Als Zwei Menschen das Beil von hinten heranschwirren hört, legt er sich voll ins Zeug. Dennoch bleiben seine Gedanken seltsam klar. Er denkt: Aus dem Kanu, in dem ich sitze, könnte man kein großes Beil werfen. Das Kanu würde einfach umkippen. Im Gegensatz zu dem Dakota[32]-Kriegsboot, das ihn verfolgt.
Das Kriegsboot, in dem sechs Dakota-Gesichtsfresser kräftig paddeln, besteht aus dem Stamm einer riesigen Rotkiefer. Eine große Gruppe von Leuten muss monatelang daran gearbeitet haben, ihn auszuhöhlen – Zwei Menschen hat diese Arbeit selbst schon verrichtet, aber zum Glück in letzter Zeit nicht mehr. Indessen ist das Kanu, das Zwei Menschen probefährt, so leicht und kippelig, dass es bei jedem Paddelzug seine Nase tief ins Wasser gräbt und dann bebend wieder auftaucht. Auch davon wird er Listiger Waschbär berichten. Natürlich nur, wenn Zwei Menschen die nächsten Minuten überlebt.
Das Beil, das waagerecht durch die Luft sichelt – Warum?, fragt er sich. Bloß um mir zu zeigen, dass euer verdammtes Riesenkanu so gut im Wasser liegt, dass man daraus Sachen seitwärts wegschleudern kann? –, fliegt links an Zwei Menschens geducktem Kopf vorbei und schlägt auf dem Wasser auf. Ein kurzer Hüpfer, dann geht es unter. Und schon ist Zwei Menschen an der Stelle vorbei, an der es versunken ist. Immerhin gleitet Listiger Waschbärs neues tragbares Einmann-Rindenkanu geschmeidig dahin.
Zum Kuckuck mit Listiger Waschbär, und sei es auch nur, weil er dem Häuptling verraten hat, dass Zwei Menschen sich die Waldhühner unter den Nagel gerissen hat. Denn dass er gewissermaßen die Todesstrafe erhalten hat und bloß wegen ein paar geklauten Hühnern Listiger Waschbärs neues Boot ausprobieren muss, ist doch lächerlich. Zwei Menschen hat drei von den Töchtern des Häuptlings und zwei seiner Frauen gevögelt. Aber was soll’s.
Oder vielleicht sind ja die Töchter und Frauen der wahre Grund. Als plötzlich ein Schatten über sein Gesicht streicht und der Kopf eines senkrecht geworfenen Beils direkt vor ihm den Boden des Kanus durchschlägt, zuckt Zwei Menschen zusammen.
Das könnte ein Problem werden, Listiger Waschbär.
Das Kanu schlägt sofort leck, aber nicht so schlimm, wie Zwei Menschen befürchtet hat. Aber vielleicht hat er auch vom Wasser abgehoben, und seine rackernden Arme haben das Paddel in einen Flügel verwandelt.
Das Kanu schrammt über einen Felsen. Jetzt geht’s zur Sache: Er hätte nicht gedacht, dass er schon so nah am Ufer war. Er springt heraus, hebt die Bootsspitze hoch, wie Listiger Waschbär es ihm gezeigt hat, und rollt das ganze Kanu herum, damit er sich darunter ducken und losrennen kann.
Als er sich noch mal umdreht, sieht er kurz das Antlitz des Todes. Das Dakota-Kriegsboot dreht sich seitwärts, damit alle rausspringen und Zwei Menschen an Land verfolgen oder ihn sofort mit Wurfgeschossen eindecken können.
Zwei Menschen denkt, dass er das bestimmt gleich herausfinden wird, und ruft sich noch mal ins Gedächtnis, dass das Gefühl, von hinten durch das Kanu geschützt zu sein, reine Einbildung ist. Er streckt das Boot hoch über den Kopf, steigt aus dem Wasser und tänzelt ein paar Felsen rauf, um den Wald zwischen dem Ill Star Lake und dem Lake Waste-of-Time[33] zu erreichen, was ihm mühelos gelingt. Denn jetzt ist das Kanu wirklich in der Luft – und es wiegt so gut wie gar nichts.
Aber er kann nicht besonders viel sehen, und sollte er mit der Kanuspitze an einem Zweig hängenbleiben oder sie in den Boden rammen, heißt es Gesicht, leb wohl. Er kann fast nur das Unterholz vor seinen Füßen sehen, das sich bei jedem seiner Schritte in ein Gewirr aus aufgeschreckten Tieren verwandelt. Zwei Menschen hat im ganzen Leben noch nie solchen Lärm gemacht. Allein an Säugetieren erkennt er einen Fischermarder, eine Schwalbe, einen Hermelin und einen Vielfraß.
Ein Beil prallt gegen seine rechte Körperseite, trifft ihn aber nicht mit der Schneide, so dass er strauchelt, aber nicht stürzt. Offenbar sind ihm die Dakota an Land gefolgt.
Doch zwischen den Zweigen hindurch kann er wieder Wasser sehen.
Dann ist er also am Lake Waste-of-Time angelangt. Sein erster Impuls ist, das Kanu aufs Wasser zu werfen, und wissen Sie was? Genau das tut er. Es landet mehr oder minder aufrecht, stabilisiert sich aber schnell, als durch den Spalt am Boden wieder Wasser eindringt.
Zwei Menschen läuft platschend zu dem treibenden Boot und hält sich beim Einsteigen an die von Listiger Waschbär empfohlene Methode, denn er kann sich nicht leisten, irgendwas zu vermasseln: Hände links und rechts auf den Bootsrand, den ersten Fuß mitten hinein, den anderen nachziehen. Jetzt kann er lospaddeln. Wird auch höchste Zeit, denn er hört die Dakota aus dem Wald hervorbrechen.
Als Zwei Menschen sich umsieht, stellt er fest, dass er kein Paddel mehr hat. Er kann sich nicht erinnern, dass er es weggelegt hat, aber auf dem Weg durch den Wald hatte er es jedenfalls nicht dabei, weil er mit beiden Händen das Kanu tragen musste.
Mist!
Er wirft sich auf den Bauch und paddelt mit den Händen, doch er kann immer nur eine Hand eintauchen. Noch nie ist ihm Wasser so dünn vorgekommen. Das Boot scheint sich im Kreis zu drehen.
Er beginnt, öfter die Seite zu wechseln. Das Ufer verschwindet allmählich aus seinem Blickfeld, und das Wasser wird tief. Trotzdem versteht er nicht, warum die Dakota ihn nicht gefangen und umgebracht haben, bis er sich umdreht und sieht, dass sie immer noch hinten am Ufer stehen.
Das Kanu anstarren und sich in leisem, ernstem Ton unterhalten.
Während Zwei Menschen am anderen Ufer, das die Grenze zwischen dem Land der Dakota und dem der Ojibwe[34] bildet, jetzt seine eigenen Leute sehen kann. Darunter auch Listiger Waschbär, der vor Konzentration die Stirn runzelt und dann wie ein Wolf heult und den Dakota triumphierend den Mittelfinger zeigt.
Genau, denkt Zwei Menschen und wälzt sich im Wasser auf dem Boden seines Kanus erschöpft auf den Rücken.
Ihr könnt mich alle mal.