Großwildjagd (II)

Die erste Nachricht war noch vergleichbar harmlos gewesen. Bravo hatte gemeldet, dass sie auf der Suche nach Plünderern länger unterwegs sein würden. Dann kam in der Nacht die folgende Meldung:

   „Patrouillenfahrzeug Bravo an Fort Benning. Wir sind mit einem Reifenplatzer liegen geblieben. Scheint als habe der Knall einige von diesen Scheißviechern angelockt. Das 50er wurde auf der Patrouille leer geschossen. Zweites Fahrzeug zum Absichern bei Reifenwechsel wird erbeten. Aktueller Standort bei Meile zwo sechsundsechzig drei auf der R1.“ Die R1 war die Hauptzugangsstraße zum Stützpunkt.
   Die zweite Nachricht kam einige Minuten später und klang verzweifelt.

   „Holt uns hier raus, verdammt! Das sind einfach zu viele! Norret hat es beim Reifenwechsel erwischt. Wir sind hier eingekesselt und stecken in der Karre fest. Wir brauchen dringen Unterstützung. FUCK!“

   Der Funkspruch wurde durchgängig von Schüssen begleitet. Chad Petersen rief Private Rickson zu sich. „Private, wir schauen nach dem Rechten und sehen, ob wir den Jungs von der Patrouille helfen können. Sie haben in der Zwischenzeit das Kommando. Miller, Tsui - rein in den Humvee! Los los los!“

   Die Privates hechteten zum Jeep und sprangen hinein. Tsui ließ den Motor aufheulen und drückte das Gaspedal durch.

   „Han, Vollgas. Miller, du gehst an das Fünfziger. Bravo ist nur rund fünf Meilen entfernt. Sobald ihr welche von diesen untoten Mistviechern seht, mäht ihr sie nieder. Die Jungs stecken scheinbar tief in der Scheiße.“

   Chad Petersen saß angespannt auf dem Beifahrersitz und kontrollierte das Patronenlager seiner schallgedämpften M4A1. Auch wenn es nur wenige Minuten zu fahren waren, so fühlte sich jede Sekunde an wie eine Ewigkeit.

   „Bravo, wir treffen gleich ein. Gebt uns einen Status. Standort, Angreiferzahl... gebt mir irgendwas!“ Das Funkgerät blieb stumm. „Bravo! Status?“

   Die Soldaten fuhren gerade mit ihrem Fahrzeug um eine Kurve, als die ersten drei Untoten vor ihnen auftauchten. 

   „Miller, eliminieren!“ Schon während des Kommandos setzten die dumpfen Schüsse des Maschinengewehrs auf dem Dach des Jeeps ein und die Zombies stoben von zahlreichen Schüssen getroffen auseinander. Weiter die Straße rauf kam das Patrouillenfahrzug im Mondlicht in Sicht.

   „Was zur...“ Tsui rammte seinen Fuß auf das Bremspedal. Der Humvee kam ungefähr fünfzig Meter entfernt vom Patrouillenfahrzeug bebend zum Stehen.

   Der Jeep von Patrouille Bravo rauchte stark und die Fahrertür schien zu fehlen. Der Wagen stand von circa fünfzehn Untoten umringt am Straßenrand. Mindestens dreißig tote Körper lagen halbmondförmig hinter dem Fahrzeug. Einige Granatenkrater waren ebenfalls zu sehen. Die Patrouille musste einer großen Masse an Untoten gegenüber gestanden haben und hatte sich bis aufs Letzte verteidigt. Es strömten allerdings immer noch weitere Kreaturen aus dem Wald und die Straße hinauf. Miller eröffnete erneut das Feuer. Die dumpfen Schüsse hallten durch den Wald.

   „Was machst du, Tsui? Bring uns ran! Die anderen brauchen uns!“

   Tsui hatte den Blick konzentriert geradeaus gerichtet und runzelte die Stirn. „Was zum Teufel ist das da?“ Er erhob zitternd die Hand. Rechts neben dem Humvee der Patrouille befand sich verdeckt von den anderen Untoten etwas, das aussah wie ein riesiger, muskelbepackter, haarloser Bär, der gerade menschliche Überreste in einer Militäruniform in seinen gigantischen Pranken hielt. Als Miller anfing zu schießen richtete sich der Gigant auf. Chad blickte immer noch Tsui an, der seine Augen soweit aufriss, dass Chad glaubte, sie würden ihm aus dem Kopf fallen.

   Mit einem lauten Knall landete der Torso von dem, was mal Corporal Brady gewesen sein musste, auf der Motorhaube des Fahrzeugs. Ein ohrenbetäubender, gutturaler Schrei ließ den Soldaten das Blut in den Adern gefrieren. Das riesige Biest ließ sich nach vorne auf seine Hände fallen und schoss dann auf allen Vieren in die Richtung der drei Soldaten los.

   Tsui dachte gar nicht weiter nach. Er stieg mit seinem Fuß wieder aufs Gas und wendete den Wagen. Nur weg, war der einzige Gedanke in seinem Kopf. Miller hatte das Maschinengewehr um hundertachtzig Grad gedreht und feuerte mit allem was er hatte auf ihren monströsen Verfolger, allerdings ohne große Wirkung.

   Der Untote rammte mit seinem gesamten Gewicht das Heck des Fahrzeugs. Metall knirschte und bog sich. Die Federung ächzte unter dem zusätzlichen Gewicht. Tsui hatte alle Hände voll zu tun, um den Wagen auf der Straße zu halten.

   „Zerfetz ihm die Beine, Mike!“, schrie Petersen.

   „Was glaubst du, was ich versuche verdaaAAAHHH..!“, schrie Private Miller.

   Das Monster war auf das Heck des Wagens gesprungen. Der Wagen ächzte unter dem Gewicht der Bestie, während Mike unbeirrt weiter feuerte. Dann federte das Heck nach oben. Im Seitenspiegel erkannte Tsui, dass der Untote vom Wagen gerutscht war und nun hinter ihnen auf der Straße zum Liegen kam. „Er ist runter! Gute Arbeit, Mike!“

   Chad Petersen wandte sich jubelnd zu Private Miller um. Doch dort, wo dieser vor wenigen Sekunden noch am MG gestanden hatte, war jetzt ein leerer Platz. Der Untote hatte ihn samt Maschinengewehr aus dem Humvee gerissen und hielt, wie ein Boxer seinen Meisterschaftsgürtel, beides triumphierend über seinen Kopf.

   „Er hat Mike! Han, wir müssen wenden!“ Tsui schaute seinen Vorgesetzten an, als habe dieser den Verstand verloren, und schüttelte nur den Kopf.

   Petersen kletterte nach hinten und blickte aus dem Dach. Er feuerte eine Salve nach hinten, das Vieh schien die Kugeln jedoch kaum zu bemerken. Wieder nahm Petersen Maß und schoss erneut. Diesmal jedoch auf Mike. Wenn er ihn schon nicht retten konnte, dann wollte er wenigstens verhindern, dass er einer dieser untoten Wichser wurde. Ein einzelner Schuss und dann eine rote Wolke. Treffer.
   Der Untote, scheinbar wütend wegen dem Verlust seiner Beute, stieß erneut einen markerschütternden Schrei aus. Petersen konnte nur noch hilflos zusehen, wie die Kreatur ihre Arme anspannte und Millers Körper in zwei Teile riss. Kreidebleich sackte er zurück in den Humvee.