Wir gründen eine Untersuchungskommission, um den Gaul zu analysieren!
Glaubensbekenntnisse und Selbstrechtfertigungen werden immer stabiler, wenn man sich der eigenen Überzeugungen auf eine besondere Weise vergewissert. Man wendet eine bestimmte Art der Informationspolitik an: Informationen, die zu den eigenen Überzeugungen passen, werden für nützlich, fundiert, ja überhaupt für beachtens- und bemerkenswert erklärt. Informationen, die nicht zum eigenen Glaubenssystem passen, diesem widersprechen oder es widerlegen, werden gar nicht erst bemerkt, ignoriert oder für falsch, sinnlos oder unwichtig gehalten.
So schaffen wir es, durch die Analyse unserer Überzeugungen an diesen festzuhalten und tote Gäule, nun nach sorgfältiger Analyse, überzeugt weiterzureiten. Je überzeugter wir von unseren Überzeugungen sind, umso aktiver lässt sich die Analyse gestalten. Wir gehen gezielt auf die Suche nach bestätigenden Informationen und biegen uns Informationen so zurecht, dass sie zu unseren Glaubenssätzen passen. Wir glauben nicht, was wir sehen, sondern wir sehen, was wir glauben. Selbst, wenn wir nichts sehen, glauben wir, nein: wissen wir, wie es ist, nämlich richtig und nicht falsch. Das Ergebnis: Unsere verlässlichen Überzeugungen sind noch verlässlicher geworden, so dass noch weniger Anlass besteht, von ihnen abzulassen. Der tote Gaul kann überzeugt weitergeritten werden. Ein manchmal lebensgefährlicher Ritt:
Am 26. März 1997 wurden 39 Tote auf einer Farm im kalifornischen Rancho Santa Fe aufgefunden: Ein Massenselbstmord hatte stattgefunden. Alle Toten waren Anhänger einer Sekte, die sich Heaven’s Gate nannte. Die Körper der Toten waren sorgfältig aufgebahrt, die Gesichter mit lila Tüchern bedeckt, die Füße mit nagelneuen Turnschuhen der Marke Nike bestückt. Alle Mitglieder der Sekte waren freiwillig und friedlich gestorben, um in einem Paradies weiterzuleben. Ihre Überzeugungen und ihre Absichten hatten sie ausführlich auf Video festgehalten. Der zu dieser Zeit gut sichtbare Komet Hale-Bopp kündigte angeblich ihr Fahrzeug ins Paradies an. Im Gefolge des Kometen war, wie sie zu wissen glaubten, ein gigantisches Raumschiff zu ihnen unterwegs, um sie an den neuen Ort und in eine andere gewünschte Existenz zu bringen. Voraussetzung dafür war allerdings, dass sie sich von ihrem irdischen Ballast befreit haben mussten.
Einige Wochen vor der Selbsttötung hatten einige Sektenmitglieder in einem Fachgeschäft ein Hochleistungsteleskop gekauft, um den Kometen, der noch weit entfernt war, und das ihn begleitende Raumschiff besser sehen zu können. Schon nach einigen Tagen brachten sie ihr Teleskop wieder zurück und verlangten auch ihr Geld wieder. Ihre Begründung: Das Teleskop tauge nichts, weil man das Raumschiff nicht erkennen könne. Wenn ein teures Teleskop das nicht zustande bringe, könne es nichts taugen und müsse defekt sein.[112]
Nachbarn, die Kontakt mit den Anhängern von Heaven’s Gate hatten, schildern sie als angenehme, vernünftige und intelligente Menschen. Viele waren als Programmierer beschäftigt und kannten sich mit modernen Technologien, Computern und dem Internet bestens aus. Ach ja: Das Raumschiff hinter Hale-Bopp traf niemals in Kalifornien ein.