Das Glaubensbekenntnis: Es wird schon nicht dazu kommen!
Zu den Produktionsbedingungen der Krise und zum Crash gehört auch die Vorstellung, dass sie ganz unerwartet aus heiterem Himmel hereinbrechen. Das Glaubensbekenntnis lautet: Crashs gehören der grauen Vergangenheit an, zu einer Weltwirtschaftskrise wird es schon nicht kommen.
All diese Vorstellungen sind Teil der Verteidigung des Hoffnungswahns, das letzte Aufgebot. Das letzte Gefecht stellt den Crash als etwas letztlich Schicksalhaftes und Mysteriöses dar. Und selbst die Katastrophe stellt das Glaubenssystem der spekulativen Hoffnung nicht in Frage. Erklärungen werden anderswo gesucht. Dort, wo sie das Glaubenssystem nicht gefährden können: Als Ursache für den unvermeidlichen Kollaps einer Grundstückspekulation in Florida von 1926, der die Weltwirtschaftskrise einläutete, wurden zwei besonders heimtückische Hurrikans ausgemacht. Die Katastrophe wird auf Gott und das Wetter abgewälzt. Ergebnis: Informationsignoranz.
Wirtschaftsakteure berufen sich inzwischen (zumindest offiziell) weniger auf Hurrikans als auf Statistik, wenn sie Ereignisse oder Phänomene im Wirtschaftsbereich zu erklären bzw. zu beweisen suchen, dass diese nicht vorhersehbar waren oder gar nicht stattfinden können. So auch David Vinair, Finanzchef von Goldman Sachs, der erfolgreichsten Investmentbank an der New Yorker Wall Street, im August 2007 gegenüber der Financial Times. Er gibt zu bedenken, dass nun Dinge passierten, die 25 Standardabweichungen[65] vom Mittel entfernt lägen, und das schon mehrere Tage in Folge. Oder mit anderen Worten: Er spricht von Ereignissen, die dem strapazierten statistischen Modell entsprechend nur alle 10140 Jahre stattfinden dürfen. Das heißt: Goldman Sachs hat an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen Verluste erlitten, wie sie nur einmal in vierzehn Universen eintreten dürften.[66]