Hoffnung heilt Krebs!? Lachen macht gesund!?
Seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wird vielerorts lautstark behauptet, dass die richtige Einstellung Krankheit verhindern bzw. gesund machen könne, selbst bei Krebs. Kann man Krebs weghoffen? Machen Optimismus und Lachen gesund?
O. Carl Simonton hat diese Behauptung einen Bestseller[20] eingebracht. Weltweit tummeln sich seitdem Verkünder positiven Denkens, um Krebspatienten mental entsprechend auszurichten.[21] Die Kranken werden aufgefordert, ihre Vorstellungskraft zu nutzen, um innere Kraftquellen anzuzapfen. Sie sollen lernen, »gesunde Gedanken« von »ungesunden Gedanken« zu trennen. Ungesund ist das pessimistische Grübeln.
»Gesunde Gedanken« sollen gezielt trainiert und förderliche Fähigkeiten in den Blick genommen, Selbstbewusstsein und Intuition unterstützt werden. Besonders hervorgetan hat sich dabei der Bestsellerautor Deepak Chopra, der auch gleich eine Nonsens-Theorie seiner Behauptungen mitliefert, die »Quantenheilung«[22] . In seinen zahlreichen Gesundheits- und Lebenshilfebüchern, die weltweit Millionen-Auflagen erreichen und in mehr als zwei Dutzend Sprachen übersetzt wurden, greift Chopra gerne auf Begriffe aus der Quantenphysik zurück. Dafür erhielt er 1998 zu Recht den satirischen Ig-Nobelpreis für Physik. Dieser Nobelpreis – Ig greift das englisch/französische Wort: ignoble = unwürdig, schmachvoll, schändlich auf – ist eine satirische Auszeichnung, die von der Harvard-Universität in Cambridge (USA) für unnütze, unwichtige oder skurrile Arbeiten verliehen wird. Bedingung für eine Nominierung ist, dass die »Entdeckung« im wissenschaftlichen Versuch nicht wiederholt werden kann oder nicht wiederholt werden sollte. Die Preise werden für Arbeiten verliehen, die einen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen. Chopra kann einen also durchaus zum Lachen bringen. Sein krebskrankes Zielpublikum hingegen muss – folgt es Chopras Anweisungen – hart arbeiten: »Wenn Sie wirklich Ihren Krebs loswerden wollen, dann müssen Sie den ›Krebsgeist‹ austreiben. Der Krebsgeist ist nichts anderes als das Zellgedächtnis, ein Quantenfluss auf zellulärer Ebene. Sie müssen auf diese tiefe Ebene gehen, den ganzen Prozess beobachten und dann die intelligenten Muster umstrukturieren, die uns unsere physische Erscheinung geben. Wenn Sie wissen, wie es geht, dann können Sie nicht nur Krankheiten loswerden, sondern Sie können Ihren Körper neu strukturieren.«[23]
In der Zeitschrift Nexus empfiehlt Walter Last[24] unter der Überschrift »Vernünftige Krebsbehandlung« tägliche Phantasiereisen, um »positive Gefühle in das betroffene Organ zu leiten; es geht darum, emotionale Erschütterungen aufzuspüren und zu neutralisieren«.[25]
Der Chirurg Bernie Siegel behauptet, dass das Immunsystem den Krebs besiegen kann, »wenn man es nicht beeinträchtigt […], und emotionales Wachstum – die zunehmende Fähigkeit, sich selbst zu akzeptieren und ein erfülltes Leben zu finden – stärkt das Immunsystem«.[26] Simonton seinerseits gibt die Anweisung, man solle sich jeden Tag Zeit nehmen, um sich den Kampf der käferartigen Zellen vorzustellen oder zu zeichnen. Doch muss dies auf die richtige Weise geschehen. Stellt man sich die Krebszellen »falsch« vor, nämlich nicht schwach und unterlegen, und die körpereigenen Abwehrzellen nicht stark, angriffslustig und überlegen, so liebäugle man – so der wissende Simonton – mit dem Tod. Noch intensiver als bisher müsse man dann an sich und seinen hoffnungsvollen und optimistischen Gedanken arbeiten.[27]