10_Ryan

Keine Lohntüte fühlt sich besser an als die erste. Vor allem, wenn man einen Zehner extra bekommt, weil man die Kunden im Laden bei Laune gehalten hat. Pete war beeindruckt, wie geduldig ich mit den älteren Kunden umging und wie viel Geld dadurch in seiner Kasse landete. Ich versuchte, ihm zu erklären, dass es mir nicht schwerfiel, über diesen ganzen Hausbootkram zu sprechen – das war schließlich auch Mums Thema. Doch er unterbrach mich lachend und sagte mir, ich solle mich den Rest des Tages irgendwo amüsieren.

Ich radelte ins Stadtzentrum und ging in einen Kunstgewerbeladen mit bimmelndem Türvorhang aus Metallglöckchen. Einige von Mums Schmuckstücken wurden auf der Theke in einem verschlossenen Glaskasten zum Verkauf angeboten. Zwei Frauen beugten sich darüber und betrachteten die Sachen. »Oh, Sandra, die sind ja wundervoll. Hast du die neu reinbekommen?«

»Ja, ich bin auch ziemlich begeistert davon. Ausgezeichnete Qualität, alles handgefertigt und hier aus der Gegend«, erwiderte die Frau hinter der Ladentheke. Als sie mich bemerkte, blickte sie kurz auf. »Kann ich dir helfen?«

»Ich suche ein Geschenk«, sagte ich. »Haben Sie Räucherstäbchenhalter?«

Sie lächelte wie ein Wachmann, der dich im Auge hat, und deutete auf ein Regal hinten im Laden. »Wir haben auch eine große Auswahl an parfümierten Räucherstäbchen«, fügte sie hinzu, es hörte sich an wie in einer Werbesendung.

Die einfachen Metalldinger interessierten mich nicht – zu langweilig –, und ich wühlte so lange herum, bis ich einen bemalten fand, der Mum gefallen würde. Ihr alter war vor ein paar Monaten kaputtgegangen und seitdem steckte sie ihre Räucherstäbchen in einen Klumpen Knete. Ich nahm noch zwei Päckchen Räucherstäbchen dazu.

»Können Sie mir das als Geschenk einpacken?«, fragte ich die Verkäuferin, als ich bezahlte.

»Ja, das macht ein Pfund extra, wenn du Kräuselband und handgeschöpftes Papier möchtest.«

»In Ordnung.« Es würde teurer werden, wenn ich das Zeug selber kaufte, und wahrscheinlich würde ich das mit dem Verpacken nicht besonders gut hinkriegen.

»Verkaufen die sich gut?« Ich zeigte auf den Kasten mit Mums Schmuck, während sie das silberne Geschenkbändchen mit einer Schere kräuselte. Woher wussten Frauen, wie man so was machte? Ich hätte mir bestimmt schon beim Versuch einen Finger abgeschnitten.

Sie warf mir einen verwirrten Blick zu. »Ja.«

»Meine Mum hat sie gemacht.«

Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, sie lächelte. »Ah, du bist Karens Sohn! Sie hat mir von dir erzählt. Du arbeitest am Jachthafen, oder?«

»Ja, ich habe gerade Feierabend.«

»Ist das hier für deine Mutter?«

»Ja, ich wollte ihr irgendetwas von meinem ersten Wochenlohn kaufen.«

Ihr Gesicht bekam den gleichen weichen Ausdruck, wie ihn die alten Damen auf der Bootswerft hatten, wenn ich ihnen behilflich war. »Dann berechne ich dir nichts fürs Einpacken.« Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern und deutete mit einem Kopfnicken zu den beiden Frauen hinüber, die sich jetzt in einer Ecke des Ladens ein paar paillettenbesetzte Kissen anschauten. »Jede von ihnen hat gerade fünfzig Pfund für die Sachen deiner Mutter ausgegeben. Das ist ein gutes Geschäft für uns beide. Sag ihr, sie soll am Montag mehr vorbeibringen, wenn sie noch etwas hat.«

Ich konnte es kaum abwarten, Mums Gesicht zu sehen, wenn ich mit dem Geschenk und den guten Nachrichten zurückkam, und raste wie verrückt nach Strenton. Am Fuß des Hügels, der zum Dorf hinaufführte, zog ich mein T-Shirt aus. Der Sommer schien dieses Jahr nicht enden zu wollen, und die Nachmittagssonne brannte auf meine Schultern, als ich bergauf strampelte. Ich stellte mich auf die Pedale, um besser voranzukommen. Strenton kam in Sicht und ich trat noch fester. Ich jagte über den höchsten Punkt des Hügels und schoss dann die enge Straße entlang, die bis zu der Stelle führte, wo der Kanal von der Brücke unterbrochen wurde.

Ich sah, wie sich an einer Hecke auf dem Feld links von mir etwas bewegte.

Was zum …?

Mist!

Etwas Rotbraunes rannte mir vors Vorderrad.

Blitzschnell riss ich den Lenker rum und bremste so abrupt, dass die Reifen blockierten und auf dem Asphalt quietschten. Ich segelte über die Lenkstange.

Das Fahrrad schlitterte zur Seite, und ich flog weiter nach vorn, landete mit der Seite auf dem Boden und schrie vor Schmerz, als meine nackte Haut den Asphalt berührte.

Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe
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