Die Verschwörung (II)

Zur selben Zeit, nicht weit entfernt, war der Funker Weasel darauf bedacht, möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er schlich mit einem kleinen Paket in der Hand zwischen den Baracken her, um durch den seitlichen Eingang das Treibstofflager zu betreten. Drinnen ging er unsicher auf die hintere Ecke des Lagerhauses zu. Nordwestliche Ecke, wie verabredet.
   Sein Herz schlug so stark in seiner Brust, dass er Angst hatte, es würde jeden Augenblick explodieren. Seine Hände schwitzten unablässig. Ihm war immer noch unwohl bei der ganzen Geschichte. Dr. Schaefer hatte ihn in der Kantine angesprochen, als Weasel nach einer seiner deprimierenden Schichten am Überlebendenfunk allein beim Abendessen saß. Anscheinend hatte man ihm seine Verzweiflung angesehen, denn Schaefer hatte sich mit einem mitleidsvollen Blick zu ihm gesetzt. Und was noch wichtiger war: Er hatte ihm zugehört. Endlich hatte ihm einmal jemand zugehört und Verständnis dafür gezeigt, wie schrecklich es war, die Schicksale der Menschen außerhalb von Fort Benning protokollieren zu müssen. Was Schaefer ihm dann allerdings in Aussicht gestellt hatte, konnte Staff Sergeant Weasel noch immer nicht ganz glauben: Angeblich existierte eine Möglichkeit, Fort Benning zu verlassen und ihn von seinem Job zu erlösen. Doch nicht nur das: Schaefer hatte ihm versichert, dass sie an einen Ort gebracht würden, an dem die Infektion keine Gefahr darstellen würde – wenn Weasel ihm einen kleinen Gefallen täte. Nun war er hier.

   Weasel ging weiter und bog um einige hoch gestapelte, mit Ölfässern beladene Paletten. Seine Bewegung stoppte abrupt, denn er sah direkt in den Lauf einer schallgedämpften Berretta.

   „Kein Wort.“ Weasel stockte der Atem.

   Eine krächzende Stimme im Hintergrund entschärfte die Situation.

   „Ah, nun ist auch Mister Weasel da. Willkommen. Special Agent Jonah, Sie können die Waffe runternehmen. Der Staff Sergeant wird uns begleiten und hat hoffentlich ein kleines Geschenk für uns dabei.“ Weasel atmete laut vernehmlich aus und warf seitlich einen Blick am Lauf der Waffe entlang. Ein finster dreinblickender Kerl mit langen Haaren, Sonnenbrille und Basecap entspannte sich langsam und nahm die Beretta aus seinem Gesicht.

   Auch den Sprecher konnte er jetzt ausmachen. Zwei Brillengläser glänzten weiß im Halbdunkel der Lagerhalle. Dr. Schaefer hatte offenbar nicht nur ihn angeheuert. Neben dem Doktor standen auch ein Lagerist, den er unter dem Namen „Air Jordan“ kannte, und ein weiterer Typ, der ähnlich wie Jonah gekleidet war. Ein Mix aus militärischer Einsatzkleidung, bestehend aus Schussweste, Ausrüstungsgürtel und Holster in Kombination mit ziviler Oberbekleidung gab den beiden eher das Aussehen von Mitarbeitern einer privaten Sicherheitsfirma.
   „Meine Herren, dann wollen wir doch mal loslegen. Mister Weasel, wir bräuchten dann ihr Mitbringsel, um mein kleines Privatbüro zu vervollständigen.“

   Der Staff Sergeant legte seinen Karton neben einen Laptop und entnahm vorsichtig eine Mini-Satellitenschüssel. Der Doktor steckte ein Kabel in Laptop und Sat-Schüssel. Er blickte gespannt auf den Bildschirm. Nach einiger Zeit zeigte der Bildschirm: Connection established.

  Jonah fing an Befehle in eine DOS-Konsole zu hacken. Kurze Zeit später ging ein archaisch wirkendes Chatfenster auf.

 

   … knock knock

   … mother?

   … leitung sicher. status?

   … in benning als zivilisten eingetroffen und aufgenommen. zielperson lokalisiert. plan übergeben.   crew vollständig.

   … gut.

   … weitere anweisungen?

   … paket wird in zwei tagen geliefert. nachtzeit. etwa 0500 – Vorbereitungen laufen

   … wir werden da sein.

   … gut. mother out.

 

   Der Bildschirm wurde schwarz. Jonah lächelte den Doktor an.

   „Zwei Tage, Doc. Dann geht’s zum Big Apple.“

   Dr. Schaefer nickte. „Sehr gut, bereiten Sie alles Weitere vor.“
    Jonah nahm den Laptop und verstaute ihn am Rücken, unter seiner Schussweste. Dann richtete er sich an Jordan und Weasel: „Jordan, wie besprochen. Wir brauchen einen vollgetankten Humvee. Donnerstag 0500, nordöstliche Ecke, direkt an der Mauer. Weasel, die Antenne bleibt hier. Seien sie bereit. Falls sich große Veränderungen am Funk ankündigen, erstatten Sie umgehend Meldung an den Doktor.“ Mit diesen Worten löste sich die Gruppe auf.