie nicht mehr weg bekam, waren verräterisch. Keine Chance also, die Coole zu spielen, wie sie es gerne getan hätte.
„Da scheint ja jemand Spass gehabt zu haben.“
Emma trat von einem Fuss auf den anderen. „Nein, war scheisse.“
Sie konnte ihm nicht übel nehmen, dass er ihr nicht glaubte. Wie auch! Sie strahlte, als hätte sie sich einen Ballon mit Lachgas übergestülpt.
Aber ihm ging es nicht anders. Hatte er jemals jemanden kennengelernt der so extrem von Abneigung in ansteckende Begeisterung umschlagen konnte? Es wollte ihm spontan niemand einfallen.
Gleichzeitig fragte sich Emma, wann sie das letzte Mal etwas so genossen hatte wie diese kurze Fahrt auf dieser schwarzen Höllenmaschine. Sie kannte keine Antwort.
Und sie konnte auch nicht ahnen, dass sich genau dieselbe Frage vor mehr als dreissig Jahren schon eine andere gestellt hatte…