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Die Stadt schien sich wie eine gewaltige, riesenhafte Struktur aus Rohren, Flächen, Mauern, Rampen, Luken, Winkeln, Durchgängen, Gittern, Plattformen, Pfeilern, Türmen und Übergängen um sie herum auszubreiten. Ein Moloch aus Beton und Stahl, ein Gewebe, das sich immer weiter verzweigte, das wuchs und wucherte, in dem sie herumirrte.
Ein Wesen beinahe, das sie nur deshalb nicht als solches wahrnahm, weil sie zu sehr darin gefangen war. Ein Wesen, dessen Bewegungen bewirkten, dass sie immer tiefer in es hineinrutschte, sich immer unentwirrbarer in seiner Umklammerung verstrickte.
Die Stadt.
Mia schleppte sich weiter.
Die Nacht war vorangeschritten. Der Verkehr schien schneller geworden zu sein. Wenn ein Auto über die breite Durchgangsstraße brauste, an der sie entlangschritt, wirkte es wie ein Geschoss, das die Luft zerteilte.
Ich muss mich beeilen, muss mich stellen. Ich darf keine Zeit vergeuden …
Aber sie durfte sich nicht mit leeren Händen stellen. Man würde ihr niemals glauben. Sie musste beweisen können, dass sie in einem Labyrinth gefangen gehalten worden war. Aber wo war es, das Innenhaus, das Labyrinth, der Trichter, in den man sie gelockt hatte?
Ein Taxi schoss an ihr vorbei. Die Häuserwand, die sich eben noch neben ihr befunden hatte, schien zurückzuweichen, der Bürgersteig immer breiter zu werden. Vor ihr sank die Straße in eine Unterführung hinab, eine Kreuzung von mindestens hundert Metern Durchmesser. Quer über die Unterführung hinweg bretterten vereinzelte Fahrzeuge in beide Richtungen, die Ampeln blinkten orange.
Ich muss mich beeilen, flüsterte Mia sich zu. Ich darf keine Zeit mehr verlieren.
Doch je mehr sie sich bemühte, die Kreuzung zu erreichen, desto deutlicher wurden die gigantischen Dimensionen der zwölf-, sechzehnspurigen Straße, die sie zu überqueren hatte. Wie riesig die Stadt war, in der sie suchen musste.