Kapitel 23

Jennifer Scribner-Snyder

Beth Fremont

: Do., 10. 07. 1999, 9:47 Uhr

Schon wieder eine Knaller-Story

So wie du letzte Woche gejammert hast, hatte ich meine Erwartungen ziemlich runtergeschraubt. Aber sieh mal an – auf der Titelseite und oberhalb der Faltung. Riesiges Foto, gute Einleitung, gutes Ende. Am besten fand ich das Zitat von einem der Demonstranten: »Wenn der Tadsch Mahal an der Ecke 84ste/Dodge Street stehen würde, dann würden sie ihn auch für ein Parkhaus abreißen.«

1. Hör auf damit, du alte Schmeichlerin. Du klingst ja schon wie meine Mutter oder so.

2. Dieser Demonstrant war richtig süß. Wunderschöne rote Haare. Und sogar Pharmazeutikstudent. (Wow, jetzt klinge ich wie meine Mutter.) Wir haben uns nett darüber unterhalten, wie sehr die Stadt dem Kult der Parkhäuser huldigt. Ich bin sogar so weit gegangen, zu überlegen, dass man dafür doch jedes wichtige Gebäude abreißen und stattdessen Shuttlebusse nach Des Moines und Denver einsetzen könnte. Unsere komplette Wirtschaft könnte auf der Parkindustrie basieren. Er fand das ziemlich witzig, das konnte ich sehen. Und als ich ihn dann nach einer Telefonnummer gefragt habe, unter der ich ihn erreichen kann, falls ich noch weitere Fragen habe, hat er mich nach meiner Nummer gefragt. (!!!)

Wie jetzt? Das ist gestern passiert? Welche Informationen enthältst du mir denn noch vor? Wenn mir je ein süßer rothaariger Pharmaziestudent auch nur die Uhrzeit verraten würde, dann wärst du die Erste, die davon erfahren würde. Mir pfeifen ja nicht einmal die Bauarbeiter hinterher.

Das liegt daran, dass du vorsorglich tödliche Lasst-mich-bloß-in-Ruhe-Strahlen aussendest. Außerdem entdeckt jeder, der auch nur im Entferntesten in deine Reichweite kommt, augenblicklich das Glitzern des riesigen Klunkers an deinem Finger.

Und außerdem bin ich pummelig. Also, was hast du dem süßen Anti-Parkhaus-Typen erzählt?

1. Wenn du hier weiter behauptest, du wärst pummelig, dann werd ich meine romantischen Misserfolge bestimmt nicht länger mit dir teilen. Dann musst du sie eben im Penthouse-Forum lesen wie jeder andere auch.

2. Ich hab was ganz Komisches gemacht. Ich hab ihn angelogen.

Hast du ihm nicht erzählt, dass du einen Freund hast?

Nein. Ich hab ihm erzählt, ich wäre verlobt.

»Sorry«, hab ich gesagt, »ich kann nicht. Ich bin verlobt.« Dann hat er auf meine Hand geguckt und ist rot geworden. (Es war ein zauberhaftes rothaariges Erröten.) Und ich so: »Den hab ich auf dem Spülstein liegen lassen.«

Ich kam mir vor wie du bei Gap, beim Bezahlen von Strampelanzügen. Ich hab mir einfach ein Leben zusammengesponnen. (Eigentlich war es sogar noch übler als das – denn du willst ja nicht mal ein Baby. Ich aber will mich verloben. Ziemlich verzweifelt, ich geb’s ja zu.)

Und als Chris dann gestern Abend nach Hause kam und ins Bett gekrochen ist, da konnte ich ihm nicht mal in die Augen sehen.

Zum einen, weil ich dem Typen wirklich unheimlich gerne meine Nummer gegeben hätte.

Und zum anderen, weil ich gelogen habe.

Interpretier in die Sache mit der Telefonnummer nicht zu viel rein. Du hast dich geschmeichelt gefühlt. Das ist doch ganz normal. Das weiß ich natürlich nur aus der Glamour und weil ich immer The View gucke, und nicht etwa aus eigener Erfahrung.

Hat Chris denn gemerkt, dass du ihm nicht ins Gesicht sehen konntest?

Nein, dafür war keine Zeit. Er ist eingeschlafen, noch bevor ich ihn fragen konnte, wie die Probe gelaufen ist. Den ganzen Abend die Axt zu schleifen macht einen wirklich fertig.

Iiih. Ist das ein Euphemismus für Masturb@tion?

Nein, ich denke, d@s ist ein Euphemismus für »Elektrikgit@rre spielen«. Oder vielleicht eine Redewendung. Ich weiß auch nicht genau. Meinst du echt, »Masturbation« ist eines von den Filter-Wörtern?

Tja, das ist jetzt wohl auch egal. Wenn ich gefeuert werde, weil du unbedingt den Drachen reizen musstest, dann musst du mich und meine teuren Einkaufsgewohnheiten bei Baby-Gap aber unterstützen.

1. »Den Drachen reizen«. Noch eine Umschreibung fürs Masturbieren?

2. Baby-Gap. Immer noch?

1. Ha.

2. Immer noch. Letzte Woche hab ich einen Sellerie-grünen Schneeanzug mit passenden Handschuhen für nur 3,99 $ ergattert!

Grün ist eine gute Wahl – gut für ein rein fiktives kleines Mädchen oder einen fiktiven Jungen. Und die Jahreszeit ist bei fiktiven Kindern sowieso völlig egal.

Genau. Ich gehe nicht mal mehr zum normalen Gap. Fiktive Mütter finden ja nur so selten Zeit für sich selbst.

Kann ich mir vorstellen.

Und worum geht es in der morgigen Indian-Hills-Story?

Es gibt keine.

Ich hoffe, doch. Du bist für morgen früh mit 40 Zentimetern eingeplant.

Shit.

Liebe auf den zweiten Klick
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