Vergeben: Die Gläubiger geben ihre Ansprüche auf
Depressive halten zäh an Soll-Werten fest, auch wenn der gegenwärtige Zustand weit vom Soll-Wert entfernt ist. Durch diese Differenz entstehen offene Rechnungen. Das »Zahlungsziel« ist die Angleichung des Ist-Wertes an den Soll-Wert. Insofern sind Depressive gnadenlose Gläubiger. Da es ohne Schuld weder Gläubiger noch Schuldner gibt, ist Schuld das zentrale Thema der Depression und des Depressiven. Immer wieder drehen sich Denken, Fühlen und Handeln darum. Ein Gläubiger erwartet, dass sein Schuldner seine Schulden bezahlt. Im deutschen Schuldrecht[223] wird als Gläubiger bezeichnet, wer von seinem Schuldner eine Leistung fordern kann, also anspruchsberechtigt ist. Im psychologischen Sinn kann man aber auch gleichzeitig sein eigener Schuldner und Gläubiger sein: Andere sind mir etwas schuldig geblieben – ich bin mir etwas schuldig geblieben. Man kann als Gläubiger also Ansprüche gegenüber anderen und gegenüber sich selbst erheben.