37

Zwei uniformierte Polizeibeamte betraten das Apartment. Ihnen folgte Jacki Hadley. Sie war in Zivil.

Nathan hielt die Whiskyflasche in der Hand. Scheinbar gedankenverloren kratzte er mit dem Daumennagel die winzigen Lötmetallreste aus dem Deckel. Das hätte er fast vergessen.

Jacki bemerkte den nassen Fleck auf Nathans Bein – vom Wasser der schmelzenden Einkaufstüte.

Nathan folgte ihrem Blick und deutete ein verlegenes Grinsen an.

»Das ist der Schock«, meinte Jacki. »So was kommt vor.«

»Es kommt vor.«

Nathan stellte die Whiskyflasche ab und begann bewusst seinen Regenmantel zuzuknöpfen, um den nassen Fleck zu verdecken.

Jacki führte ihn am Ellbogen in die hintere Ecke des Zimmers. Sie sagte: »Pass auf, Nathan. Ich weiß, dass das ein schlimmer Schock für dich ist. Aber ich muss mit dir reden, bevor du gehen darfst. Nur kurz. Wir reden dann morgen früh noch mal.«

Nathan nickte. »Danke.«

»Das Erste, was ich fragen muss, ist: Wie bist du heute hier reingekommen?«

»Er hat die Haustür angelehnt gelassen. Ich glaube, er wollte, dass ich ihn finde.«

Jackis Ausdruck wurde weicher. »Er ist ein unglücklicher Mensch«, sagte sie. »Gib dir nicht die Schuld.«

»Ich versuch’s«, antwortete Nathan.

Er sah über Jackis Schulter zu den Sanitätern, zwei Männern und einer Frau, die so hart daran arbeiteten, Bob Morrow das Leben zu retten.

Noch mehr Polizisten waren eingetroffen, als Nathan gehen durfte.

Inzwischen war Bob weggebracht worden. Die Polizisten würden das Zimmer fotografieren, vermutete Nathan: die Reihen von Büchern über übernatürliche Erscheinungen, den Kreidekreis am Boden. Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sie Elise fanden. Er war sicher, dass das noch heute Abend geschehen würde.

Nicht zu bald, hoffte er. Er wollte nicht dabei sein, wenn es passierte.

Jacki ging mit ihm nach oben. Sie blieb auf der Schwelle stehen, in Hörweite der neugierigen Nachbarn, die sich im Flur und im Vorgarten versammelt hatten. Sie umarmte ihn.

»Das hast du toll gemacht. Du kannst stolz auf dich sein.«

Tränen schossen ihm in die Augen. Er wischte sie sich mit dem Handrücken ab. Er konnte das Latex und das Talkum riechen. »Danke.«

Sie drückte seine Hand.

»Jetzt muss ich nur noch mit Holly reden«, sagte er.

»Sie wird es verstehen.«

»Das hoffe ich.«

Er lächelte sie an wie ein tapferer Soldat.

Auf dem Nachhauseweg hielt er am Straßenrand an. Er fischte den erschlafften Gefrierbeutel mit den zusammengerollten Überresten von Elises Kleidern aus seiner Tasche. Er betrachtete ihn. Sie sahen aus wie völlig unbedeutende Fetzen. Das bisschen Beweismaterial, das sich darauf befunden hatte, war sicher durch all die Jahre in der Erde zerstört worden.

Nun, da er allein und Bob nicht mehr da war, schien das offensichtlich.

Er dachte darüber nach, die Lumpen irgendwo zu verbrennen. Aber es schien riskant, bei so etwas Ungewöhnlichem erwischt zu werden. Also stieg er aus dem Auto aus und zündete sich eine Zigarette an. Er stellte sich über einen Gully. Er riss die Tüte auf und bückte sich, um die Überbleibsel zwischen die Stangen zu stecken. Stücke des verrotteten Stoffs blieben am nassen Metall kleben. Er löste sie mit den Fingerspitzen. Er drückte etwas hinunter, was als Zehenschutzkappe eines Adidas-Turnschuhs zu erkennen war, brüchig und schrumpelig wie ein geplatzter Luftballon.

Er glaubte nicht, dass jemand ihm dabei zusah, aber er glaubte auch nicht, dass das eine Rolle spielte. Es hätte auch so aussehen können, als suche er etwas, vielleicht einen verlorenen Schlüssel. Er stopfte die zusammengerollten Handschuhe dort hinunter und half mit der Spitze seines Kugelschreibers nach. Der zerrissene Gefrierbeutel folgte und die Reste der Sainsbury’s-Tüte ebenfalls.

Das war’s. Alles weg.

Er rauchte die Zigarette zu Ende und warf auch die Kippe in den Gully. Dann setzte er sich ans Steuer seines Wagens und schaltete das Radio ein.