Strang 2 / Kapitel 11
Der See lag etwas oberhalb des Hofes in einer Mulde, die die Natur genau dafür geschaffen zu haben schien. Rundherum fanden sich einige wenige Bäume und darüber wölbte sich mitternachtsblau der Himmel, über und über mit funkelnden Sternen bespickt.
Pünktlich um zwölf Uhr nachts fand sich Sandrine beim Alpsee ein.
Aber sie traf niemanden an.
Etwas verwundert entschloss sie sich zu warten. Anfangs ging sie auf und ab, dann setzte sie sich auf einen Stein und liess den Blick über den See gleiten und über die Natur in die er eingebettet war.
Nach einer Weile fröstelte sie. Warum kam niemand?
Das passte nicht zu ihm. War etwas geschehen? Kaum.
Er kannte den Weg in- und auswendig. Schliesslich waren die Jungs oft hier. Eine tiefe Enttäuschung begann sich breit zu machen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Vielleicht hatte man sich einen Scherz auf ihre Kosten erlaubt. Einen wirklich schlechten Scherz. Aber warum nur? Womit hatte sie das verdient?
Sie war so tief in ihre Gedanken versunken, dass sie das Rascheln hinter sich beinahe überhört hätte.
Sandrine horchte auf.
„Entschuldige.“
Sie sah sich nicht um. Das musste sie nicht. Sie kannte seine warme Stimme.
Zögernd trat er näher. „Dddu fragst dich sicher, wwwas das hier soll?“
„Nun, ich hatte gehofft, ich wüsste es.“ Ihre Worte klangen enttäuscht – was ihn mehr traf, als er geahnt hatte.
„Aber es war doch seine Schrift auf dem Brief, oder? Warum kommt er dann nicht?“ Als sie sich umdrehte und ihn offen ansah, schimmerten Tränen in ihren Augen.
Es brach ihm das Herz. Sollte er die Wahrheit sagen? Und sich das Messer selbst noch tiefer in die Brust rammen? Nein. Er würde damit leben müssen, dass ihr Herz nicht ihm gehörte. Und sie musste nie davon erfahren, wer die Notiz wirklich verfasst hatte.
„Dddu kennst ihn doch. Er hat auf den letzten Mmmetern den Mut verloren.“
„Und du hast seinen angefangenen Weg beendet?“
„Uuum dich zu holen, damit du nicht noch lllänger hier draussen sssitzen musst und vergggeblich wartest.“ Antonius reichte ihr seine Hand und half ihr aufzustehen. Dann legte er behutsam den Arm um ihre Schultern.
Der Geruch ihrer Haare brachte ihn schier um den Verstand.
Bereitwillig liess sie sich auf die schützende Geste ein. „Du bist ein guter Mann und mir ein wirklich guter Freund. Ich danke dir.“
Dieser dankbare Blick aus den traurigen blauen Augen würde er niemals vergessen.
Und ihre Worte, die sein Innerstes versengten wie es nur Gift konnte, ebensowenig.
Erst auf dem Hof unterbrach er den Körperkontakt. Sie hauchte ihm wortlos einen Kuss auf die Wange, drückte noch einmal fest seine Hand in warmer Dankbarkeit und huschte dann ins Haus. Während er alleine draussen zurückblieb.
Vorbei an den Zimmern, hinter derer geschlossener Türen die Schlafgeräusche der Bewohner zu vernehmen waren, schlich sie zum Treppenaufgang, der in ihre Kammer führte. Den Fuss bereits auf der ersten Treppenstufe abgesetzt, stoppte sie in ihrer Vorwärtsbewegung. Hin und her gerissen zwischen weitergehen und umkehren blieb sie stehen. Es war mucksmäuschenstill. Für eine Weile hörte sie nur ihren eigenen Atem. Das silberne Mondlicht, das durch die dicken Vorhänge des einzigen Fensters am anderen Ende drang, tauchte den Gang in ein düsteres Zwielicht.
Und jetzt, während sie mutterseelenalleine in der dunklen Stille stand, überkam sie ein seltsames Gefühl.
Plötzlich knackte es hinter ihr. Der Schreck durchfuhr schlagartig jede Faser ihres Körpers. Das Herz polterte ihr gegen die Rippen und der Atem beschleunigte sich. Sie fuhr herum. Aber da war nichts.
Das Haus. Es war nur das alte, hölzerne Gebälk.
Aber nein. Da! Da war es wieder! Und stand da nicht jemand? Oder war es nur der Schatten des grossen Bauernschranks?
Was es auch war, es war zu viel. Sie rannte los. Aber nicht die Treppe hinauf in ihre Kammer. Sie rannte auf ein anderes Zimmer zu, das hinter dem Treppenaufgang lag. Ohne weiter darüber nachzudenken öffnete sie die Tür, schlüpfte aus dem Gang in den Raum.
Da knackte es wieder. Im Mondlicht blitzt kurz ein helles Augenpaar auf. Dann war der Schatten weg und die Stille kehrte zurück.
Erst als Sandrine die Tür leise und vorsichtig hinter sich verriegelt hatte, gewahrte sie, was sie gerade im Begriff war zu tun. Mit dieser Erkenntnis kehrte auch das rasende Herzklopfen zurück.
Auch in diesem Raum war das holzgerahmte Fenster nur mit einem schweren Vorhang bedeckt. So war das fahle Mondlicht nicht vollkommen ausgeschlossen.
Sandrines Augen hatten sich längst an die Lichtverhältnisse gewöhnt. Sie erkannte die Umrisse des massiven Schranks links vor ihr, des einfachen Tisches aus Tannenholz etwas weiter hinten im Raum auf der rechten Seite, und vor allem diejenigen des Bettes, das mit dem Kopfteil unter dem Fenster, gegenüber vom Tisch platziert war.
Auf Zehenspitzen schlich sie sich an den Möbeln vorbei auf das Bett zu. Dort setzte sie sich auf die Bettkante und sah auf den Mann hinunter, dessen Gesichtszüge im Schlaf vollkommen entspannt waren. Vorsichtig hob sie ihre leicht zitternde Hand und strich federleicht über seine Wange. Sie wagte kaum, ihn zu berühren. Als er sich nicht rührte, wurde sie mutiger. Einem inneren Drang nachgebend, beugte sie sich nach vorne. Das lange Haar, das ihr ins Gesicht fiel, strich sie sich rasch hinter ihr Ohr.
Erst hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange, die sie zuvor berührt hatte. Ohne zurückzuweichen öffnete sie die Augen und wartete eine Reaktion ab. Als nichts kam, schloss sie sie wieder. Mit einer Berührung, leicht wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, liess sie ihre Nasenspitze über seine Haut gleiten. Über die Wange, wo der leichte Kuss noch ruhte, zu seinen Nasenflügeln.
Sie sog das Gefühl jeder Berührung in sich auf. Sein erdiger Geruch weckte ein nie gekanntes Verlangen.
Bemüht, ihre Nervosität zu unterdrücken, schlug sie erneut die Augen auf und sah auf seine geschlossenen Lider, während sie ihren Mund langsam auf den seinen senkte. Auch dieser Kuss war nicht mehr als eine laue Sommerbrise. Aber diesmal verfehlte er die Wirkung nicht.
Gregor stöhnte leise auf. Dann legte sich seine Stirn in Falten. Er schloss seine Augen mehrfach fest, bevor er sie schliesslich öffnete. Er sah Sandrine, realisierte es anfangs aber nicht.
Dann kam die Erkenntnis. Sofort zuckte er leicht zurück. Er wirkte verwirrt und orientierungslos.
„Sandrine?“ Verschlafen, mit belegter Stimme und nach wie vor schweren Lidern murmelte er ihren Namen. „Stimmt etwas nicht?“
„So war es. Aber jetzt ist alles in Ordnung.“
Er verstand nicht. „Aber was…“
Jetzt oder nie.
„Ssscht.“ Sie legte ihm den Finger auf den Mund. Gepackt vom Mut der Verzweifelten strich sie mit dem Finger über seine Unterlippe und umschloss sie dann mit ihrem Mund zu einem alles entscheidenden Kuss.
Er wusste nicht, wie ihm geschah. Und er wusste nicht, wie er reagieren sollte.
Das änderte alles. Aber nachdenken war in dieser Situation unmöglich. Ihre weiche Berührung, ihr warmer Körper, ihr heisser Mund. Er musste sie haben. Er wollte sie haben. Schon so lange. Und jetzt konnte er sie haben. Endlich.
Seine Arme umschlossen ihren schmalen Körper, der unter dieser besitzergreifenden Geste wohlig erzitterte. Es war diese Vibration, die ihn wie ein Blitzschlag durchfuhr. Jetzt gab es kein Halten mehr.
Gierig zog er sie fest in seine Arme. Sein Mund ergriff Besitz von dem Ihrigen. Seine Hände glitten in ihr Haar und krallten sich dort fest. Dann zog er ihren Kopf zurück, um sie ansehen zu können. Ihr Blick war verklärt, als sie die Augen öffnete und gleich darauf ängstlich.
Aus ihrem Ausdruck war deutlich die Befürchtung einer Zurückweisung zu lesen.
Er musterte ihr Gesicht. Er wollte ihre Zweifel wegwischen. Er würde sie nicht wegstossen. Schliesslich formte er das entscheidende Wort nur mit den Lippen: „Niemals.“
Mit der freien Hand strich er ihr die blonden Strähnen aus dem Gesicht. Er erhob sich leicht, reckte ihr den Kopf entgegen und eroberte sich ihren Mund zurück. Die Muskeln seines kräftigen Oberkörpers spannten sich. Die Bettdecke rutschte immer weiter hinunter und legte seine blosse Brust frei. Erst als Sandrine in ihrem Begehren ihn zu fühlen über seine Schulter fuhr, bemerkte sie, dass sein Oberkörper nackt war.
Davon wollte sie mehr. Viel mehr.
Ihre Hände glitten gierig über seinen Körper, angestachelt von seinen heissen Lippen. Und von seiner Zunge, die in einem leidenschaftlichen Tanz ihresgleichen suchte.
Wohingegen er nicht nur mehr wollte. Er wollte alles. Seine rauen, schwieligen Hände tasteten über den Stoff ihrer Kleidung und wanderten immer tiefer, bis zu ihrem Rock. Flink krempelte er ihn hoch und strich mit dem Finger an der Innenseite ihres Oberschenkels entlang. Ein rauer Seufzer entglitt ihrer Kehle. Sie löste sich von seinen Lippen und aus seiner Umarmung, setzte sich aufrecht hin und begann langsam ihre Bluse aufzuschnüren. Dabei liess sie ihn keine Sekunde aus den Augen. Sie zog die Bluse über ihren Kopf und zauberte einen samtweissschimmernden Körper zum Vorschein. Ohne sich von der Stelle zu rühren hob er seine Hand und strich ihr beinahe ehrfürchtig über die kleinen Rundungen ihres weiblichen Bauches. Erneut ging ein kleines Beben durch ihren Körper.
Schliesslich erhob sie sich ganz und entledigte sich auch von den restlichen Barrieren, die seine Hände von ihrer Haut fernhielten. Dann zog sie die Bettdecke zurück. Behutsam setzte sie sich rittlings auf ihn und nahm ihn in sich auf. Ein tiefes Stöhnen entfuhr seiner Kehle und er schloss kurz seine Augen, als sie sich langsam und etwas unbeholfen zu bewegen begann. Die anfängliche Unsicherheit schwand aber schnell und mit der sich steigernden Lust gewann der Instinkt die Oberhand.
Gregor streckte zögerlich die Hände nach ihren weissen Brüsten aus. Die Augen verschleiert vor Verlangen, sah er dennoch erst fragend zu Sandrine hoch. Sie erteilte ihm die Erlaubnis, indem sie seine Hände ergriff und an ihren Körper führte. Er umschloss ihre Brüste und liebkoste sie mit Streicheleinheiten. Sandrine konnte nicht mehr an sich halten. Mit einem lustvollen Seufzer rollte sie den Kopf in den Nacken und liess es geschehen.
Sie bot ihm ihren ganzen Körper schutzlos an. Er richtete sich auf, holte sie in eine schützende Umarmung und führte seine zärtlichen Liebkosungen mit seinem Mund und seiner Zunge fort.
Am liebsten hätte sie laut aufgeschrien, als die mächtige Explosion ihren Körper zerriss.
Und ihm ging es nicht anders.