12 Uhr 10. Rom. Via Appia Nuova
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Wütend warf Matthias das Handy auf die Mittelkonsole. Nach zwei vergeblichen Versuchen, Bertoni zu erreichen, hatte er es, einem spontanen Gedanken folgend, mit der Nummer des Kardinals versucht, was natürlich ebenso erfolglos geblieben war. Daraufhin hatte er es ausgeschaltet, damit Varotto keine Möglichkeit hatte, ihn anzurufen und eine Erklärung zu verlangen.
Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit raste er zurück nach Rom. Alle ein bis zwei Minuten blickte er auf das Display des Radios. 45 Minuten hatte Voigt gesagt. Wenn nichts Unvorhergesehenes geschah, würde er das schaffen.
Voigt. Welchen Grund konnte ein Mann wie Siegfried Voigt haben, diese fürchterlichen Verbrechen zu begehen? Die Gier nach Macht konnte es kaum sein. Voigt war als Präfekt der Glaubenskongregation längst einer der wichtigsten und auch mächtigsten Männer der Römischen Kurie. Weder diese Morde noch die Entführung des Heiligen Vaters konnten dazu dienen, mehr Macht zu bekommen. Oder war es vielleicht schlicht und ergreifend Geld, hinter dem Voigt her war? Die finanziellen Mittel der katholischen Kirche waren so unermesslich, dass ein Erpresser praktisch jede Summe fordern konnte. Warum aber hatte Voigt dann keinerlei Forderungen gestellt außer der, dass er, Matthias, alleine nach Rom zurückkommen soll? Und warum hatte er bei der Frage nach den noch lebenden jungen Männern so lange gezögert und offensichtlich für mehrere Sekunden den Hörer zugehalten? Hatte Voigt seine Antwort darauf von jemandem erhalten, der bei ihm gewesen war? Warum aber hatte er selbst keine Ahnung, wo die Männern waren? Wenn Voigt tatsächlich zu den Verbrechern gehörte, konnte Matthias ihn sich in keiner anderen Rolle als in der des Oberhaupts der Bande vorstellen. Doch ein Anführer, der nicht wusste, was mit den Männern war, die eine Hauptrolle in seiner makabren Inszenierung spielten? Wie so oft in den letzten Tagen musste Matthias feststellen, dass das alles einfach keinen Sinn ergeben wollte. Was, wenn der Kardinal zu dem Anruf gezwungen worden war? Wenn er nicht Täter, sondern ebenfalls Opfer war? Wenn doch dieser Niccolò Gatto hinter allem steckte? Matthias suchte nach weiteren Argumenten für diese Theorie, als ihm der Mordanschlag auf ihn einfiel. Der Anrufer, der ihn in die Parkanlage gelockt hatte, hatte seinen wirklichen Namen gekannt und über seine Vergangenheit und sogar über seine Familie Bescheid gewusst. Es gab nur ganz wenige Menschen, die diese Fakten kennen konnten. Einer dieser wenigen war Siegfried Kardinal Voigt.