Es war der erste sonnige Tag seit längerer Zeit und Josh war gerade auf dem Weg zu Ray, Scott und den anderen. Er wusste, dass Chris, Ray und Scott gerade aus der Kantine gekommen waren und den Rest des Tages frei hatten.
Die Gruppe war jetzt schon einige Tage auf dem Stützpunkt und hatte sich mittlerweile ganz gut eingelebt und integriert, jeder auf seinem Gebiet. Phil und die Kinder halfen in der Kantine so gut sie konnten. Scott hatte sich dem Bautrupp angeboten und war mit einigen anderen Flüchtlingen abgestellt worden, um eine zusätzliche Baracke für diese zu errichten. Ray half zuweilen in der Werkstatt des Stützpunktes und Chris hatte man, nachdem er sich einige Tage ausgeruht hatte, schon am Krankenbett als technischen Berater hinzugezogen. Er schien eine erstaunliche Auffassungsgabe in Bezug auf Softwareprobleme zu haben, genau wie sein Bruder Gregory. Beide sollten in Kürze in der Kommunikationszentrale eingesetzt werden. Eigentlich kein schlechter Anfang, dachte Josh.
Allerdings fiel ihm auf, dass jeder von ihnen mit seinen ganz eigenen Dämonen zu kämpfen hatte. Und zwar jeder auf seine eigene Art. Ray hatte Josh gegenüber nie geäußert, was ihn beschäftigte. Er verschloss sich häufig und ging ihm aus dem Weg. Josh respektierte dies und stocherte auch nicht weiter nach.
Scott hingegen vermisste seine kleine Familie und sprach oft davon, dass er sie finden wollte. Er hatte sich eigentlich erhofft, dass sie in Fort Benning Schutz gefunden hatten, allerdings waren sie hier nicht eingetroffen. Allgemein hatten in den letzten Tagen immer weniger Überlebende den Weg nach Fort Benning gefunden. Die Welt da draußen war immer härter und gefährlicher geworden. Die Untoten hatten wohl die Oberhand gewonnen und hielten die Welt unerbittlich in ihren kalten Klauen. Es war somit immer schwerer für einzelne, kleine Gruppen zu überleben.
Um seine
neuen Freunde auf andere Gedanken zu bringen, hatte sich Josh etwas
überlegt. Er hatte seinen Vater überredet, dass die Gruppe dringend
Schießtraining bekommen sollte und wollte die anderen damit
überraschen. Auch wenn er nie ein großes Faible für das Militär
gehabt hatte, das Schießen bereitete auch ihm Spaß. Aus diesem
Grund schlenderte er gerade mit Willem Pelletier zum Zelt der
Gruppe. Sein Dad hatte zwar als neuer
Kommandeur des Stützpunktes eigentlich immer irgendwas zu tun,
allerdings hatte er sich die Möglichkeit auf einen Nachmittag mit
seinem Sohn auf dem Schießplatz nicht nehmen lassen
wollen.
Die beiden hatten mittlerweile
das Zelt erreicht. Watson saß direkt im Eingang des Zeltes und
wedelte mit dem Schwanz als er Josh kommen sah. Josh steckte seinen
Kopf in den Zelteingang und blickte hinein. Ray und Chris spielten
auf einem selbst geschnitzten Schachbrett. Scott war offenbar damit
beschäftigt ein weiteres Spiel zu bauen, jedenfalls war er dabei an
einem Stück Holz zu schnitzen.
Nach einer kurzen Begrüßung erklärte Josh, dass die drei dringend bei einer Geheimmission benötigt wurden und umgehend mitkommen müssten. Ihnen war die Verwunderung deutlich anzusehen, doch die Tatsache, dass der Kommandant ebenfalls mit von der Partie war und beide eine Waffe trugen, machte den Bluff umso glaubhafter. Die drei wussten zwar mittlerweile, dass Willem Pelletier Joshs Vater war, allerdings bekamen sie ihn eigentlich nur selten zu sehen. Und so ging die kleine Truppe kurze Zeit später über den Stützpunkt in Richtung des Schießplatzes.
„Was kann hier so wichtig sein, dass man gerade uns braucht?“ rätselte Scott an Ray gewandt.
„Keinen blassen Schimmer, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es etwas Schlimmes ist, dafür sind die beiden viel zu gut drauf.“ Ray schmunzelte, ihm dämmerte so langsam, was Josh vorhatte.
Chris‘ Genesung schritt gut voran, doch er hatte noch Mühe mit den anderen Schritt zu halten, da er die letzten Tage eigentlich nur gelegen hatte.
„Was ist das denn nun für eine hochgeheime Mission? Ich kann kaum laufen.“
Josh grinste breit. „Geheimagententraining. Ich hab gedacht, ich hole euch aus euerm Trott und wir machen ein wenig Lärm auf dem Schießplatz. Ihr seid hier mit einem Baseballschläger bewaffnet angekommen und wir zeigen euch heute, was das 21. Jahrhundert so zu bieten hat.“ Josh klopfte liebevoll auf das M24 Präzisionsgewehr, das er bei sich trug. Willem Pelletier nickte und ließ das M4A1 Maschinengewehr von seiner Schulter rutschen.
„Präzision gegen Kugelhagel. Je nach Gusto, aber wir können auch klein anfangen.“
Er legte das Sturmgewehr auf einen Tisch und zog seine Beretta 92FS aus dem Holster. Eine halbautomatische Pistole mit dem Kaliber 9mm.
„Haben die Gentlemen so etwas schon mal benutzt?“
Scott erhob abwehrend die Hände und schüttelte dann vehement den Kopf. Er hatte nichts für solche Dinger über. Er war einmal mit dem Mann seiner Nachbarin auf der Jagd gewesen, da dieser ein leidenschaftlicher Jäger gewesen war. Sein Nachbar hatte ihm sogar eins seiner heiligen Gewehre gegeben. Scott war nur aus Höflichkeit mitgekommen. Dann hatte er sich beim ersten Schuss, den sein Nachbar abgab, so sehr erschrocken, dass er mit seinem Gewehr unmittelbar neben seinen eigenen Fuß geschossen hatte. Seitdem mied er, wenn es möglich war, Schusswaffen aller Art. Er konnte mit einer ordentlichen Axt sowieso viel besser umgehen, fand er.
Ray und Chris hingegen schienen sich zu freuen wie kleine Kinder.
„Wow, wie cool. Ich wollte schon immer mit militärischen Gewehren schießen.“ Chris war hellauf begeistert, griff sich das Maschinengewehr vom Tisch und brachte es vor sich in den Anschlag und schwenkte ein wenig umher. Joshs Vater griff blitzschnell auf den Lauf und drückte die Waffe in Richtung Boden.
„Immer mit der Ruhe, Cowboy! Erst zeigen wir euch, wie ihr schießen müsst, damit ihr auch irgendwas außer eurem Nebenmann trefft.“
Josh setzte einen Rucksack ab, den er mitgenommen hatte. Er nahm die Gehörschützer und einige Schutzbrillen heraus. Nachdem die fünf nun ausgerüstet waren, erklärten Josh und sein Dad den anderen die Funktionen der Waffen sowie diverse Schusshaltungen. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung, nur Scott wollte nicht so recht mit den Waffen warm werden. Er feuerte lediglich ein paar Schüsse ab, damit keiner weiter fragte, hielt sich jedoch weitestgehend zurück und entschuldigte sich dann, um weiter an dem Schachbrett schnitzen zu können. Die anderen hatten lange und ausgiebig ihren Spaß. Joshs Dad hatte sogar ein paar Getränke und Sandwiches aus der Kantine organisieren können. So blieb die Truppe am Schießplatz bis die Sonne langsam schwand. Mission erfüllt, dachte Josh, als er später in seinem Bett lag. Wenigstens heute würde niemand von ihnen in sich gekehrt und alleine mit seinen Gedanken sein.