VORWORT
von Dmitry Glukhovsky
Ich bin mit Arkadi und Boris Strugatzki groß
geworden.
Als Kind, als Mensch überhaupt - und auch als
Autor. Ungefähr mit neun Jahren habe ich begonnen, ihre Bücher zu
lesen. Ich habe sie alle gelesen, jedes viele Male, habe sie mir
immer wieder vorgenommen - wenn es mir schlecht ging, wenn ich mich
einsam fühlte, wenn mir langweilig war, wenn ich mit jemandem reden
und von jemandem lernen wollte, der unendlich viel klüger und
subtiler war.
Daran ist nichts Außergewöhnliches. Ich bin jetzt
dreißig, und die Strugatzkis las jeder meiner Klassenkameraden,
jeder meiner Kommilitonen; schon unsere Eltern hatten die
Strugatzkis verschlungen; heute lesen die Strugatzkis die
Fünftklässler und die Studenten an der Universität. Die Auflage
ihrer Bücher allein in russischer Sprache nähert sich fünfzig
Millionen, Übersetzungen sind in über dreißig Sprachen erschienen.
Die Strugatzkis haben zahllose Fanclubs und Hunderte von
Nachahmern; in den Welten, die sie in ihren Büchern erschaffen
haben, sind Dutzende Romane anderer Autoren angesiedelt. Von den
Büchern der Strugatzkis trennt man sich nicht - sie bleiben in dir,
und du bleibst in ihnen, um gemeinsam mit ihren Helden zu leben, zu
kämpfen, zu suchen, zu lieben.
Der Form nach sind Arkadi und Boris Strugatzki
natürlich Science-Fiction-Autoren. Doch meiner Ansicht nach - und
Millionen andere Bewunderer ihres Werks werden mir zustimmen
- sind sie richtige Schriftsteller ohne Wenn und Aber.
Facettenreiche, ernsthafte, subtile, ungewöhnliche und sehr
kraftvolle Schriftsteller.
In Russland - wie wohl in der ganzen Welt - wird
die Science Fiction traditionell zur Trivialliteratur gezählt. Die
Kritik ignoriert Neuerscheinungen in diesem Genre,
Science-Fition-Romane gewinnen keine angesehenen Preise, man widmet
ihnen keine Kolumnen in den Morgenzeitungen, und die Wochenblätter
machen keine Interviews mit den Autoren. Vielleicht liegt das
daran, dass man glaubt, die Anhänger dieses Genres wüssten
sprachliche Feinheiten nicht zu schätzen, interessierten sich nicht
für das tiefgründige Ausloten von Charakteren, könnten den Details
der philosophischen Konstruktion eines Autors nicht folgen - was
ein Science-Ficton-Leser vor allem verlange, seien Unterhaltung und
Action.
Daran mag das eine oder andere stimmen, das eine
oder andere ein Vorurteil sein, die sowjetische Science Fiction
allerdings - nicht die neue russische, sondern eben die sowjetische
- war ein in der Literaturwelt absolut einmaliges Phänomen. »Wir
sind geboren, um das Märchen wahr zu machen«, heißt es in einem
berühmten sowjetischen Lied, und der Science Fiction war in der
UdSSR in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zugedacht: ihre
Romane sollten dem »Homo sovieticus« seine glückliche Zukunft
zeigen. Nachdem sie alle Kreise der Zensur und Abgleichungen
durchlaufen hatten, waren die Science-Fiction-Bücher just jene
Märchen, die der Staat vorgeblich wahr zu machen gedachte. In einem
Land, in dem der Staat für alles verantwortlich ist und jedes
gedruckte Buch absegnet, muss die Zukunft licht und
glücklich sein. Denn jedes düstere Zukunftsszenario würde ja
voraussetzen, dass schon heute Fehler möglich sind, dass die
Grundlagen für die künftige Katastrophe schon heute gelegt werden -
doch das System wollte als unfehlbar erscheinen.
Die sowjetische Science Fiction sollte nicht
unterhalten und nicht warnen wie die westliche. Ganz im Gegenteil:
Sie war berufen, die Richtung zu weisen, Versprechungen zu machen.
Sie sollte Bilder von der Gesellschaft der Zukunft zeichnen als
einer gerechten Ordnung, die aus lauter klugen, ehrlichen und
gütigen Menschen besteht, uneigennützig, ausschließlich befasst mit
Forschung und Schöpfertum.
Die ersten Bücher der Brüder Strugatzki passten
genau in dieses Schema. »Der Weg zur Amalthea«, »Praktikanten«,
»Mittag, 22. Jahrhundert« - das ist typisch sowjetisches
Heldenpathos unter phantastischen Umständen, der Mensch im Konflikt
mit den Naturgewalten. Diese Romane wurden um 1960 herum
geschrieben: das Chruschtschowsche Tauwetter, die Verheißung, in
absehbarer Zukunft den Kommunismus zu erreichen, die Vorahnung von
Jurij Gagarins Weltraumfluges - des ersten in der Geschichte der
Menschheit - und das Nachdenken über seine Folgen. Es war die
Periode der kommunistischen Romantik.
Dann jedoch lässt die Begeisterung allmählich
nach. Anfang der 1960er Jahre sahen die Strugatzkis Stanley Kramers
Film Das letzte Ufer nach dem gleichnamigen Roman von Nevil
Shute, der von den Folgen eines Atomkriegs erzählt. In einem
Interview hat Boris Strugatzki bekannt, dass der Film seinen Bruder
und ihn damals tief beeindruckt hatte; ihr erster impulsiver Wunsch
sei es gewesen, den Militärs, die das Land und die Welt in einen
Rüstungswettlauf trieben, so richtig »die Fresse zu polieren«. Sie
wollten einen eigenen postapokalyptischen Roman schreiben, doch für
solche Literatur war in der UdSSR kein Platz. Ihre Idee konnten sie
- sehr weit vom ursprünglichen Vorhaben entfernt - nur in »Der
ferne Regenbogen« verwirklichen: Auf einem abgelegenen Planeten
führen wissenschaftliche Experimente zu einer globalen Katastrophe;
alle Erdenmenschen, die sich auf dem Planeten befinden, sind zum
Untergang verurteilt.
Das kommunistische »Missionieren« der UdSSR in
Ländern der Dritten Welt, in Afrika und Asien, während der 1960er
Jahre fand seinen Widerhall in dem Roman »Es ist schwer, ein Gott
zu sein«: Der Held versucht, einem Planeten, dessen Bewohner sich
in einem finsteren Mittelalter befinden, die Zivilisation zu
bringen - und nimmt selbst die örtlichen Sitten an. Die Strugatzkis
fragen sowohl sich selbst als auch die Leser, ob man
Zivilisationsprozesse wirklich beschleunigen kann. Soll man sich
überhaupt in die Gesellschaftsordnung, in die Kultur und die
Geschichte anderer Völker einmischen? Das war eine der ersten
Gelegenheiten, bei der diese Frage »denen da oben« gestellt
wurde.
1965 folgte ein scheinbar völlig unschuldiger
Roman: »Der Montag fängt am Samstag an«. Ein Zaubermärchen über die
Romantik der sowjetischen Wissenschaft, ein liebenswertes Buch,
ohne jede Düsternis, geradezu utopisch. Ich habe es als Kind mit
großem Vergnügen immer wieder gelesen, eben als Märchen. Erst viel
später habe ich verstanden, dass die Strugatzkis, die eine immer
engagiertere, immer politischere Position einnahmen, darin
in Wahrheit von der Konfrontation der seriösen sowjetischen
Wissenschaftler mit den wissenschaftlichen Scharlatanen erzählten -
ein Reflex auf den bizarren »Krieg«, den Trofim Lyssenko, ein
Günstling Stalins, gegen die Erkenntnisse der Genetik führte.
Mit jedem neuen Werk der Strugatzkis wird in
dieser Zeit sichtbar, wie die Autoren immer weniger an die von
ihnen und anderen erfundene »lichte Zukunft« glauben; wie ihnen
klar wird, dass die Fehler im System niemals eine Verwirklichung
der idealistischen Szenarien erlauben werden. Und so entwerfen sie
1965 zum ersten Mal ein beinahe antiutopisches Sujet - der Roman
»Die gierigen Dinge des Jahrhunderts«. In diesem Zukunftsmodell
gibt es keinen allgemeinen Wohlstand, nichts von der lichten,
freien und gerechten idealkommunistischen Gesellschaft.
Stattdessen: eine Konsumgesellschaft,
leicht zugängliche Drogen, blindwütige Massenekstasen, eine
Ideologie der Zerstreuung anstelle von Ideen und Geist. Scheinbar
entlarven die Strugatzkis hier den Westen, und der Roman wird
veröffentlicht - doch tatsächlich schildern sie, durchaus
prophetisch, die Zukunft Russlands.
Schritt für Schritt wird die Prosa der Brüder
Strugatzki erwachsener, härter. Die theoretischen moralischen
Dilemmata, mit denen sich der glückliche Mensch der Zukunft
konfrontiert sehen könnte, weichen den verkappten, aber klar
erkennbaren Realien des sowjetischen Lebens. Die Themen der neuen
Bücher sind die Geheimpolizei, die totale Bürokratie, die
persönliche Freiheit.
»In Russland ist ein Dichter mehr als Dichter.«
Dieser Vers Jewgeni Jewtuschenkos, der von der Mission und der
Rolle des literarischen Talents in unserem über Jahrhunderte
unfreien Land sprach, vom Recht und der Pflicht der schöpferischen
Persönlichkeit, gegen die Verknöcherung des Systems, gegen
Totalitarismus und Ungerechtigkeit zu kämpfen, dieser Vers kann in
Bezug auf Arkadi und Boris Strugatzki umgeformt werden: »In der
UdSSR ist ein Science-Fiction-Autor mehr als ein
Science-Fiction-Autor.«
In einem Land, in dem jede Kritik an den
Machthabern und den bestehenden politischen, sozialen,
wirtschaftlichen und kulturellen Zuständen verboten ist, in dem
jede »ernste« Literatur dazu verurteilt ist, das System zu
verherrlichen, sind winzige Enthüllungen und Nadelstiche nur in der
Phantastik möglich. Eben weil es dabei vorgeblich nicht um uns
geht, nicht uns angeht. Eben weil es ein vermeintlich unernstes
Genre ist.
Hat jemand, von dem Prophezeiungen über die
Zukunft erwartet werden, das Recht, sich und andere zu belügen?
Darf er auf die Gelegenheit verzichten, gegenüber denen, die ihm
glauben und ihm aufmerksam zuhören, den wahren Stand der Dinge
wenigstens anzudeuten?
»Das Märchen von der Troika«, 1968 erschienen,
formal eine Fortsetzung zu »Der Montag fängt am Samstag an«, zeigt
sich als unerwartet harte Satire, die die verknöcherte
Sowjetbürokratie entlarvt, ja beinahe direkt Breschnew und seine
Umgebung parodiert. »Die bewohnte Insel« aus dem Jahre 1969
schildert eine Welt, in der die Bevölkerung eines
feudal-faschistischen Staates durch eine besondere Strahlung in
einen zombiehaften Zustand versetzt wird (ist das nicht die reinste
Allegorie auf das Propagandafernsehen?), während eine Minderheit,
die auf die Strahlung nicht anspricht, teils das Land regiert,
teils brutal verfolgt wird - mitsamt den Arbeitslagern und den
todgeweihten Strafbataillonen …
Das System lief gegen die neuen Bücher der
Strugatzkis Sturm. Ihre Texte wurden von der Zensur verstümmelt,
man verlangte von ihnen, die Romane von noch so kleinen
Anspielungen an die UdSSR zu säubern, man mäkelte an den
Handlungsorten, den Namen fiktiver Organisationen herum, man
änderte den Handlungsverlauf. Das Redaktionskollegium der
Zeitschrift Angara, die es als erste gewagt hatte, »Das
Märchen von der Troika« zu drucken, wurde kollektiv entlassen, der
Roman bis zur Perestroika nicht mehr gedruckt. Und das spätere
Kultbuch »Picknick am Wegesrand«, nach dem Andrej Tarkowski seinen
Film Stalker drehte, wartete ganze elf Jahre auf die
Veröffentlichung.
Doch selbst in der von der Zensur kastrierten
Form blieben die Romane der Brüder Strugatzki schärfer als alle -
zumindest als die meisten - anderen Texte, deren Veröffentlichung
erlaubt wurde. Jedes neue Buch traf zielsicher wieder einen Nerv
der Gesellschaft und des Systems, rief in den Küchen von Millionen
Wohnungen stürmische Diskussionen hervor, führte zu wütenden
Verrissen in der staatlichen Presse. Allen war klar, dass sich in
den Texten der Strugatzkis - ganz nach Puschkins Wort, wonach das
Märchen Lüge ist, aber eine nützliche Lehre enthält - hinter den
Abenteuern der Helden
noch andere Bedeutungsschichten verbargen, dass ihre scheinbar
phantastischen Romane mehr Wahrheit über das Leben in der
Sowjetgesellschaft enthielten als Zeitungsartikel und
Fernsehreportagen. Die Romane von Arkadi und Boris Strugatzki
lösten Diskussionen in einem Land aus, in dem es keine geteilten
Meinungen geben durfte, und es ist keine Übertreibung, wenn man
ihren Einfluss auf das Denken der Menschen mit dem Einfluss solcher
Titanen wie Alexander Solschenizyn gleichsetzt. Mit einem
entscheidenden Unterschied: Während die Texte Solschenizyns über
Jahrzehnte einem engen Kreis von dissidierenden Wagehälsen
vorbehalten blieben, die einander handgefertigte Abschriften
übergaben, erschienen und verkauften sich die Bücher der
Strugatzkis weiterhin in atemberaubend hohen Auflagen. Denn sie
gerieten nie ins Moralisieren, in trockene Didaktik, sie lehrten
nicht, wie man leben, was man tun sollte, sie schnitten nur auf
elegante Weise Themen an, die als tabu galten, zeigten, dass auch
in einem Land, in dem man an nichts zweifeln darf, Zweifel
unerlässlich ist. Jeder denkende Mensch in unserem Land mit seinem
komplizierten Schicksal, mit dem ewigen Konflikt zwischen
Individuum und System, zwischen Volk und Staat - und erst recht ein
Mensch, der Macht über das Denken anderer hat - muss zweifeln. Er
muss für die Freiheit einstehen, muss mutig genug sein, eine eigene
Meinung zu haben und sie zu vertreten.
Es ist bemerkenswert, dass Boris Strugatzki 2009
- Arkadi, der ältere Bruder, starb 1991 - einen Briefwechsel mit
dem Häftling Michail Chodorkowski begann, einst der an Geld und
Einfluss reichste Geschäftsmann Russlands und nun der einzige -
oder zumindest der bedeutendste - politische Gefangene.
Chodorkowski, der nach offiziellen Angaben für Steuervergehen im
Gefängnis sitzt, tatsächlich aber, weil er sich Wladimir Putin
entgegenstellte, ist nach wie vor eine Schlüsselfigur der
schwächlichen russischen Opposition. Der
Briefwechsel beginnt mit einer Prognose der Zukunft der Menschheit
- Chodorkowski, den ehemaligen Erdölmagnaten, interessiert die
Ansicht des Science-Fiction-Autors zu Energieversorgung, den
begrenzten Ressourcen des Planeten und den Möglichkeiten neuer
globaler Konflikte - und kommt dann zwangsläufig zum Zustand der
gegenwärtigen russischen Gesellschaft. Und wieder werden
Unfreiheit, die Konfrontation mit den Machthabern und das Schicksal
Russlands für Boris Strugatzki zum aktuellen Thema; die
Briefpartner sehen Parallelen zwischen der gegenwärtigen Situation
und den Zuständen, als das Land noch UdSSR hieß. Die Härte der
Strafe und die Unversöhnlichkeit der Machthaber gegenüber dem
längst nicht mehr gefährlichen Chodorkowski sprechen dafür, dass
man ihn nach wie vor als Bedrohung empfindet - und genau darum ist
im Verhalten Boris Strugatzkis, der sowohl die Briefe des
ehemaligen Oligarchen beantwortet als auch einer Publikation des
Briefwechsels zugestimmt hat, eine öffentliche Stellungnahme zu
sehen. Ein denkender Mensch hat eben in unserem Land die Pflicht,
an allem zu zweifeln, ganz besonders an den Handlungen der
Mächtigen.
Für diese Prinzipienfestigkeit, diesen Mut kann
man die Strugatzkis achten und schätzen. Doch die Liebe, die ihnen
die Leser in Russland entgegenbringen, erklärt sich dadurch noch
nicht. Jedes Buch von Arkadi und Boris Strugatzki ist vor allem
eine ungeheuer spannende Lektüre. Die Handlung fesselt von den
ersten Seiten an und hält die Spannung bis zum Schluss. In die
Protagonisten verliebt man sich - oder man beginnt sie zu hassen -,
ganz als wären es lebendige Menschen. Die Welten der Strugatzkis
sind von Anfang an glaubwürdig. Sie finden immer solche Helden,
solche Umstände, eine solche Sprache, dass sich die moralischen,
philosophischen, politischen Fragen, die sie als Schriftsteller
umtreiben, ganz natürlich ergeben, ein absolut lebendiger,
harmonischer Bestandteil des Erzählten sind.
Einmalig ist an ihren Büchern auch, dass sie
einander ganz unähnlich sind. Die Strugatzkis entwickelten sich
ständig weiter, allein im Laufe der 1960er Jahre haben sich ihr
Stil und ihre Philosophie grundlegend verändert, ihre Könnerschaft
nahm explosionsartig zu, und sie kehrten nur selten zu schon
behandelten Themen zurück: von den naiv-romantischen »Praktikanten«
hin zu dem bitteren, nachdenklichen Roman »Das Experiment« (der
erst 1989 veröffentlicht werden konnte), in dem das, was in der
UdSSR vorgeht, als Experiment an lebenden Menschen beschrieben
wird, ein Experiment, von dem man nicht mehr weiß, wer es wann und
zu welchem Zweck begonnen hat, das aber dennoch einfach
weiterläuft, auch wenn die Experimentatoren das Interesse an den
Versuchspersonen längst verloren und sie ihrem Schicksal überlassen
haben, ja wenn diese Experimentatoren nicht vielleicht überhaupt
ausgestorben sind.
Dieser Wille zur unablässigen Veränderung ist
selten in der Literatur. Das Publikum erwartet schließlich, dass
man die Werke, die gefallen haben, immer wiederholt, es stimmt mit
dem Geldbeutel über das Einhalten der einmal eingeschlagenen
Richtung ab, bestraft Abweichungen unerbittlich. Doch auch wenn in
der UdSSR keine kommerziellen Mechanismen am Werke waren - alle,
also auch die künstlerische Intelligenz, wurden vom Staat ernährt,
und wer auf materielle Vorteile aus war, brauchte nur in die Partei
einzutreten und die Subordination einzuhalten -, so ging es den
Strugatzkis um etwas ganz anderes: Sie befanden sich selbst auf der
Suche - nach Antworten auf die ständig wachsenden Fragen an das
System, an die Menschheit, an den einzelnen Menschen.
Aus irgendeinem Grund glaubt man - ich sagte es
bereits -, dass die Science Fiction keine richtige ernsthafte
Literatur ist. Zugegeben, das trifft auf die zu reinen
Unterhaltungszwecken geschriebene Science Fiction bestimmt zu, aber
eines
weiß ich: Im letzten Jahrhundert gab es in der sowjetischen
Literatur nur sehr wenig, das sich mit der Science Fiction der
Brüder Strugatzki messen konnte, was die Zuneigung der Leser, den
Einfluss auf das kritische Denken, die Allgemeingültigkeit und die
Tiefenwirkung angeht. Die Strugatzkis sind einer der wichtigsten
Bestandteile im kulturellen Code des sowjetischen und russischen
Menschen. Man braucht sie nur zu lesen, um zu verstehen, wie und
wofür wir lebten, um sich klar zu machen, was wir heute sind.
Die Strugatzkis - das ist kraftvolle,
talentierte, ernsthafte Literatur. Das ist wahre lebendige
Klassik. Das sind galaktische Sterne von der Größenordnung eines
Ray Bradbury oder eines Kurt Vonnegut, glauben Sie mir. Sie konnten
sie bei sich auf der westlichen Hemisphäre nur nicht so gut
sehen.