Null-Fehler-Toleranz: Beunruhigend und gefährlich
Menschen, Organisationen und Unternehmen, die sich eine Null-Fehler-Toleranz zumuten und Fehlerkataloge sowie dickleibige Verhaltenshandbücher[92] zusammengestellt haben, sind extrem instabil. Schon kleinste unvorhergesehene Ereignisse, Abweichungen und Fehler – und oft schon deren Vermutung – lösen Panik und Chaos aus. Jeder neuartige Vorfall, der weder im Fehlerkatalog noch im Verfahrenshandbuch aufgeführt ist, lässt Ordnung und Routine zusammenbrechen. Unternehmen mit einer ausgeprägten Fehlerfreundlichkeit, wo also Fehler aufgedeckt, kommuniziert, analysiert und dadurch auch korrigiert werden können, sind dagegen besonders erfolgreich darin, Ziele zu erreichen, überdurchschnittliche Renditen zu erzielen und die Konkurrenz aus dem Rennen zu werfen.[93]
Das allzu große persönliche Interesse daran, alles richtig zu machen, erhöht die Wahrscheinlichkeit von Fehlern. Das wusste man früher sehr gut. Etwa in den Zeiten, als der Begriff des Qualitätsmanagements im Gesundheitswesen noch nicht erfunden war. Es galt einmal die stillschweigende Regel, dass ein Arzt keine eigenen Familienmitglieder behandelt. Warum? Weil der »Familienarzt« alles daran setzt, bei seinen »Lieben« das Richtige zu tun. Und gerade das kann den Blick trüben.