KAPITEL
43

 

 

Cole Tahn lag auf dem Rücken und blickte geistesabwesend zur Decke empor. Das einzige Licht in seiner Kabine stammte von den grünen Leuchtdioden des Bordkommunikators auf dem Nachttisch.

»Verdammt, warum kann ich nicht schlafen? Strafaktionen haben mir doch sonst nicht so sehr zu schaffen gemacht.«

Doch im Grunde wußte er die Antwort. Schließlich und endlich waren es zu viele derartige Aktionen gewesen – das hatte ihm nicht zuletzt das Gespräch mit Carey klargemacht. Hatten die Magistraten ihre diplomatischen Bemühungen völlig aufgegeben? Oder waren alle echten Diplomaten wie Garold Silbersay inzwischen aus lauter Enttäuschung verrückt geworden?

Er schauderte bei dem Gedanken, wie Mikael, ein unschuldiger kleiner Junge, auf den schrecklichen Anblick Slothens reagieren würde. Selbst er bekam angesichts des Giclasianers eine Gänsehaut. Würde das Kind zu einem willfährigen Werkzeug in der Hand der Regierung werden, das dazu benutzt wurde, die gamantische Zivilisation ihrer Grundlagen zu berauben? Wahrscheinlich. Obwohl das vielleicht gar nicht so schlecht wäre. Irgendwann würden sich die Gamanten ja doch in die galaktische Zivilisation einfügen müssen. Und besser jetzt als später – denn möglicherweise würde es kein Später mehr geben.

»Captain?« drang Maceys Stimme flüsternd aus dem Kommunikator.

Er warf einen Blick auf das Gerät und verspürte den plötzlichen Wunsch, es mit der Faust zu zerschmettern. »Was gibt’s, Leutnant?«

»Eine Botschaft von Magistrat Slothen. Vertraulich und nur für den Captain. Soll ich sie auf den Schirm legen?«

»Ja, natürlich.« Tahn richtete sich auf, als die ersten Buchstaben auf dem Monitor erschienen.

 

Grüße, Captain Tahn.

Kompliment für die gute Arbeit auf Kayan. Wir bestätigen den Empfang Ihres Berichts über Horeb. Begeben Sie sich wieder dorthin und bereiten Sie alles für eine Sterilisation vor. Kontaktieren Sie jedoch zuvor unbedingt den Ratsherrn Ornias. Teilen Sie ihm mit, daß wir seine Wünsche erwogen haben und ihm ein Gegenangebot machen. Wir sind bereit, im Austausch für Baruch fünf Milliarden zu zahlen. Grinlow steht selbstverständlich nicht zur Disposition.

Ungeachtet seiner Entscheidung bereiten Sie die völlige Zerstörung Horebs vor. Die Gamanten müssen begreifen, daß wir Vertragsverletzungen nicht hinnehmen. Obwohl Baruchs Kenntnisse von unschätzbarem Wert wären, würde uns auch sein Tod zufriedenstellen. Wir können es uns nicht erlauben, einen weiteren Tag mit Verhandlungen zu vergeuden. Sowohl auf Tikkun wie auch auf Lechud ist es zu gewalttätigen Aufständen gekommen. Magistratische Einrichtungen sind verwüstet worden. Der Handel ist zum Erliegen gekommen. Eine Hungersnot bedroht den Quadranten Sieben.

Bitte unterrichten Sie uns sofort, nachdem Sie mit dem Ratsherrn gesprochen haben.

Magistrat Slothen

 

Tahn löschte die Botschaft und griff nach seiner Hose. Sobald er sich angezogen hatte, schaltete er das Kom-Gerät wieder ein. Eine Ansicht der Brücke erschien auf dem Schirm.

»Halloway?«

Sie wandte den Kopf. Ihre grünen Augen glitzerten. »Schlechte Nachrichten, vermute ich?«

»Wie lange brauchen wir noch bis Horeb?«

»Ungefähr vier Stunden.«

»Informieren Sie Doktor Iona. Er soll Mikael Calas ein Sedativ verabreichen. Ich will, daß der Junge die nächsten zwölf Stunden durchschläft.«

»Warum? Was werden wir …«

»Haben Sie verstanden, Lieutenant?«

»Aye, Sir«, antwortete sie. »Sonst noch etwas?«

»Ja, funken Sie Talworth an und sagen Sie ihm, er soll in spätestens fünfzehn Minuten aus dem Orbit verschwunden sein.«

»Cole«, sagte Halloway leise, während ihr Gesicht blaß wurde, »wir werden doch sicher nicht …«

»Darüber werden wir uns bei einem Glas Bier auf Lopsen unterhalten, Carey. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür.«

Mit einer müden Handbewegung schaltete er den Kommunikator aus.

 

»Jeremiel«, rief Rathanial, als er die Ratskammer betrat. Seine fünf Wächter folgten ihm – sie alle gehörten zu Zadoks Truppe. Er eilte zum Monitor, der auf dem Tisch stand.

»Was ist los?«

»Schnell, wir sind nicht sicher, wann das hier passiert ist. Ich habe die Nachricht selbst gerade erst erhalten. Wir haben viel mehr Überwachungskameras in der Stadt als Männer, die sie im Auge behalten können. Deshalb dauert es mitunter etwas, bis alle Bänder ausgewertet sind.«

Jeremiel beugte sich vor, als der Monitor flackernd zum Leben erwachte. Bilder aus den polaren Räumen. Rachel hockte im Hintergrund an die Wand gelehnt. Ihre Brust hob und senkte sich, als wäre sie gerade meilenweit gelaufen.

»Freunde, ich trauere mit euch …«, sagte der Mashiah gerade.

Jeremiel umklammerte die Tischkante, als Rachel sich plötzlich erhob und im Gehen nach ihrem Stiefel griff. Etwas Silbernes blitzte auf. »Komm schon!« drängte er. »Du schaffst es.«

Rachel hob das Messer und stieß es tief in Adoms Brust. Die Wachen neben Jeremiel grunzten beifällig, als der Mashiah stolperte und zu Boden stürzte.

Rathanial blickte ihn an. »Jetzt, wo sie ihren Auftrag erfüllt hat, müssen wir in den Palast. Shassy wird in Gefahr sein. Ich kann nicht …«

»Schweig!«

Die Übertragung aus den Höhlen endete, doch der Monitor in der Stadt sendete weiter. Die Menge vor dem Palast rannte in wilder Panik auseinander. Das Flackern von Kanonenfeuer erhellte die Nacht.

»Geh mir aus dem Weg, Rathanial«, sagte Jeremiel unwirsch und schob den alten Mann beiseite, um die Verlustanzeigen auf den Monitor zu holen. »Auf der einen Seite der Stadt gibt es einen ganz erheblichen Anstieg der Todeszahlen. Rings um den Palast sieht es besonders schlimm aus. Es scheint, als hätten Ornias’ Marines einen blutigen Rachefeldzug gestartet. Offensichtlich versuchen sie, all jene, die den Mut verloren haben, mit Gewalt zum Kampf zu zwingen. Es sind aber auch Teile der Zivilbevölkerung unterwegs, die ihre Wut jetzt an unseren Leuten auslassen. Allzu lange kann es noch nicht her sein, seit Rachel den Mashiah getötet hat, denn die Nachricht verbreitet sich erst allmählich. Und es wird noch Stunden dauern, bis auch die Soldaten im Feld davon erfahren. Ein paar isolierte Gruppen werden wohl erst nach dem Ende der Kämpfe davon hören.«

»Falls wir es ihnen dann noch erzählen können.«

Jeremiel warf Rathanial einen fragenden Blick zu. »Was soll das heißen? Ich denke, Tahn ist noch mindestens fünf Stunden …«

»Wir haben die Sendungen überwacht, die das kleine Schiff empfängt, das er im Orbit zurückgelassen hat. Der Pilot wurde soeben informiert, daß die Hoyer weniger als zwei Stunden entfernt ist. Wir …«

»Verdammt. Er muß die Maschinen bis zum Äußersten belastet haben. Und was sonst? Hat Tahn etwas über seine Befehle gesagt?«

»Nein, wir haben nichts dergleichen gehört. Allerdings hat er den Piloten angewiesen, aus dem Orbit zu verschwinden.«

Jeremiel stützte sich schwer auf den Tisch. »Tja, das war’s dann wohl.«

»Wie? Was soll das heißen?«

»Es heißt, daß du Ornias anrufen sollst. Operation ›Köder‹ ist gerade angelaufen.«

»Oh«, Rathanial senkte den Kopf. »Jeremiel, verzeih mir. Es tut mir so leid …«

»Noch etwas.«

»Ja?«

»Rachel befindet sich noch immer irgendwo am Pol. Falls Tahn den Angriff abbläst, solltest du dich dorthin aufmachen und sie suchen!«

»Ich glaube nicht, daß das, noch … ich meine …« Der alte Mann machte eine Miene, als fürchte er, Jeremiel könnte ihn auf der Stelle umbringen.

»Wovon redest du eigentlich?«

»Ich wollte es vorhin schon erwähnen. Ornias hat bereits vier Samaels ausgeschickt. Selbst wenn ich zum Pol fliegen könnte, bezweifle ich …«

»Um Gottes willen«, flüsterte Jeremiel und schloß die Augen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, welche Befehle der Ratsherr seinen Marines erteilt hatte. »Versuch es trotzdem, Rathanial. Du bist es ihr schuldig.«

Der alte Mann errötete und nickte. »Ich werde tun, was ich kann.«

»Ich brauche fünfzehn Minuten«, erklärte Jeremiel und machte sich zu seinem Zimmer auf, um ein paar seiner persönlichen Habseligkeiten zusammenzupacken.

 

Rachel stolperte durch das Auge eines schwarzen Zyklons. Sie hatte diesen Traum schon einmal gehabt, doch jetzt erschien er ihr sehr viel realer und erschreckender.

War sie gestorben? Hatte die eisige Kälte des Pols ihren Körper getötet und suchte ihre Seele jetzt nach dem Himmel? Die alten Lehren über Himmel und Hölle, Epagael und Aktariel kamen ihr wieder in den Sinn.

Rachel schnappte nach Luft, als eine Frau hoch zu Roß auf sie zuritt, ihr Schwert schwang und in einer unbekannten Sprache wütende Worte rief. Rachel wich aus, stürzte und krabbelte hektisch auf Händen und Knien weiter. »Epagael? Bitte, laß mich heimgehen. Ich flehe dich an. Mein kleines Mädchen braucht mich. Hol mich jetzt nicht fort!«

Es war ihr, als nähme sie weit vorn einen braunen Fleck wahr, doch er verschwand immer wieder aus ihrem Blickfeld.

»Epagael? Ich glaube. Ich glaube! Es tut mir leid, daß ich je gezweifelt habe.«

Ein feuriges Rad rollte durch die Finsternis auf sie zu. Sie bedeckte den Kopf mit ihren Armen und kreischte: »Laß mich heimgehen!«

Dann drang eine sanfte, ruhige Stimme in ihr Inneres. »Folge dem Licht«, drängte sie. »Das ist der Weg zu Gott.«

»Wer bist du?«

»Ein erfahrener Freund.«

Der braune Fleck vor ihr nahm langsam eine graue Färbung an. War das das Licht? Der Weg?

Rachel sprang auf und lief so schnell sie konnte. Der Fleck wurde größer, und der stechende Geruch von Ozon stieg ihr in die Nase.

»Rachel«, rief eine dunkle Stimme. »Es ist nicht mehr weit. Durchschreite das Tor.«

Ein Schauer überlief sie. Ihr ganzes Leben lang hatte sie davon geträumt, mit Gott zu sprechen. Reste ihres Kinderglaubens erwachten zu neuem Leben. Er würde alles erklären. Er konnte ihr sagen, weshalb es soviel Schmerz im Universum gab. Sie sehnte sich danach, zu ihm zu laufen und ihr Gesicht in seinem Gewand zu vergraben. »Epagael?«

»Ja. Ich habe sehr lange darauf gewartet, mit dir zu sprechen. Sterne wurden in der Zwischenzeit geboren und vergingen wieder.«

Rachel rannte vorwärts. Das Grau wechselte zu Orange und sie trat in einen prächtigen kristallenen Palast hinaus.

Zehn Schritte vor ihr verlief ein Fluß aus Feuer, dessen Hitze ihr fast den Atem nahm. Brücken überspannten die Flammenhölle.

»Rachel?«

Sie blickte über den Fluß. Ein weißer Schleier erhob sich vor einem Wirbel aus Schwärze. Die Stimme erklang aus dem dunklen Wirbel.

»Hat er dich betrogen?«

»W-wer?«

»Milcom?«

Rachel holte tief Luft. »Du meinst Aktariel? Nein, ich …«

»Ah, du weißt also, wer er ist. Gut. Seine Verderbtheit wuchert wie ein Krebs im Körper deines Universums.«

Rachel stand für einen Moment schweigend und am ganzen Körper zitternd da. War das ein Traum oder Realität? Das Tosen der feurigen Wellen. Das klaffende schwarze Loch. Das Strahlen der marmeladenfarbigen Wände. Das alles erschien ihr im Moment realer als die eisige Wildnis des Pols, wo sie, wie ihr bewußt war, jetzt schlief … oder … vielleicht war sie ja wirklich tot. Sie fühlte sich so schwach und müde. Wenn sie sich nur hinlegen und schlafen könnte, um dann beim Aufwachen zu spüren, wie Shadrach sie sanft küßte. Doch sie wußte, daß sie ihn niemals wiedersehen würde. Und sie sehnte sich danach, ihre Last auf jemanden abzuwälzen, der stärker und klüger war als sie selbst.

Sie blickte flehend in den Wirbel. »Herr, hilf mir. Ich verstehe nicht, was geschieht.«

»Nein, natürlich nicht. Arme Rachel. Aktariel läßt alles so schwierig erscheinen.«

»Warum, Herr? Du hast alle Macht im Universum. Warum läßt du zu, daß er uns quält?«

»Manchmal ist das nötig. Der Glaube muß geprüft werden, bevor er belohnt wird.«

Sie zuckte schmerzerfüllt zusammen. Der Platz … Talos Worte. Sie mochte es für den Rest ihres Lebens bedauern, doch sie konnte sich jetzt nicht unterwerfen.

»Aber wenn du allwissend bist, Herr, hättest du die Prüfung nicht gebraucht. Du würdest es wissen.«

»Es ist nicht so einfach, wie du denkst. Die Verderbtheit deines Universums trübt meinen Blick.«

»Erzähle mir nichts von Verderbtheit!« rief sie und erinnerte sich plötzlich an die Tagebucheintragungen von Edom Middoth. »Tausende von meinem Volk sind gestorben, während sie deinen Namen priesen. Und wo warst du? Fort! In deinem Bund mit unseren Vorfahren hast du versprochen, uns zu beschützen. Und du hast nichts Besseres zu tun, als durch Mord und Täuschung unseren Glauben zu prüfen!«

»Ich habe das Volk der Gamanten nicht verlassen. Es kommt dir aus deinem begrenzten Blickwinkel nur so vor.«

»Ich habe gerade … einen unschuldigen Mann ermordet, um das Gemetzel an Tausenden von Menschen auf Horeb zu verhindern. Warum hast du es nicht verhindert?«

»Oh, ja, Adom. Genau genommen hat ihn die Hoffnung getötet. Hat Aktariel dir schon deine dreißig Silberlinge gegeben?«

»Was? Dreißig …«

»Vergiß es. Das war vor langer Zeit. Ein anderer seiner Pläne, der schiefgegangen ist.«

Sie schüttelte eine Faust gegen den Wirbel. »Weißt du, wie schrecklich wir leiden? Bist du allwissend?«

»Ich weiß es.«

»Und kümmert es dich? Denn wenn du wirklich so voller Liebe bist, wie die alten Schriften behaupten, würde es dich bekümmern und …«

»Es bekümmert mich. Aber, Rachel, du mußt verstehen, ich kann nicht …«

»Bist du allmächtig?«

»Ich besitze die absolute Macht über Schöpfung und Zerstörung, wenn es das ist, was du meinst.«

»Du bist ein Lügner! Denn wenn du wirklich allwissend, allmächtig und voller Liebe wärst, könntest du das Leiden nicht nur beenden – du würdest es auch tun! Unschuldige Kinder würden nicht in diesem Augenblick auf Horeb und überall sonst im Universum sterben, wenn du so perfekt wärst, wie die alten Schriften behaupten!«

Für einen Moment war nur das Grollen der flammenden Wogen zu vernehmen. Rachel hatte die Fäuste geballt und unterdrückte ihre Tränen.

»Perfektion ist eine Frage des Standpunkts.«

»Du Ungeheuer! Du könntest es beenden und willst es nicht tun. Du genießt den Hunger und die Krankheiten. Die Kriege …«

»Die verschlungenen Muster des Chaos sind wunderbar. Ja. Es bereitet mir große Freude, sie zu beobachten.«

Ihre Knie zitterten, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. »Du bist wie der Plantagenbesitzer, der voller Freude sieht, wie seine Scheunen sich mit Baumwolle füllen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie seine Arbeiter unter der heißen Sonne leiden, um die Ernte einzubringen.«

»Die Arbeiter wissen nicht zu würdigen, was mit der Baumwolle geschieht, nachdem sie erst geerntet ist, Rachel. Sie sehen nur ihre eigene, mühevolle Arbeit, nicht aber die kunstvollen Dinge, die letzten Endes daraus gewoben werden.«

»Oh, nein … nein …« Sie holte mühsam Luft. »Aktariel hat recht.«

»Er hat nicht recht!« donnerte Epagael. Der kristallene Boden unter Rachels Füßen erzitterte. »Deine Wahrnehmung ist zu begrenzt, um die Größe des Universums zu erkennen!«

»Ich kenne das Leid! Du auch? Ich weiß, wie schrecklich es ist, mit ansehen zu müssen, wie die eigenen Eltern langsam an einer Krankheit sterben. Ich kenne den Schmerz, einen Ehemann im Kampf um die Gerechtigkeit zu verlieren. Ich habe erlebt, wie meine Freunde brutal hingeschlachtet wurden. Ich kenne …«

»Du kennst nichts. Wo warst du, als ich die Grundlagen des Universums geschaffen habe? Wo warst du, als ich die Sterne in die himmlischen Sphären geschleudert habe? Antworte!«

»Ich … ich weiß nicht … das ist eine lächerliche Frage. Was hat das mit dem Leiden zu tun?«

»Alles. Kannst du den süßen Einfluß der Plejaden binden oder die Fesseln des Orion lösen?«

Aufwallender Haß drohte sie zu ersticken. »Ich bin menschlich. Natürlich kann ich das nicht!«

»Wenn du es kannst, wirst du auch das Recht haben, mit mir zu streiten. Doch bis dahin …«

»Ich werde nie aufhören, mit dir zu streiten! Es wäre besser, wir wären nie geboren, als dieses Elend unser Leben lang ertragen zu müssen!«

»Sei nicht närrisch. Aktariel hat dich zu dem Glauben verführt, alles, was ist, sei Leid. Hast du nie einen Sonnenuntergang gesehen? Hast du niemals die Blumen gezählt, die im Frühling in der Wüste erblühen? Wünschst du dir, deine hübsche Tochter wäre nie geboren?«

Rachels Herz schmerzte. Sie erkannte jetzt, daß Gott ihr keine ewige Erlösung vom Leid anbot. Nur in den Armen ihrer Tochter konnte sie Trost finden. »Adom sagte, Milcom hätte ihm erzählt, das Leiden würde ständig zunehmen. Ist das wahr?«

»Das Chaos nimmt mit der Zeit zu, das stimmt. Es ist faszinierend, allein die neuen Muster zu betrachten, die entstanden sind, während wir uns unterhielten.«

Verzweiflung erfüllte Rachel. »Ich hasse dich. Ich hasse dich, Epagael!«

»So …« murmelte er. »So …«

Für lange Zeit stand sie da und schaute den schwarzen Wirbel an. Dann verschwand der Boden unter ihren Füßen. Sie fiel, und fiel, und fiel.