6
Von toten Gäulen soll man absteigen
Wenn du entdeckst, dass du einen toten Gaul reitest, steige ab! So lautet eine alte und sehr vernünftige Indianerweisheit.
Umso erstaunlicher ist es, wie viele Anstrengungen Menschen unternehmen, um gerade das nicht zu tun. Die Verbissenheit, die dabei zutage tritt, überrascht, weil der Ritt auf toten Gäulen alles andere als erfreulich ist: Er bringt einen nirgendwo hin! Nun gut, die intensiven Reiterfahrungen der Indianer sind nicht mehr weit verbreitet.
Die toten Gäule, die wir heute trotz trüber Aussichten so ausdauernd reiten, sind Vorstellungen, Überzeugungen und Glaubenssätze, an denen wir festhalten, auch wenn sie unbrauchbar, überlebt oder ganz einfach nur falsch sind. Null-Fehler-Toleranz-Kulturen sind nichts anderes als ein kollektives Reiten auf toten Gäulen.
Wenn wir etwas erleben, was nicht in unsere Vorstellungen von uns selbst, von anderen oder der Welt passt, ist das eine besondere Herausforderung. Wir haben dann prinzipiell zwei Möglichkeiten: Wir korrigieren oder lassen ab von unserem Selbstbild und bestimmten Überzeugungen. Oder wir rechtfertigen unser Tun, unser Denken, unser Fühlen – wir reiten den toten Gaul weiter.
Wie machen wir das? Warum machen wir das?