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Ben lag mit dem Rücken auf dem Bett, starrte an die Decke. Das Gezwitscher der Vögel war verstummt, es musste Nacht geworden sein. Er schätzte, dass er bereits seit acht oder neun Stunden in der Kammer war.

Sie war der Schlüssel zu dem Mordfall, der ihn seit Wochen beschäftigte, davon war er überzeugt. Die Kammer! So gut war sie verborgen, dass die Spurensicherung bei der Untersuchung des Tatorts nicht darauf gestoßen war.

Götz war nicht der Täter. Der Täter musste sich in dieser Kammer verborgen haben.

Und genau deshalb hatte Götz auch immer geschwiegen. Nicht, weil er nicht wusste, dass der Täter sich hier aufgehalten hatte – sondern weil er hier jemanden eingesperrt hatte. Und weil er um jeden Preis wollte, dass es unentdeckt blieb!

Götz konnte darauf setzen, dass man ihn nicht verurteilen konnte – weil er zur Tatzeit tatsächlich nicht am Tatort gewesen war. Erst hatte er gehofft, Lillian würde ihm ein Alibi geben, als er schließlich doch eines brauchte. Und als sich das zerschlagen hatte, hatte er Glück. Sophie hatte es Ben vorhin gesagt: Götz war auf Überwachungsvideos zu sehen, die belegten, dass er sich zur Tatzeit am anderen Ende der Stadt aufgehalten hatte. Während sich in seinem Haus die Tragödie vollzog.

Ben rollte sich auf dem Bett zusammen. Es war nicht wirklich kalt, die Daunendecke war sauber und dick, und doch fröstelte ihn. Wahrscheinlich lag es an den Brandwunden. Sein Kopf fühlte sich heiß an, aber der Schweiß, der seinen Körper bedeckte, war kalt und feucht.

Und jetzt? Wenn Götz so weit gegangen war, die Existenz der Kammer auch dann noch zu verschweigen, als er wegen Totschlags angeklagt wurde, wie weit würde er noch gehen, um zu verheimlichen, dass es sie gab? Jetzt, wo er, Ben, sich darin befand und zu einem Zeugen geworden war, der das Geheimnis kannte? Das Geheimnis, das Götz um jeden Preis wahren wollte!

Bens Blick wanderte durch den kleinen Raum, über den Spiegel, das mit einem Blumenmuster verzierte Bettzeug, das Tischchen in der Ecke. Dies war nicht die Zelle eines Mannes, es war das Zimmer einer Frau. Warum war sie hier gewesen? Warum durfte niemand von ihr wissen?

Und plötzlich sah er klar. Sie würden ihn töten. Sie würden hereinkommen, wenn er schlief, ihn töten, ersticken vielleicht oder erstechen. Am besten so, dass es aussah, als hätte er es selbst getan. Seine Leiche würden sie irgendwohin werfen. Zusammen mit dem blutigen T-Shirt des Mädchens, das sich noch immer in der Tasche seines Mantels befinden musste, den er abgelegt hatte, als er zu Sophie in das Haus geflüchtet war. Gesucht wurde er bereits. Wenn man seine Leiche mit dem Beweisstück fand, würde der Fall endlich gelöst erscheinen. Und Götz sein Geheimnis niemals preisgeben müssen.

Der Architekt
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