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»Mark? Hier ist Lara. Ich weiß nicht, wo du gerade steckst, aber ruf mich bitte schnell zurück. Ich habe hier etwas entdeckt, eine Verbindung zwischen Meller und Grünkern, unseren beiden Plattenbauleichen. Beide waren zu DDR-Zeiten als Erzieher in einem Kinderheim bei Zwickau tätig.« Sie wusste nicht, was sie noch hinzufügen sollte, und legte auf. Mark würde sie zurückrufen, wenn er seine Mailbox abhörte. Lara erwog kurz, ihn in der Praxis anzurufen, verwarf den Gedanken aber ganz schnell wieder. Er hasste es, bei der Arbeit gestört zu werden. Außerdem hatte seine Sprechstundenschwester vorhin gesagt, er sei unterwegs.

… dass ich in meiner Liste noch jemanden vergessen habe: Herrn Meller. Ich glaube, er hieß mit Vornamen Sieg fried, aber wir nannten ihn nur »Fischgesicht« … Wieder und wieder wurde der Text der E-Mail in Laras Kopf eingeblendet. Sie sah am Redaktionsgebäude nach oben. Die verspiegelten Fenster gleißten in der Mittagssonne. Rainer Grünkern und Siegfried Meller hatten beide in dem gleichen Kinderheim gearbeitet. Die Sonne verursachte ihr Kopfschmerzen, und Lara trat in den Schatten.

Sebastian Wallau hatte außerdem geschrieben, dass Grünkern ein »sehr böser Mann« gewesen sei, der auf Kinder stand. Was, wenn das auch auf Meller zutraf? Nachdenklich betrachtete Lara ihr Mobiltelefon. Sie musste die Polizei informieren. Das Nussknackergesicht von Kriminalkommissar Stiller erschien vor ihrem inneren Auge. Auf gar keinen Fall rufst du den Blechmann an! Zögernd drückte sie die Eingangstür auf und begab sich auf den Weg nach oben.

 

»Lara ist telefonieren gegangen. Sie kommt bestimmt gleich wieder.« Isabells helle Stimme drang durch die halbgeöffnete Tür ins Treppenhaus. Lara setzte den Fuß auf die oberste Stufe und blieb dann stehen.

»Die dreht langsam durch, scheint mir. Zuerst erhebt sie dauernd haltlose Anschuldigungen gegen mich. Dann verpasst sie Termine und vergisst, sich in die Abwesenheitsliste einzutragen. Und jetzt verschwindet sie einfach von ihrem Arbeitsplatz. So geht das nicht weiter.« Tom klang freudig erregt. »Wenn der Chef zurückkommt, werde ich mit ihm darüber sprechen müssen.«

»Wo könnte Lara denn hingegangen sein?«

»Keine Ahnung. Zuerst hat sie mir vorgeworfen, ich hätte in ihren Dokumenten rumgeschnüffelt, und dann ist sie wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen und hat irgendwas von ›telefonieren‹ gefaselt. Jetzt ist sie schon eine Viertelstunde weg.«

»Sie kommt bestimmt gleich zurück.« Jetzt hörte Isabell sich ängstlich an.

»Und wenn. Das ist auch egal, Isi. So verhält man sich einfach nicht. Ich werde jetzt mal in ihrem Rechner nachschauen, was Lara so aufgebracht haben könnte. Das ist legitim. Du bist meine Zeugin, dass ich nichts an ihren Dokumenten manipuliere.«

Lara drehte sich auf dem Absatz um und schlich abwärts. Wenn sie erst einmal durch diese Tür zurück in die Redaktionsräume gegangen war, würde sie nicht mehr von ihrem Arbeitsplatz wegkommen. Und ihr fehlte die Lust, um sich jetzt mit Tom auseinanderzusetzen. Auf der Straße schlug ihr heiße Luft entgegen. Lara kramte nach ihrem Autoschlüssel. Sie musste den Blechmann nicht informieren. Es gab auch nette Beamte, die einen Ermittlungserfolg viel eher verdient hatten als KK Stiller. Vielleicht machte Ralf Schädlich auch gerade Mittagspause und hatte Lust, sich mit ihr auf einen Kaffee zu treffen.

Dass sie in der Aufregung ihr E-Mail-Programm geöffnet gelassen hatte, sodass Tom nun endlich die Gelegenheit hatte, nach Belieben in ihren Mails herumzuschnüffeln, war Lara nicht aufgefallen.

Mark ließ den Finger auf der Klingel ruhen und betrachtete dabei die Namensschilder. Maria Sandmann schien nicht zu Hause zu sein. Er unterdrückte einen Fluch und ließ den Knopf los. Was nun? War die Patientin daheim und öffnete nur nicht? Oder hielt sie sich woanders auf? Es gab für ihn keine Möglichkeit, nur aufgrund eines diffusen Gefühls in ihre Wohnung einzudringen. Noch einmal klingelte er, aber es tat sich nichts. Langsam ging er zu seinem Auto zurück und dachte über die Situation nach. Vielleicht hatte er überreagiert. Aber die Frau war heute Vormittag nicht zu dem vereinbarten Termin erschienen und seitdem nicht erreichbar. Anhand ihrer Anamnese war Suizidgefahr keine unwahrscheinliche Annahme. Als Psychologe durfte er jedoch nicht einfach so bei einem Patienten die Tür aufbrechen, auch wenn er noch so beunruhigt war.

Mark setzte sich hinters Steuer, ließ die Fahrertür offen und schloss die Augen, um nachzudenken. Im Amt war sie nicht. Er hatte dort angerufen, sich als Kunde ausgegeben, der mit Frau Sandmann sprechen wollte, und die Auskunft erhalten, dass die Kollegin bis Ende der Woche krank sei.

Vielleicht hatten die anderen Hausbewohner einen Schlüssel zu ihrer Wohnung oder wussten, wo sie sich aufhielt? Er würde jetzt noch einmal beide Telefonnummern durchprobieren und dann bei den Nachbarn klingeln. In der gleichen Sekunde, als er die Augen wieder aufschlug, erblickte er sie.

Mit festen Schritten, die Unterarme angewinkelt, einen maskulinen Zug um den Mund, kam sie heranmarschiert. Sie trug eine Jeans und ein ärmelloses T-Shirt. Es war Mark noch nie aufgefallen, dass die Frau trotz ihrer Magerkeit klar definierte Muskeln hatte. Aber er sah ihre Oberarme jetzt auch zum ersten Mal.

Er wollte aus dem Auto springen, blieb mit dem rechten Fuß hängen und konnte sich gerade noch abfangen. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, war die Frau stehen geblieben und schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

»Frau Sandmann? Hallo!«

Maria Sandmann öffnete den Mund. Sie sah aus, als hätte sie ihn noch nie gesehen. Dann drehte sie sich um und spurtete davon. Der Rucksack auf ihrem Rücken wurde hin und her geschleudert, so schnell rannte sie. Mark rief ihr ein »Halt! So warten Sie doch!« nach, aber da war sie schon an der nächsten Kreuzung abgebogen. Es dauerte zu lange, bis er sich endlich von seiner Überraschung erholt hatte und ihr nacheilte.

Maria Sandmann war verschwunden.

Lara hob den Arm, um sich ein Mineralwasser zu bestellen. Ralf Schädlich hatte nicht viel Zeit für sie gehabt, ihr aber versprochen, sich um die Sache zu kümmern und sie auf dem Laufenden zu halten. Es machte ihr nichts aus, wenn er die Ergebnisse als seine ausgab. Wichtig war nur, dass sie den Täter fassten. Womöglich hatte er noch weitere Menschen im Visier. Lara hatte kein Mitleid mit Leuten, die Kinder quälten, aber sie hielt auch nichts von Selbstjustiz. Das hier war ein Rechtsstaat, und es gab Staatsanwälte, die Täter anklagten, und Richter, die sie verurteilten. Niemand musste höchstpersönlich Rache üben. Sie betrachtete den dunklen Bodensatz in ihrer Kaffeetasse und entschied sich, nach dem Wasser zurück in die Redaktion zu fahren. Sie hatte sich weder abgemeldet noch etwas in die Abwesenheitsliste eingetragen. Wenn Hampenmann das mitbekam, würde die Hölle los sein.

In ihrer Tasche klingelte das Handy. Fast wäre die Mailbox angesprungen, weil sie so lange brauchte, um es zu finden, aber sie schaffte es in letzter Sekunde.

»Lara? Mark hier. Ich habe gerade erst deine Nachricht abgehört, entschuldige. Ich war unterwegs.«

»Das macht nichts. Ich kann dir auch jetzt noch alles erzählen. Von der Verbindung zwischen den beiden Fällen habe ich inzwischen Kriminalobermeister Schädlich informiert, und er hat mir versprochen, sich der Sache anzunehmen.«

»Das ist gut, aber es gibt da noch ein anderes Problem.« Mark hörte sich abgehetzt an. »Es würde zu lange dauern, dir das am Telefon zu erklären. Wo bist du gerade?«

»Wo ich gerade bin?« Lara sah sich um. Drei Tische weiter saß eine alte Dame und fütterte ihr Hündchen mit Essensresten. Die Familie, die am Nachbartisch gesessen hatte, war gerade im Aufbruch begriffen. »Ich sitze im Lindencafé und habe gerade mit Ralf Schädlich Kaffee getrunken. Jetzt muss ich leider zurück in die Redaktion. Warum willst du das wissen?«

»Im Lindencafé, das ist gut. Bleib dort, ich komme hin. Bin in zehn Minuten da.«

Lara sah der Familie, die gerade um die Ecke bog nach. »Wie meinst du das, du bist gleich da?« Sie verstand nicht, wie Mark das anstellen wollte.

»Ich bin ganz in der Nähe. Frag mich jetzt nicht länger, ich erkläre dir gleich alles.« Er legte auf. Lara wollte ihr Handy gerade in die Tasche zurückstecken, als es erneut klingelte. »Ja, Mark? Hast du was vergessen?«

»Lara? Ich bin’s, Jo.«

»Jo?« Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und Lara schob die Lippen vor. Das war ja das reinste Hexenhaus heute.

»Hör mal, ich war gerade in der Redaktion. Wo steckst du denn?«

»Ich hatte einen Termin mit einem Informanten.«

»Ich wollte dich nur vorwarnen. Hier ist die Hölle los. Ich weiß nicht, was vorgefallen ist, aber dein netter Kollege Tom Fränkel führt sich auf wie der Rächer höchstpersönlich.« Lara verdrehte die Augen, während Jo weiterredete. Es war genau das eingetreten, was sie befürchtet hatte.

»Ich habe keine Ahnung, wie er da rangekommen ist, aber er hat deine Dokumente abgecheckt und deine Mails gelesen. Und nun regt er sich auf, dass du weiter in Fällen recherchierst, die dich nichts angehen. Vorhin, als Hampenmann wiedergekommen ist, ist Tom sofort zu ihm gestürmt und hat ihm von deinem ›Fehlverhalten‹ berichtet. Und nun ist der Hampelmann auf hundertachtzig, wie du dir bestimmt vorstellen kannst. Du solltest zusehen, dass du zurückkommst und das geraderückst.«

»Himmel hilf! Das war leider vorherzusehen. Danke, Jo, aber ich kann hier nicht weg. Ich treffe mich gleich mit Mark.«

»Mark Grünthal

»Genau der.«

»Ach was! Der war doch erst Sonntag vor einer Woche hier. Und jetzt ist er schon wieder im Lande?«

»Er hat sich ziemlich vage ausgedrückt. Aber ich gehe davon aus, dass es etwas mit den beiden Plattenbauleichen zu tun hat.«

»Oh, das interessiert mich auch. Wo seid ihr denn verabredet?«

»An altbekannter Stelle.« Lara musste grinsen.

»Im Lindencafé doch nicht etwa?«

»Du sagst es.« Auf der Stuhllehne neben Lara hatte ein kleiner dicker Spatz Platz genommen und sah sie mit schräggelegtem Kopf aus schwarzen Knopfaugen an.

»Weißt du was? Ich komme auch hin, wenn du nichts dagegen hast. Dann machen wir einen gemütlichen Plausch zu dritt. Oder wolltet ihr allein sein?« Er verlieh seiner Frage einen neckenden Beiklang.

»Nein, nein. Es geht um nichts, was du nicht wissen dürftest.«

»Dann mache ich mich gleich auf den Weg. Bin in zehn Minuten da!«

Matthias Hase öffnete die Augen und sah sich um. Der Fahrersitz war ganz nach hinten gekippt. Er lag mehr, als dass er saß. Direkt links neben seinem Kopf befand sich der Seitenholm.

Schatten zitterten über die Windschutzscheibe. Langsam richtete er sich auf und sah nach draußen. Das Auto stand in einer Parkbucht unter hohen Bäumen. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Sein Nacken war verkrampft. Hatte er geschlafen? Und wo befand er sich? Obwohl die Seitenscheibe ein paar Zentimeter heruntergelassen war, wirkte die Luft im Auto stickig und heiß.

Mit steifen Beinen stieg er aus dem Wagen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sein rechter Fuß war eingeschlafen. Rechts befand sich ein großer Park. Vorsichtig, als traute er seinen Muskeln nicht, machte Matthias ein paar Schritte und beschleunigte dann das Tempo. Noch bevor er an der Kreuzung angekommen war und das Straßenschild gelesen hatte, fiel ihm wieder ein, wo er sich befand. In Chemnitz, am Rande des Küchwalds. Aber was hatte ihn dazu gebracht hierherzufahren? Mit dem Versuch, seine Akten einzusehen, war er ja letztens schon gescheitert. Und wieso schlief er am helllichten Tag in seinem Auto ein?

Geistesabwesend ging Matthias zum Auto zurück, stieg wieder ein und schraubte die Rückenlehne in eine aufrechte Position. Die Leuchtziffern der Uhr zeigten vierzehn Uhr dreiunddreißig. Er stellte das Radio an und bekam gerade noch die Verkehrsmeldungen mit. Sein Gehirn wollte noch immer nicht damit herausrücken, was los war. Die halbvolle Cola war lauwarm und schmeckte widerlich süß. Er trank sie trotzdem aus. Erst als er die leere Flasche auf den Rücksitz werfen wollte, erweckte ein dunkler Klumpen hinter dem Beifahrersitz seine Aufmerksamkeit. Als er den Rucksack mit den Werkzeugen nach vorn holte, wusste er plötzlich wieder, warum er hier war. Am Küchwaldring wohnte Miss Piggy. Und sie erwartete seinen Besuch.

»Das ist ja eine Überraschung!« Jo umarmte Mark zur Begrüßung und klopfte ihm dabei zweimal kräftig auf den Rücken. Lara ertappte sich dabei, wie sie verzückt lächelte, und verdeckte das dümmliche Grienen, indem sie eine Hand vor den Mund hielt.

»Wir haben uns zwar erst vor anderthalb Wochen gesehen«, Mark klopfte zurück, »aber es ist mir immer wieder ein Vergnügen, du alter Haudegen.« Dann nahmen die beiden Männer Platz.

»Da sitzen wir nun wieder zu dritt hier.« Jo schlug die Karte auf.

»Es ist ein bisschen wie ein Déjà-vu, nicht?«

»Das kommt mir auch so vor. Und wieder haben wir etwas Ähnliches zu besprechen. Wenn das nicht seltsame Zufälle sind.« Mark lächelte kurz und fuhr fort: »Aber es gibt keinen Zufall. Das ist alles vorherbestimmt.« Er sah Lara an. Ihr Haar war inzwischen wieder schulterlang. Es glänzte im Licht golden. »In deiner Nachricht hattest du gesagt, es gäbe eine Verbindung zwischen den beiden Plattenbauleichen. Meller und Grünkern waren beide als Erzieher in dem gleichen Kinderheim tätig?«

Lara nickte.

»Kannst du deine Ergebnisse in Kurzform für uns beide zusammenfassen?« Sie warteten, bis der Kellner wieder verschwunden war, und dann begann Lara, von ihren Recherchen zu berichten. Sie beschrieb ihre Besuche bei den beiden alten Damen in Grünau und in der »Schraubenbude«, die Internetsuche nach dem Heim, in dem Grünkern tätig gewesen war, ihren Briefwechsel mit Sebastian Wallau und wie sich eine unerwartete Parallele zu Siegfried Meller ergeben hatte. Als sie fertig war, herrschte einen Augenblick lang Stille am Tisch. Sogar die Spatzen waren verstummt.

»Das klingt alles sehr plausibel, insbesondere wenn man bedenkt, dass bei diesem Meller Kinderpornografie gefunden worden sein soll.« Jo nahm einen Schluck Bier.

»Die Tätigkeit im Kinderheim ist die Verbindung zwischen den beiden Opfern. Das waren keine Morde durch einen Unbekannten. Da wollte sich jemand rächen.« Mark nickte bekräftigend zu seinen Worten.

»Aber warum erst jetzt?« Lara spürte, wie trocken ihr Mund war, und nahm einen Schluck Wasser.

»Wenn wir das wüssten …«

»Und die Kripo weiß schon über das alles Bescheid?« Jo wischte mit dem Bierdeckel über eine feuchte Stelle auf der Tischplatte.

»Ja. Ich habe Ralf Schädlich«  – Lara sah zur Uhr  – »vor einer knappen Stunde alles berichtet. Ich bin sicher, er gibt das sofort weiter. Jetzt habe ich aber genug geredet. Du bist mir noch eine Erklärung schuldig.« Sie sah Mark an, der ihr zunickte.

»Ganz recht. Und so komisch es klingen mag, es hängt mit deinem Fall zusammen. Deshalb meinte ich vorhin auch, es gäbe keine Zufälle.« Er hob das fast leere Glas und wartete, bis der Kellner sein Zeichen bemerkte hatte, ehe er begann, von seiner Patientin zu berichten.

»Das ist ja erstaunlich.« Jo runzelte die Stirn. »Sie war als Kind in einem Heim und hat den Namen Meller erwähnt?«

»Ja. Unter Hypnose. Ihr Wachbewusstsein weiß nichts davon.« Von dem Brief erzählte Mark nichts. Er wollte nicht zu viele Details ausplaudern, um Maria Sandmann zu schützen, auch wenn er von ihr immer nur als einer »Patientin« gesprochen hatte.

»Vielleicht kennt sie dann auch den Täter!« Jo schien noch immer konsterniert. »Aber wie kommt die Frau gerade auf dich? Hier gibt es doch sicher auch kompetente Psychotherapeuten, oder?«

»Durch Lara.« Mark unterdrückte ein Seufzen. »Lara hat in einem Gespräch, bei dem die Patientin zufällig dabei war, erwähnt, mich zu kennen.«

»Sie kennt auch Lara?« Jos Gesichtszüge wurden immer entgeisterter. »Das ist doch… unglaublich.«

In Laras Kopf macht etwas Klick. Sie wusste jetzt, wer Marks Patientin war, auch wenn er ihren Namen nicht genannt hatte. An seiner Miene sah sie, dass auch er ihr Begreifen bemerkt hatte, aber er tat so, als sei nichts geschehen.

»Jedenfalls hatte ich sie heute Vormittag in die Praxis bestellt, und sie ist nicht erschienen. Telefonisch habe ich sie auch nicht erreicht. Sie ist suizidgefährdet. Weil ich mir Sorgen gemacht habe, bin ich hierhergefahren, um nach ihr zu sehen.«

»Und?«

»Sie kam mir entgegen, als ich vor ihrem Haus wartete.«

»Also ist sie putzmunter, und du hast dir umsonst Sorgen gemacht.« Lara sah kurz Maria Sandmanns Gesicht vor sich.

»Zumindest äußerlich schien sie in Ordnung zu sein. Aber als sie mich gesehen hat, ist sie weggerannt.«

»Ich glaube das alles nicht…« Jo war noch immer verblüfft. »Und was willst du jetzt unternehmen?«

»Ich denke, ich fahre nachher noch einmal zu ihr und sehe, ob sie zu Hause ist. Trotz der Tatsache, dass sie vorhin relativ stabil gewirkt hat, mache ich mir Sorgen. Ich denke, sie braucht meine Hilfe.«

»Und ich muss zurück in die Redaktion. Da brennt die Luft, hat Jo gesagt.« Lara lächelte den Fotografen an.

»Ich komme mit. Vielleicht brauchst du Beistand gegen die Aasgeier.« Er lächelte zurück und winkte nach der Rechnung.

»Wollen wir danach gemeinsam irgendwo zu Abend essen, ehe ich wieder nach Berlin zurückfahre?« Den Gedanken an die Reaktion seiner Frau auf sein ständiges Zuspätkommen verdrängte Mark. Sie einigten sich schnell auf einen Italiener nahe dem Opernhaus, bezahlten und brachen auf. Dass der Abend noch einige Überraschungen für sie bereithalten würde, wussten weder Mark noch Jo, und auch Lara hatte nicht den Hauch einer Ahnung.