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Der ganze Bau war erfüllt vom Summen, Brummen und Knistern der Party. Die Unruhe schien ihre Fühler bis zu Mias Bett auszustrecken, an der Decke zu zupfen, von unten gegen die Matratze zu trommeln.
»Es wird niemals wieder so werden wie früher«, sagte Vera und stützte sich mit beiden Händen rechts und links von Mias Kopf auf. »Das muss dir klar sein. Ich kann dich mitnehmen, aber das musst du wissen.«
Mia sah in Veras Augen, unendlich erleichtert, dass sie zurückgekommen war. Schritte hallten vom Flur her. Das helle Klackern von Absätzen.
»Willst du das?« Vera schaute sie an.
»Ich will weg von hier«, flüsterte Mia.
Vera schwieg. Auf der anderen Seite der Wand, an der Mias Bett stand, schien sich etwas Weiches gegen den Putz zu wälzen.
»Okay«, sagte Vera, »dann machen wir das.«
Mia hatte den Eindruck, ihre Arme würden sich aus einem schweren Schlamm befreien, in dem sie seit Wochen gefangen waren. Sie flogen von der Bettdecke hoch und Vera um den Hals. Vera ließ sich von Mia auf die Decke drücken, an sich pressen.
»Gehen wir gleich, heute, jetzt«, hauchte Mia in Veras Ohr, ihr Atem flog. »Ich will mich nur noch von Dunja verabschieden.« Sie ließ Vera los, rutschte mit dem Oberkörper etwas nach oben. »Dann können wir los.«
Vera hatte sich wieder aufgerichtet, ihre Augen schimmerten.
»Was?« Mias Mund wurde trocken.
»Ich weiß nicht …«
»Das geht ganz schnell.«
»Dunja …«
»Was ist mit ihr?«
»Ich …«
»Ja?«
»Ich glaube, sie hat heute keine Zeit für dich.«
Mia wollte etwas sagen, aber es kam nur ein Keuchen über ihre Lippen. Sie sah ihn vor sich. Den Trichter. Von dort kamen die Geräusche her. Es war im Gange, die Orgie lief, jetzt, in diesem Moment.
»Sie sollte heute in die Klinik und war auch einverstanden.«
Es traf Mia wie ein Rammbock in die Magengrube.
Vera berührte ihren Arm. »Sie will es so, Mia … du kannst nichts für sie tun.«
Mia hatte die Beine angezogen, den Kopf auf die Knie gestützt. Sie spürte, wie ihre Schultern zitterten.
Draußen setzte sich das dumpfe Dröhnen fort. Irgendetwas raschelte über den Gang, wie ein Wesen mit zu vielen Beinen. Mia riss den Kopf hoch, der Schweiß rann ihr den Rücken hinab. »Wir müssen sie mitnehmen, wir müssen Dunja mitnehmen!«
Vera schaute sie lange an. »Das geht nicht.«
Mia sah Dunja vor sich, wie sie unten, in den Tiefen des Trichters, gehandhabt wurde. Ihr entrücktes Gesicht.
»Dunja.«