6 Ford, Minnesota
Immer noch Donnerstag, 13. September
Debbie, falls das wirklich ihr Name ist, stellt die Teller auf den Tisch. Auf meinem liegt ein Hamburger, auf dem von Violet der aufgetaute French Toast. Keinerlei Beilagen.
Kaum zu glauben, wie lebenswichtig einem die Garnitur auf einmal vorkommt.
Doch der Hamburger sieht gut aus. Zumindest wurde das Brötchen getoastet, das ist die halbe Miete. »Womit kann ich sonst noch dienen?«, erkundigt sich Debbie.
»Können Sie uns irgendwas über den White Lake erzählen?«, fragt Violet.
Debbie fährt so schnell aus der Haut, dass ich mir einen Sekundenbruchteil vorkomme wie in einem Werwolffilm.
»Was? WAS, verdammt noch mal?«
»Äh …«, sagt Violet. Wir sind beide fassungslos.
»WAS haben Sie gerade gesagt? Sie kommen hier rein und tun so, als wären Sie Cops, und … was sind Sie überhaupt? Gottverdammte Reporter?«
»Nein«, sagt Violet. »Wir sind Wissenschaftler.«
»Na klar. Und Sie kommen ganz zufällig hier rein, fragen, wer ich bin, und wollen was über das verdammte White Lake Monster …«
Schon halb von meinem Platz aufgestanden, zögere ich. »Haben Sie gesagt …?
»Ich hab gar nichts gesagt. Und schon gar nicht zu Ihnen.«
»Aber …«
»Sie beide verschwinden sofort aus meinem Restaurant. Los.«
»Kann ich bloß …?«
Sie nimmt meinen Teller und schlägt ihn auf dem Tisch in tausend Stücke. »VERSCHWINDEN SIE AUS MEINEM RESTAURANT!«
Als der Hamburger auf den Boden klatscht, habe ich Violet von ihrem Platz gezerrt und vergewissere mich, ob sie keine Handtasche liegengelassen hat. Hat sie nicht: Violet Hurst ist tatsächlich die einzige Frau in Cargohosen, die ihre Taschen benutzt.
An der Tür drehe ich mich noch mal um. »Kann …?«
»Sie suchen ein Ungeheuer? Dann wenden Sie sich an Reggie Trager!«, brüllt Debbie und wirft den anderen Teller nach mir.
Kaum habe ich die Tür zugerissen, knallt der Teller gegen das Sperrholz.
»Herrgott noch mal«, sagt Violet, während wir zu unserem Mietwagen flüchten, einem klotzigen Kombi aus einem Zweigwerk von GM, von dem ich dachte, es habe schon vor fünf Jahren dichtgemacht. »Was sollte das denn?«
»Die Dame kann Wissenschaftler nicht leiden«, sage ich.
»Tatsächlich? Echt schade, der French Toast sah gut aus.«
»Der war tiefgekühlt.«
»Wirklich? So ein Miststück! Woher wissen Sie das?«
»Ich hab gesehen, wie sie ihn aus der Gefriertruhe genommen hat.«
Die Hand auf dem Griff der Beifahrertür, hält Violet inne. »Wollten Sie mir das noch irgendwann sagen?«
»Ich dachte, er schmeckt Ihnen besser, wenn ich es nicht sage.«
»Das ist ein Witz, oder?«
Zum Glück ertönt in diesem Moment hinter dem Restaurant ein Geschepper, das nach umgestoßenen Mülltonnen klingt, und jemand schreit.
Ich lasse die Schlüssel übers Dach zu Violet gleiten. »Starten Sie den Wagen und bleiben Sie hier.«
»Vergessen Sie’s.«
»Bitte. Wenn ich in drei Minuten nicht wieder da bin, verständigen Sie die Polizei.«
Hinterm Restaurant sind ungefähr ein Dutzend Jungen damit beschäftigt, einen anderen Jugendlichen krankenhausreif zu prügeln, doch das ist schwer zu erkennen, weil sie ihn ziemlich dicht umringen und sein Gesicht voller Blut ist. Sie gehen ohne große Kunstfertigkeit, aber voller Begeisterung vor.
Ich schenke den Angreifern keine Beachtung, lasse mich von dem Blut zu dem Jungen ziehen, knie mich vor ihm und schütze ihn. Er ist ohnmächtig, aber er atmet noch. Über einem Auge Fleischwunden, durch die man den Knochen sehen kann. Mehrere nicht so schlimme Wunden im Gesicht und am Kopf. Seine Haut ist seltsam kühl.
Seine Lider beginnen zu flattern. »Nicht bewegen«, sage ich.
Er wälzt sich auf den Rücken. Fasst sich ins Gesicht und sieht das Blut an seiner Hand. »Oh Scheiße!«
So viel zu einer Untersuchung der Halswirbelsäule. Während er abgelenkt ist, hebe ich einen blutigen Eckzahn vom Asphalt auf und stecke ihn in meine Jackentasche. »Halt still. Tut das hier weh?«
»Jaa!«
»Warte, bis ich angefangen hab.«
»Hey!«, ruft jemand. »Mister!«
Ich blicke auf. Obwohl ich den anderen Jungen keine Beachtung geschenkt habe, scheinen sie sich nicht in Luft aufgelöst zu haben.
Es herrscht eine ziemlich große Altersspanne: von dreizehn und kindlich bis etwa siebzehn und zottelig. Alle von unterschiedlicher Art, obwohl sie die gleichen Klamotten tragen: einen riesigen Mantel und ausgebeulte Jeans, beides voller Markennamen, wie man sie in Blade Runner überall in der Innenstadt von Los Angeles sieht. Wenigstens sehen diese Jungen gesünder aus als die meisten Trottel der Born-to-be-wired-Generation, die sich auf Kreuzfahrtschiffen vor ihren Großeltern verdrücken. Als würden sie viel Zeit im Freien verbringen, und sei es nur, um jemanden in den Arsch zu treten.
Andererseits haben viele von ihnen gerade Waffen auf mich gerichtet.
Hauptsächlich Schrotflinten und Jagdgewehre, aber – besonders bei den älter wirkenden Jungen – auch ein paar teuer aussehende Handfeuerwaffen. Der anscheinend Älteste in der Mitte hat eine Colt Commander, die glitzert wie eine Diskokugel.
»Ja, Sie«, sagt er. »Mister Dumpfbacke.«
Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.
Eine größere Gruppe ohne Gewalt im Griff zu haben, ist in der Kampfkunst die schwierigste Aufgabe. Man kann nicht bloß nächtelang auf den Sandsack im Fitnessraum der Offiziere eindreschen und hoffen, dass man nichts verlernt. Man muss Hebelgriffe und Fußwürfe und so weiter trainieren – was ich nicht wirklich von mir behaupten kann. Zumindest nicht in dem Maße, dass ich mir zutraue, zehn dicht gedrängt stehende Leute zu entwaffnen, ohne dass jemand verletzt wird.
Und es ist mir ziemlich wichtig, dass hier niemand verletzt wird. Sagt uns nicht Sensei Dragonfire: »Beherrsche lieber als zu verletzen, verletze lieber als zu verstümmeln, verstümmle lieber als zu töten und töte lieber als getötet zu werden«? Sollte nicht gerade ich mir diese Ermahnung zu Herzen nehmen? Und habe ich mich nicht in diese Auseinandersetzung eingemischt, um einen Jungen davor zu bewahren, dass er verletzt wird?
Ich beschließe, mich rauszumogeln. »Für dich immer noch Doktor Dumpfbacke«, sage ich und stehe mit dem Verletzten im Arm auf.
Der Junge mit der Commander versperrt mir den Weg. »Ich dachte, als Arzt müsste man Grips haben.«
»Das ist ein weitverbreiteter Irrtum.« Ich gehe um ihn herum.
»Das hier geht Sie nichts an«, mault er.
»Jetzt schon.«
Ich bin fast an ihm vorbei – und damit wohl auch an den übrigen Jungen –, als er wieder vor mich tritt und mir diesmal die Pistole links an den Hals drückt.
Das ist eine dumme Idee. Auch mit dem anderen Jungen im Arm könnte ich mit links die Schusshand dieses Schwachkopfs ergreifen und auf die Strecksehnen drücken, während ich ihm mit der anderen Hand – meiner Rechten – aufs Kinn haue. Dann könnte ich ihm meinen rechten Arm, Ellbogen voran, auf den rechten Bizeps und den Muskel-Haut-Nerv stoßen[24] und den Arm ungefähr eine Stunde länger als nötig gefühllos machen, könnte dann den Ellbogen seitwärts drehen und ihn ihm, wenn ich ihn k.o. schlagen wollte, ans Kinn oder, wenn ich ihn umbringen wollte, an die Schläfe rammen.
Wenn ich bereit wäre, den Jungen in meinen Armen fallen zu lassen, könnte ich etwas viel Schlimmeres anrichten – und nicht mal Sensei Dragonfire würde mich deswegen groß zusammenscheißen. Die Waffe auf jemanden zu richten, ist in puncto potentielle Energie so, als würde man ihn zur Dachkante eines sieben Stockwerke hohen Gebäudes schubsen. Wie gesagt: nicht besonders klug.
Doch es ist nicht meine Aufgabe, ihm das klarzumachen. Ich dränge mich wieder an ihm vorbei. Er weicht zurück. Weil ich so knallhart bin.
Und weil Colt Commanders von Hand gespannt werden müssen und mir vor ein paar Minuten aufgefallen ist, dass bei dieser der Hahn nicht zurückgezogen wurde.
Als ich fast an der Hausecke angelangt bin, springt Violet Hurst von der anderen Seite hervor. Sie hält ihr Handy hoch und ruft: »Rührt euch nicht vom Fleck, ihr verdammten Schwanzlutscher! Ich hab die Polizei am Apparat!«
»Sie haben hier draußen Empfang?«, fragt einer der Jungen hinter mir. Er klingt wirklich erstaunt.
Ich höre den Jungen mit der Commander »Scheiße!« sagen, als er auf uns abdrücken will. Dann stoße ich Violet vorwärts, und wir retten uns mit dem Jungen in meinen Armen gerade noch um die Ecke, bevor die Schüsse den Putz zerfetzen und er unsere Rücken bestäubt.
Violet bleibt völlig abgebrüht. Sie ist auf den Füßen geblieben, hat sich umgedreht und rennt schon los. Wir laufen an Debbie vorbei, die vor der Sperrholztür steht und sich mit einer Hand die Augen beschirmt. »Schießt nicht auf das verdammte Restaurant, ihr Arschlöcher!«, brüllt sie den Jungen zu.
»Geben Sie mir die Schlüssel«, sage ich zu Violet.
»Die stecken im Zündschloss.«
Wie gesagt: abgebrüht. Ich werfe den Jungen auf den Rücksitz, starte den Wagen und gebe so viel Gas, dass wir über den Bordstein vor dem Parkplatz brettern und dann auf die Straße schleudern.
Sportlich fahren erinnert mich immer an Adam Locano, der von fünfzehn bis vierundzwanzig mein bester Freund war – das Alter, in dem junge Leute am häufigsten sportlich fahren, es sei denn, sie werden professionelle Rennfahrer oder Vollidioten. Adam und ich entschieden uns schon in unserer Jugend, als wir noch seinen Vater vergötterten, für den Weg des Vollidioten. David Locanos Ratschlag zu Autos lautete, man müsse sie wie Frauen behandeln: sie klauen, sie sich vornehmen, sie sich vom Hals schaffen, wenn sie zu heiß werden, sich nicht zu sehr auf sie verlassen. Er hatte bestimmt noch andere billige Metaphern, die ich inzwischen vergessen habe.[25]
Nicht dass der Mietwagen besonders sportlich wäre. Ich habe das Gaspedal immer noch durchgetreten, und das Automatikgetriebe probiert ständig neue Gänge aus, begreift dann, dass die’s nicht bringen, und greift wieder auf Gänge zurück, die es schon erfolglos ausprobiert hat. Als ich das erste Mal rechts abbiege, ziehe ich die Handbremse, doch das hat keinerlei Auswirkung.
Kurz vor dem zweiten Mal rechts abbiegen sehe ich im Rückspiegel einen Pick-up. Starrende Gewehrläufe.
»Wohin fahren wir?«, fragt Violet. Ich bin gerade vom Highway abgebogen und fahre wieder in Richtung Debbie’s.
»Wir schütteln diese Arschlöcher ab.«
Bei Debbie’s rase ich quer über den Parkplatz wieder auf die Straße, auf die ich vor drei Minuten abgebogen bin.
Im Rückspiegel sehe ich, wie der Pick-up ruckartig vor der Sperrholztür hält. Jetzt, wo sie wissen, dass wir bereit sind, zu ihrem Stützpunkt zurückzukommen – warum auch immer – müssen sie bleiben und ihn verteidigen. Oder sich zumindest aufteilen.
»Hey«, sage ich zu dem Jungen im Fond. »Bist du wach?«
»Warum, passiert irgendwas Interessantes?«, fragt er.
»Wo ist das nächste Krankenhaus?«
»Ich muss nicht ins Krankenhaus.«
»Danach hab ich nicht gefragt. Also wo?«
»In Ely. Aber die Praxis meines Arztes ist hier ganz in der Nähe.«
»Vergiss es. Wenn er keinen Computertomograph hat, schickt er dich sowieso ins Krankenhaus.«
»Er hat aber einen in seiner Praxis.«
»Klingt ziemlich unwahrscheinlich.«
»Alter, ich weiß, was ein Computertomograph ist«, beteuert er. »Der macht ganz viele Röntgenaufnahmen hintereinander. Wie Schnittbilder. Mein Halbbruder hat jede Menge davon.«
»Warum?«
»Er hatte einen Gehirntumor.«
»Und die CT fand hier statt?«
»Ja.«
Ich überlege. Ely, wo Violet und ich in einem Hotel übernachten sollen, ist auf der Route 53 eine halbe Stunde entfernt.
»Gut«, sage ich. »Wo wohnt dein Arzt?«
Der Junge richtet sich so weit auf, dass er durch die Windschutzscheibe blicken kann. »Hier links ab.«
»Halt dich fest«, sage ich. »Und das nächste Mal sag bitte etwas früher Bescheid.« Beim Abbiegen probiere ich die Handbremse wieder aus. Bringt aber nichts.
»Fahren Sie so weit, wie’s geht, und dann nach rechts«, sagt der Junge. »Das ist eine Sackgasse.«
»Vor dem großen Gebäude da?«
»Ja.«
»Wir müssen auch die Polizei verständigen«, sagt Violet.
»Ach, wozu denn?«
Ganz meine Meinung. »Du willst das nicht?«, frage ich den Jungen.
»Auf keinen Fall.«
Ich seufze. »Na gut.«
»Was?«, ruft Violet.
»Ich finde, wir sollten die Wünsche des Jungen respektieren. Und außerdem wissen wir gar nicht richtig, was passiert wäre, wenn wir uns nicht eingemischt hätten.«
»Die hätten ihn totgeschlagen.«
»Nee. Es sah aus, als wären sie schon fast mit ihm fertig gewesen.« Ich ertappe den Jungen dabei, wie er mich misstrauisch im Rückspiegel betrachtet.
»Sie wollten uns erschießen«, sagt Violet.
»Das waren nur Warnschüsse. Was ist das für ein Gebäude?«
»Das ist das alte Bergwerksgebäude«, sagt der Junge.
Ich weiß nicht, was das bedeutet. Doch es ist imposant: Ziegelstein und Eisen, dem Unkraut überlassen.
»Wie heißt du?«, frage ich.
»Dylan.«
»Dylan, welchen Wochentag haben wir heute?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Donnerstag. Merk dir das. Ich frag dich in ein paar Minuten noch mal. Okay?«
»Okay.«
»Hast du irgendwelche gesundheitlichen Einschränkungen?«
»Ja. Ich wurde gerade zusammengeschlagen.«
»Und sonst?«
»Nein.«
»Wirklich?«, fragt Violet. »Keine Polizei?«
»Dylan? Was meinst du?«
»Im Ernst: auf gar keinen Fall. Das würde alles noch schlimmer machen.«
Ich sehe Violet an und zucke mit den Schultern. Frage Dylan, ob er Medikamente nimmt.
»Nein.«
Sogar von vorn nehme ich den Ammoniakgeruch wahr, der von seinem blutbeschmierten Körper aufsteigt. Das ist ein Grund für seine Cop-Aversion.
Ich sage: »Weißt du, da, wo ich herkomme, verprügeln die Leute, die auf Meth sind, die Leute, die nicht auf Meth sind, und nicht umgekehrt.«
»Vielleicht sollte ich da hinziehen.«
»Vielleicht. Wie viel konsumierst du?«
»Ich ›konsumiere‹ gar nicht. Ich hab mir erst zweimal Meth reingezogen. Einmal gestern Abend und dann noch mal vor ein paar Stunden.«
»Haben dich diese Typen deswegen verprügelt?«
»Mann, ich kann doch nicht Gedanken lesen.«
»Das betrachte ich mal als Ja. Hast du irgendwelche Allergien?«
»Ja. Ich bin allergisch gegen Leute, die mich verprügeln.«
»Langsam begreife ich, wie’s dazu gekommen ist.«
»Lionel!«, ermahnt mich Violet. »Dylan, ich heiße Violet, und das ist Lionel. Ich bin immer noch der Meinung, du solltest zur Polizei gehen.«
»Sie heißen Lionel?«, fragt mich der Junge.
»Warum fragst du?«
»Schon gut.«
»Okay. Hier abbiegen oder geradeaus?«
»Geradeaus.« Wieder eine Reihe aluminiumverkleideter Häuser mit unterschiedlich großen himmelblauen Planen auf den Dächern.
»Dylan, was ist mit Debbie, der Kellnerin, los?«, frage ich.
»Woher soll ich das wissen?«
»Und was hat sie gegen Reggie Trager?«
»Keine Ahnung, wer das ist.«
»Willst du irgendwelchen Scheiß abziehen?«
»Hey, ich hab Sie nicht gebeten, mich zu retten.«
»Stimmt. Wir sollten dich wieder zurückbringen.«
»Lionel!«, ermahnt mich Violet wieder. »Ich glaube, er meint es gut«, sagt sie zu Dylan.
Links fällt das Gelände an der Straße steil ab. Das Wasser eines Sees funkelt zwischen den Bäumen hervor. »Ist das der White Lake?«, frage ich.
»Wollen Sie mich veräppeln?«
»Nein. Ist an der Frage irgendwas komisch?«
»Das ist nicht der White Lake, sondern der Ford Lake. Sie sind wohl nicht hier aus der Gegend?«
»Nein.«
»Die Straße macht gleich eine Rechtskurve, aber wir biegen links ab.«
»Erste Abzweigung?«, frage ich.
»Ja.«
Ich biege ab. In eine Sackgasse, die dem Seeufer folgt. Die Häuser auf der Uferseite sind riesig, die auf der anderen Seite kleiner und weiter bergauf gelegen, damit man einen Blick auf den See hat.
Das ist offenbar die teure Gegend des Ortes. Die meisten Häuser sehen genauso runtergekommen aus wie sonst überall in Ford, doch auf der Seeseite stehen drei mit gepflegten Rasenflächen, Bäumen und unversehrten Fenstern. Über der Tür des einen ist sogar eine Stange mit der amerikanischen Flagge befestigt.
»Das grüne ist es«, sagt Dylan.
Ich parke vor dem Haus auf der Straße. Gegen die Fahrtrichtung, doch unser Wagen ist der einzige, den ich sehe. Vielleicht stehen noch welche in den Garagen, oder vielleicht ist auch bloß niemand da.
»Mann, ich kann selber laufen«, protestiert Dylan, als ich ihm aus dem Wagen helfen will.
»Woher weißt du das?«
»Zuschauen und lernen.« Er zuckt zusammen und hinkt die ganze Strecke zur seitlichen Veranda und dann die Stufen hinauf.
Von der Veranda gehen zwei Türen ab, die eine ist stahlgepanzert und trägt ein Schild mit der Aufschrift: »DR. MARK McQUILLEN«. Ich klingele.
Ich habe den Namen schon mal gehört, doch Violet findet es vor mir heraus und flüstert: »Das Dr.-McQuillen-Band.«
Stimmt. Das Vieh, das auf Rec Bills DVD die Ente gefressen hat. Bei dem Gedanken daran bekomme ich immer noch eine Gänsehaut.
Wir hören Schritte, und dann wird die Tür von innen aufgeschlossen.
»Lionel«, sagt Dylan.
»Was denn?«
»Wir haben Donnerstag.«