In den letzten Tagen waren mehrere Missionen außerhalb des Stützpunktes gefahren worden. Neben den normalen Spähtrupps und Patrouillen, die täglich ausgesandt wurden, um größere Gruppen von Untoten auszumachen und zu eliminieren, wurden auch Versorgungstrupps losgeschickt.
Zu Beginn lag der Fokus auf der Suche nach Treibstoff, Nahrung und Munition. Mittlerweile plante man jedoch schon einen Schritt weiter und begann damit, schweres Arbeits- und landwirtschaftliches Gerät zum Stützpunkt zu schaffen. Denn wenn eine Sache in Fort Benning vorhanden war, dann war das Platz. Der gesamte hintere Bereich des Stützpunktes, der vor dem Ausbruch als Spreng und Truppenübungsplatz genutzt worden war, sollte im kommenden Frühjahr als Ackerland dienen. Der Boden war zwar nicht optimal, aber solche Widrigkeiten mussten in Kauf genommen werden.
Bevor jedoch wirkliche Felder entstanden, musste noch einiges getan werden. Man hatte schon eine Vielzahl an Freiwilligen gefunden, die sich mit Herzblut auf die neue Aufgabe stürzen würden. Nachdem klar war, dass man sich hier längere Zeit aufhalten würde, hatte man damit begonnen, alle Flüchtlinge nach ihren bisherigen Jobs zu befragen und es wurde dementsprechend versucht die Leute bestmöglich einzusetzen.
So leistete jeder seinen Teil. Auch Josh, wie er es mit seinem Dad besprochen hatte. Er zog sich gerade für seine Schicht um. Zu seiner normalen Klinikkleidung, bestehend aus Kittel und Hose, wie er sie vor kurzem noch bei seiner Arbeit in der Pathologie getragen hatte, gesellte sich jedoch aktuell auch ein weiteres Teil. Er hatte mit einem Hundeführer auf dem Stützpunkt gesprochen und ihm einen Teil seiner Schutzkleidung abgeschwatzt. Und so zog er nun die zwei kleinen Riemen des bissfesten Unterarmschutzes an seinem linken Arm fest. Nach seinem Intermezzo mit dem fetten Untoten in der Klinik hatte er keine Lust mehr auf Überraschungen.
Vor allem, wenn man bedachte, was in der Zwischenzeit zu seinen Aufgaben auf dem Stützpunkt gehörte. Es waren einige Tage vergangen, seitdem er aus Augusta geflohen war und sich auf den Weg nach Fort Benning gemacht hatte.
Josh arbeitete jetzt als Teamleiter im Medizinzelt des Stützpunktes. Seine Aufgabe war es, alle Neuankömmlinge vom Haupttor zum Medizinzelt zu eskortieren und dort auf mögliche Verletzungen zu untersuchen. Zwar hatte er selbst noch keinen Wandler feststellen müssen, allerdings war es nicht unmöglich, dass sich manche unter den Flüchtlingen befanden.
Wandler nannten die Soldaten die Menschen, die infiziert worden waren. Sie waren gebissen oder gekratzt worden, so dass sie sich früher oder später auch in Zombies verwandelten. Und eins war den Menschen in Fort Benning klar: Zombies führten zum Untergang der Menschheit wie man sie früher kannte.
Die Welt hatte sich in den Tagen seit Joshs Ankunft verändert. Es war noch immer ein Rätsel, wann die Epidemie begann und wo ihr Ursprung lag, denn es schien als sei überall auf der Welt zeitgleich die Hölle losgebrochen. Einer der Militärgeistlichen hatte es passend formuliert, fand Josh.
Es scheint, als sei die Hölle wegen Überfüllung geschlossen und da keiner mehr rein kann, wandeln diese untoten Bestien jetzt auf unserer Erde.
In den ersten zwei Tagen wurde noch darüber berichtet. Josh konnte sich daran erinnern wie er Livebilder im Fernsehen verfolgte. Aus erster Hand konnte man miterleben, wie als erstes die Großstädte im Chaos versanken. Zuerst handelte es sich um vereinzelte Gewaltausbrüche, wenig später schon um große marodierende Gruppen von Untoten. Große Teile von New York waren schon am ersten Tag hoffnungslos verloren. Es ging alles viel zu schnell. Die Regierungen der Welt waren auf so einen Fall schlichtweg nicht vorbereitet. Und vor allem waren die Staatsmächte durch die schiere Zahl an Krisenherden gelähmt. In allen Teilen des Landes brach es scheinbar gleichzeitig los.
Wo viele Menschen wohnten, breitete sich dieses Virus oder was es auch immer war am schnellsten aus. Die Multimillionenstädte fielen der Krankheit binnen weniger Tage zum Opfer. Es kursierten verstörende Bilder aus Tokio. Massen von Untoten, die wie Ameisen durch die Straßen fluteten und dabei jedes Lebewesen mit sich rissen.
Wie in Katastrophenlagen üblich, wurde auch in diesem Fall viel spekuliert und fantasiert. Menschen steckten einander offensichtlich gegenseitig an, wobei die Übertragung durch Körperflüssigkeiten oder Blut erfolgte. Selbst kleine Kratzer, Bisse oder andere offene Wunden konnten das Schicksal jedes Einzelnen besiegeln.
Die Untoten kannten kein Erbarmen und fielen ohne zu zögern über jedes Lebewesen her. Familienväter, Mütter, Kinder, ob alt oder jung, die Zombies machten keinen Unterschied. Selbst Tiere waren oftmals nicht vor ihnen sicher.
Ganz im Gegensatz zur Krankheit selbst. Das Virus schien lediglich die Menschheit befallen zu haben. Es gab noch keinen bestätigten Fall eines infizierten Tieres.
Die Regierung der Vereinigten Staaten war in großen Teilen auseinandergebrochen. Der Präsident fiel dem Virus schon am ersten Tag des Ausbruchs zum Opfer. Laut Medienberichten wurde er bei dem Versuch ihn von einer Pressekonferenz zu evakuieren von einer Gruppe Untoter in Stücke gerissen.
Der Vize-Präsident wurde zeitgleich evakuiert. Auf dem Stützpunkt kursierten unterschiedliche Gerüchte zu seinem Verbleib. Die einen behaupteten er wäre in einen Bunker in den Rocky Mountains gebracht worden, andere sagten der Vize-Präsident befände sich auf einem Flugzeugträger im Golf von Mexiko. Niemand wusste es allerdings genau. Reine Spekulation in Joshs Augen.
Die Kommunikation erlahmte am zweiten Tag nach dem Ausbruch weiträumig. Joshs Dad sprach davon, dass eine wohl fehlgeleitete Atomrakete in der Stratosphäre explodierte und durch einen elektromagnetischen Impuls eine große Zahl von Satelliten lahmgelegt hatte. In der Folge hätten Trümmer dazu geführt, dass immer mehr der Kommunikationssatelliten im geostationären Orbit ausfielen. Das Militär war blind und taub, was dem Virus deutlich in die Karten gespielt hatte.
Langstreckenkommunikation funktionierte nur noch über Satelliten im erdnahen Orbit. Ein findiger Kommunikationsoffizier der Marine hatte dies relativ früh erkannt und so wenigstens einen Teil der Streifkräfte handlungsfähig gehalten. Das Problem mit diesen Satelliten war allerdings, dass sich im Gegensatz zu Satelliten in größerer Höhe jeweils nur gewisse Zeitfenster boten, in denen eine Kommunikation möglich war. Nämlich immer genau dann, wenn sich der Satellit in einer nahen Umlaufbahn befand. In der Praxis hieß das genau fünfzehn Minuten am Tag, an denen ein Austausch auf einem Gebiet der Größe der Vereinigten Staaten möglich war.
Aktuell
schaffte man es in Fort Benning genau drei dieser Satelliten zu
nutzen. Um drei und halb sieben Uhr in der Früh, sowie um kurz nach
vier Uhr am Nachmittag. Auch wenn die Kommunikation zumindest
teilweise wieder funktionierte, war erschreckend, dass sich
lediglich eine Hand voll noch bestehender Stützpunkte des Militärs
auf die Funksprüche meldete. Es bestand sporadischer Kontakt zu
einzelnen Stützpunkten in Texas, der Wheeler Airbase auf Hawaii und
Fort Jackson in South Carolina.
Die gesamte Westküste der
Vereinigten Staaten war ein großes, schwarzes Loch der
Ungewissheit. Von dort hatte man in Fort Benning, seitdem das Chaos
ausgebrochen war, noch gar nichts gehört und auch die anderen
Standorte hatten keine genaueren Informationen.
Im Rest der Welt sah es in den ersten Tagen, so weit bekannt war, sogar noch schlimmer aus. In Russland und China hatten die Regierungen versucht das Virus durch gezielte Atomschläge auf Großstädte einzudämmen. Das Einzige was allerdings neben weitläufiger Zerstörung erreicht wurde, war, dass der atomare Fallout die Menschen schneller dahinraffte als die Untoten selbst. Weite Teile Asiens waren so schon am ersten Tag untergegangen.
Von
Kontinenten wie Australien und Afrika war wenig bekannt. In Afrika
gab es schon vor dem Virus in vielen Staaten keine funktionierenden
Regierungen, stattdessen besaßen einzelne Warlords die
Vormachtstellung. Es war davon auszugehen, dass dieser
Zersplitterungsprozess durch das Virus noch weiter beschleunigt
wurde und es kaum noch so etwas wie Regierungsstrukturen
gab.
Auch Europa war im Chaos
versunken. Die Regierungen versuchten verzweifelt der Lage Herr zu
werden. Allerdings zeigte sich auf der ganzen Welt, dass wohl keine
Nation mit einem solch massiven „Angriff von Innen“ gerechnet
hatte. Es existierten so gut wie keine Pläne für eine solche
Situation und so führten Unwissenheit, Führungsstreitigkeiten und
Panik zum Niedergang ganzer Länder.
All diese bruchstückhaften Informationen setzten sich aus Internetgerüchten, Nachrichtenfragmenten und selbst erdichteten Mythen zusammen. Ein direkter Kontakt zu anderen Kontinenten konnte bislang nicht hergestellt werden, so dass das gesamte Ausmaß der Zerstörung nur vermutet werden konnte.
Die Hoffnung, dass vielleicht sogar ein ganzes Land standhalten und den Virus auf seinem Gebiet besiegen konnte, wurde von den meisten Menschen aber als Wunschdenken abgetan. Die viel wahrscheinlichere Möglichkeit war ihrer Meinung nach, dass es keine sichere Zone gab und man keine Rettung erwarten konnte.
In Fort Benning hatte man sich daher darauf verständigt, sich in seinem eigenen kleinen Mikrokosmos zu organisieren, bevor in größerem Rahmen weiter geplant wurde.
Seit den ersten Tagen waren alle Zufahrten zum Stützpunkt abgeriegelt oder zerstört worden, mit Ausnahme der Hauptstraße. Man hatte zahlreiche MG-Nester errichtet und die Soldaten in Schichten zur Wache eingeteilt. Niemand betrat oder verließ den Stützpunkt ohne Zustimmung eines Vorgesetzten.