Kapitel 11
Von: Beth Fremont
An: Jennifer Scribner-Snyder
Gesendet: Freitag, 03. 09. 1999, 13:14 Uhr
Betreff: Dieses Wochenende
Hey, die neuen Filme für diese Woche sind alle am Mittwoch rausgekommen, also hab ich heute Abend frei, und Chris hat eine Show. Brauchst du immer noch Abstand von deinem schmollenden Ehemann? Hast du Lust, mit mir wegzugehen? Wir könnten ins Kino gehen oder so.
Von Jennifer an Beth: Warum willst du denn ins Kino, wenn du heute mal Urlaub vom Filmegucken hast? Ich schreibe an meinem freien Tag bestimmt keine Schlagzeilen. (Allerdings berichtige ich durchaus Grammatikfehler. Was Mitch ganz schön auf die Nerven geht.)
Ich würde ja gerne mit dir ins Kino gehen, aber heute hat North sein erstes Heimspiel. Mitch hat mir bestimmt schon das gold-blaue Sweatshirt rausgelegt, das er mir zum Geburtstag geschenkt hat. Ich werde den Abend damit verbringen, auf einer kalten, harten Bank auf der Tribüne zu sitzen und dabei zuzuschauen, wie mein Mann Tequila und All Hail the Golden Vikings dirigiert. (Und merkwürdigerweise werde ich dabei sogar Spaß haben.)
Hey, warum stößt du nicht dazu? Komm mit zum Spiel. Ich kann dir sogar ein paar Viking-Fanklamotten leihen – was hältst du von Wollmützen mit Hörnern?
Von Beth an Jennifer: Ja, warum eigentlich nicht? Vielleicht, weil ich immer noch zu cool bin, um mich zu den Typen zu setzen, die nur wegen der Band gekommen sind?
Ich weiß nicht so recht … aber es könnte vielleicht sogar ganz lustig werden. Ich könnte schamlos mit heißen Highschool-Jungs Augenkontakt aufnehmen.
Von Jennifer an Beth: Nur Highschool-Mädchen finden Highschool-Typen heiß. Das muss irgendwas mit den Neonleuchten in den Klassenräumen zu tun haben, denke ich. Ehrlich gesagt sind die nämlich alle schlaksig und pickelig, und sie haben riesige Füße. Warum gehst du denn nicht zu Chris’ Konzert?
Von Beth an Jennifer: Da gehe ich nicht mehr hin. Und ich weiß, dass du mich sowieso nach dem Grund fragen wirst, also erklär ich’s dir lieber gleich:
Im College hab ich keine einzige von seinen Shows verpasst. Ich hab erst stundenlang Eyeliner aufgelegt und dann noch mal Stunden gebraucht, um Chris’ Eyeliner aufzutragen. Ich bin in den Club gegangen, hab ihnen beim Aufbauen geholfen und die beiden Bands vorher ertragen, um sicherzugehen, dass ich vorn links sitze, sodass ich genau in seinem Blickfeld war, wenn er von seiner Gitarre hochgeguckt hat. Wie Courteney Cox im Dancing-in-the-Dark-Video. Es war das reinste Nirwana. (Also, prä-Nirvana Nirwana.)
Und dann hab ich angefangen, für den Kulturteil zu arbeiten. Und alle von Chris’ Freunden haben davon erfahren und sind bei den Konzerten zu mir gekommen, um mir ihre Tapes zuzustecken und so zu tun, als würden sie mich mögen.
Und dann haben Stef und Chris sich gestritten, weil ich für die Zeitung arbeite …
Und außerdem arbeite ich ja sowieso meistens am Wochenende, also …
Ist es für mich einfacher, an den Konzertabenden zu Hause zu bleiben und auf ihn zu warten.
Von Jennifer an Beth: Was war das denn für ein Streit? Und findet Chris es denn nicht schade, wenn du bei den Shows nicht dabei bist? (Und du erzählst sonst nie vom College. Ich sehe dich direkt vor mir, wie du in bester Groupie-Manier vor dich hin lechzt.)
Von Beth an Jennifer: Und ob ich übers College rede. Oder nicht? Das College fand ich toll. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen.
Der Streit war total bescheuert: Stef war davon überzeugt, dass in den Medien viel häufiger über die Band berichtet würde, wenn ich nicht beim Courier arbeiten würde.
Von Jennifer an Beth: Oooh, wie ich Stef hasse. Der hat ein echtes Yoko-Ono-Problem.
Und jetzt mal im Ernst, du redest wirklich nie übers College. Ich weiß ja nicht einmal, wie Chris und du euch kennengelernt habt.
Von Beth an Jennifer: Das mit dem Yoko-Ono-Problem kannst du laut sagen. Vor allem hält er sich für Paul McCartney. Dabei hat Paul McCartney so eine reine Seele. Und ist außerdem Monogamist.
Von Jennifer an Beth: Und sie haben ihn zum Ritter geschlagen.
Von Beth an Jennifer: Und er kämpft für die Tierrechte! Eigentlich bringt nur eine Sache Stef mit Sir Paul McCartney in Verbindung, nämlich das Kiffen.
Und du weißt doch, wie ich Chris kennengelernt habe. Beim Studentenwerk.
Von Jennifer an Beth: Beim Studentenwerk. Das ist, wo ihr euch kennengelernt habt, nicht wie. Ich will wissen, ob es Liebe auf den ersten Blick war. Wer wem zuerst aufgefallen ist. Die ganze Chose.
Und außerdem hast du nicht auf meine Frage geantwortet: Findet Chris es denn nicht schade, wenn du bei den Shows nicht dabei bist?
Von Beth an Jennifer: Ehrlich gesagt glaube ich, dass es für ihn einfacher ist, wenn ich nicht dabei bin und zusehe. Die anderen in der Band sind wilde und verrückte Single-Typen. Ich trinke nicht besonders viel, und ich rauche überhaupt nicht, und ich kann es mir auch nie verkneifen, über ihr völlig unreifes und sexistisches Getue Bemerkungen zu machen. Ich schlage ihnen auf den Stil.
Von Jennifer an Beth: Und da sollte man doch meinen, dass eine Band namens Sacajawea etwas für freidenkerische Frauen übrighat.
Von Beth an Jennifer: Das sagst du immer.
Von Jennifer an Beth: Gar nicht, das hab ich bisher nur ein einziges Mal gesagt, aber der Spruch ist so kernig, den musste ich einfach noch mal bringen. (Kernig, so würde ich meine Band nennen.)
Von Beth an Jennifer: Und ich würde deine Band Erbermlich nennen.
Egal. Jedenfalls danke für die Einladung zum Spiel, aber ich denke, ich gehe wohl doch eher ins Kino. (Mehr Highschool-Typen für dich.) Im Ein-Dollar-Kino läuft Matrix. Und ehrlich gesagt sehe ich mir an meinem freien Abend gerne einen Film an. Zum Entspannen. Dann muss ich nämlich endlich mal nicht kritisch denken, ich muss nicht einmal richtig hingucken.
Vielleicht schaue ich nach dem Film sogar noch bei Sacajawea vorbei. Nach deinen Kommentaren fühle ich mich nämlich wie eine schlechte Freundin.
Von Jennifer an Beth: Du könntest jede Menge Eyeliner auflegen und dich in die erste Reihe drängeln.
Von Beth an Jennifer: Weiß noch nicht, mal sehen.