Vatikan, Camposanto Teutonico
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Siegfried Kardinal Voigt hatte sein letztes Gebet beendet. Nun standen sie stumm zwischen Palmen und üppig blühenden Büschen und hielten den Kopf gesenkt: Alicia, deren Gesicht von einem schwarzen Schleier verdeckt war und die sich bei Varotto eingehakt hatte, Seine Heiligkeit, Papst Alexander IX., mit geschlossenen Augen in ein stummes Gebet versunken, Barberi, Tissone und Oberst Mähler. Alle betrachteten sie die graue Steinplatte, die das Grab zierte. Der Text darauf war kurz:
Matthias
* 1958
† 2005
im Dienste der Heiligen Mutter Kirche
Das Recht, auf dem deutschen Friedhof beerdigt zu werden, hatten eigentlich nur Mitglieder der Erzbruderschaft sowie einige religiöse Gemeinschaften deutschen Ursprungs. Papst Alexander IX. selbst aber hatte dafür gesorgt, dass der Tote dort seine letzte Ruhe fand.
Gemeinsam verließen sie Minuten später den Friedhof, der wie ein tropischer Garten anmutete. Als sie vor dem schmiedeeisernen Tor standen, den gewaltigen Petersdom direkt vor sich, blieben sie stehen.
»Ich danke Ihnen nochmals, Eure Heiligkeit, dass das Grab hier im Campo Santo liegt«, sagte Varotto.
Der Papst nickte. »Bruder Matthias hat sehr viel für die Kirche getan. Das war das Mindeste.« Damit wandte er sich ab, begleitet von seinem Sekretär, der sich etwas abseits gehalten hatte.
Kardinal Voigt wandte sich an Varotto. »Ich habe die Geschichte von den Männern in diesem Castello gehört, Commissario. Unfassbar!«
Varotto nickte. »Ja, auch das haben wir Matthias zu verdanken. Er hat sich nicht nur trotz seiner schweren Verletzung daran erinnert, dass der Kellerraum in diesem Castello so unglaublich sauber war und dass es dort nach frischer Farbe gerochen hat, sondern er hat auch noch die Verbindung herstellen können zu der letzten Kreuzwegstation: Jesus wird ins Grab gelegt. Maggiore Gaetani hat mit seiner Truppe die Mauer gerade noch rechtzeitig aufgebrochen, bevor die Männer dort erstickt sind. Sie haben nur so lange überlebt, weil der schalldicht isolierte Raum ziemlich groß ist. Sie werden im Krankenhaus behandelt, aber keiner von ihnen ist ernsthaft verletzt. In den nächsten Wochen werden sie mit ihren Eltern zusammengebracht. Aber es wird sehr lange dauern, bis sie ein halbwegs normales Leben führen können.«
Der Kardinal nickte und reichte erst Alicia und dann dem Commissario die Hand. »Ich danke Ihnen für alles.«
Damit wandte auch er sich ab und ging.
Varotto sah sich nach Barberi um. Der stand einige Schritte hinter ihnen mit dem Oberst der Schweizergarde zusammen.
»Wollen wir gehen?«, fragte Alicia.
Varotto nahm sie in den Arm und nickte. »Ja, lass uns nach Hause gehen.«