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Nathan bezahlte den Fahrer, und das Taxi fuhr davon; seine Rücklichter verschwanden in der dichten weißen Abgaswolke.
Ihre Abendschuhe scharrten über die kalten Kieselsteine in der langen Einfahrt. Aus dem großen Haus drang ein leises, dumpfes Dröhnen, die Fenster vibrierten im Takt.
Mark Derbyshire hatte diese Villa in den späten Siebzigern gebaut, als er sie sich noch leisten konnte. Dahinter befand sich ein Helikopter-Landeplatz, der längst überwuchert war.
Nathan bot Sara den Arm und zusammen gingen sie auf die Tür zu. Sie wurde von einem Mann mit schütterem Haar geöffnet, der wie ein Butler gekleidet war. Nathan hoffte, dass er nur für diesen Abend angestellt worden war.
Sara streifte sich ihren Mantel auf eine Weise von den schmalen weißen Schultern, die ihn einen Augenblick lang daran erinnerte, warum er einst geglaubt hatte, sie zu lieben.
In der elfenbeinfarbenen Eingangshalle hingen goldene und silberne Schallplatten von vergessenen Bands und Sängern, deren Alben Mark Derbyshire einst zum Aufstieg in die Charts verholfen hatte. Außerdem viele gerahmte Fotos. Darauf legte ein jüngerer und schlankerer Mark Derbyshire – jedoch mit demselben säuberlich gestutzten Bart, demselben verschmitzten Blick – den Arm um die Schultern eines sich windenden Stars: Da war eine junge Madonna und David Bowie zeigte seine David-Bowie-Zähne. Elton John sah altmodisch und unglücklich aus mit seinem Strohhut und einer Komikerbrille. Die Bilder stimmten Nathan melancholisch.
»Wollen wir?«, fragte Sara, und als er sie durch die Flügeltür in den Ballsaal führte, kam er sich einen Moment lang wie Cary Grant vor.
Am anderen Ende stand der Hochzeits-DJ am Mischpult. Ein paar Gäste tanzten, hauptsächlich junge Mädchen aus der Gegend.
Sara zupfte ihn am Ärmel.
»Was ist los?«
»Promi-Dichte?«
»Noch zu früh. Es ist noch nicht mal neun.«
Sie blickte ihn vertrauensvoll an. Sie schoben und schlängelten sich unter Entschuldigungen durch die ungeordnete Menge, um zur Theke zu gelangen. Sie bestand aus einem langen Tapeziertisch, hinter dem sechs junge Männer in bordeauxfarbenen Hemden standen und Getränke ausschenkten.
Nathan nahm einen Gin Tonic und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Er kannte kaum jemanden – jedenfalls niemanden, den er Sara vorstellen wollte. Er fragte sich, über was in aller Welt sie nur reden sollten, bis es an der Zeit war, dass Sara enttäuscht nach Hause ging.
Sie starrten auf die Gäste und in ihre Gläser. Nathan versuchte an den Chefs vorbeizuschauen, die er verachtete wegen ihrer schwarzen Anzüge, ihrer großen Altmännerohren und ihrer Scheißzigarren.
Er gab sich Mühe, Sara auf Kollegen aufmerksam zu machen, deren Namen er vielleicht einmal beiläufig erwähnt hatte, aber das interessierte sie nicht weiter; sie wollte Prominente sehen und ihnen vorgestellt werden. Doch seit Margaret Thatchers Amtszeit war kein echter Promi mehr über Mark Derbyshires Schwelle getreten.
Schließlich kam Howard vorbei. Obwohl er offensichtlich hackedicht war, versprühte er einen gewissen anrüchigen Charme mit seinem lockigen, grau melierten Haar und seiner lose herabhängenden Fliege. Nathan packte ihn am Arm.
»Hey Howard, Alter! Kennst du Sara schon?«
Howard kannte Sara noch nicht.
Während er ihr die Hand schüttelte, schielte er mit fast sorgenvollem Gesichtsausdruck auf ihr cremefarbenes Dekolleté. Dann sah er ihr tief in die Augen. Er selbst hatte eisblaue Augen, die wie ein Raketenleitsystem leuchteten.
»Erzähl ihr doch mal von den Leuten, mit denen du schon zusammengearbeitet hast«, forderte Nathan ihn auf.
»Sie hat bestimmt besseres zu tun, als sich meine Kriegserinnerungen anzuhören.«
»Die Rolling Stones«, warf Nathan verzweifelt ein. »Die Beatles. Spandau Ballet.«
»Spandau Ballet!«, rief Sara aus.
Und es war so weit. Sie war glücklich.
Nathan blieb noch eine Weile bei ihnen, aber bald war klar, dass er nicht länger gebraucht wurde. Er zog los, um sich noch etwas zu trinken zu holen, und folgte dann dem Chlorgeruch zum eingebauten Schwimmbad.
Am Pool herrschte die vielversprechende Stimmung verhaltener Aufregung. Nathan lehnte sich an die feuchte Wand und starrte durch das beschlagene Glasdach auf den gestochen scharfen Dezemberhimmel. Er erkannte keines der Sternbilder und stellte sich einen Moment lang vor, er befände sich in einem fremden Land irgendwo am Ende der Welt. Er fühlte sich gut.
In einer Ecke stand Mark Derbyshire. Er unterhielt sich leise mit einem großen, schmuddelig aussehenden Mann mit strähnigem Haar, einem zerknitterten Smoking und Hawaiihemd. Der Schmuddelige schien das Gespräch zu beherrschen: Mark Derbyshire wirkte eingeschüchtert, wie er das Weinglas mit seiner behaarten Hand umklammerte, immer wieder nickte und unsichere Blicke nach links und rechts warf.
Mark entdeckte Nathan, verdrehte erleichtert die Augen und machte ihm ein Zeichen, herüberzukommen.
»Nathan, ich muss dir unbedingt jemanden vorstellen.«
Der Schmuddelige drehte sich um. Und zum zweiten Mal in seinem Leben schüttelte Nathan Bob die Hand.
»Hey Alter«, sagte er, als er Nathan erkannte. »Freut mich, dich zu sehen.«
»Du kennst ihn?«, fragte Mark.
»Nur flüchtig«, antwortete Nathan.
»Schon lange her«, ergänzte Bob. »Wie geht’s dir? Anscheinend ganz gut, wenn ich mir dich so ansehe.«
Nathan schaute auf seinen Anzug hinunter, der noch immer nicht bezahlt war. »Na ja. Es geht so.«
Er fing einen verwirrten Blick aus Mark Derbyshires boshaften, kleinen Augen auf.
»Als ich ihn kennengelernt habe, war er ein kleiner Hippie«, erklärte Bob.
Doch Nathan protestierte: »Das würde ich so nicht sagen.«
»Eine Art New-Age-Nomade, mit Patschuli und Ganja und allem drum und dran«, erläuterte Bob.
»Das ist ja super«, sagte Mark, der zumindest wusste, dass Ganja Gras war. Er hatte den Ausdruck in einer Reggae-Parodie gehört. »Toll, dass ihr beide euch kennt. Nathan, du kannst Bobs Kontaktperson werden.«
»Klasse«, antwortete Nathan, der keine Ahnung hatte, wovon Mark sprach.
»Bob kommt in unsere Sendung«, erklärte Mark.
»Es ist ein Experiment«, warf Bob ein.
»Er meint probeweise. Donnerstagnachts um halb eins, für sechs Wochen.«
»Das ist Teil meiner Recherchen«, sagte Bob. »Ich sammle Geschichten für ein Buch.«
»Schreibst du immer noch an deiner Doktorarbeit?«
»Unter anderem.«
»Nathan, mein Junge«, unterbrach Mark. »Tu uns einen Gefallen und hol uns was zu trinken.«
Das war eine gleichermaßen joviale wie giftige Erinnerung daran, wer hier der Boss war. Bob fing Nathans Blick auf und zwinkerte verständnisvoll. Nathan stellte seinen Drink ab und machte sich auf zur Theke, bestellte die Getränke, blickte sich nach Sara um, sah, dass sie noch immer von Howard bezaubert war, und ging dann zurück zum Pool. Er reichte Mark Derbyshire einen Whisky und Bob einen Wodka Tonic.
Sie sagten cheers und stießen miteinander an. Dann packte ein tatteriger, weißhaariger Gast Mark am Arm. Unsicher, ob er sich an Nathan oder Bob wenden sollte, blickte er zwischen beiden hin und her. »Darf ich den Gastgeber kurz entführen?«
»Klar«, antwortete Bob und erhob seinen Wodka Tonic. Der Gast führte Mark Derbyshire zurück zur Party.
Bob sah ihm nach.
»Herrgott«, sagte er.
Nathan lächelte, nicht ohne Schuldgefühle.
»Wirklich. Was für ein Schwanzlutscher.«
Nathan lachte, aber er fühlte sich unwohl.
Bob wechselte das Thema. »Und, hast du irgendwelchen Stoff dabei?«
Sie machten Halt an der Bar. Sara unterhielt sich noch immer mit Howard, aber mehrere Partygäste hatten sich zu ihnen gesellt. Sie schien sich gut zu amüsieren, Freunde zu finden. Sie fand überall Freunde.
Mit einer Flasche Gin in der einen und drei Weingläsern in der anderen Hand – ein Glas war mit Eiswürfeln gefüllt – schlängelte sich Bob neben Nathan her.
»Ist das deine Freundin?«
»Ja. Zumindest offiziell.«
»Glückwunsch.«
Nathan ignorierte das – es bedeutete ihm kaum noch etwas, dass Sara gut aussah.
Er gewann vielmehr den Eindruck, dass Sara Bob auf den ersten Blick unsympathisch gewesen war. Das ging nicht vielen Männern so, und Bob stieg deswegen irgendwie in seinem Ansehen. In gewisser Weise machte sie das zu Verbündeten.
Sie stiegen rasch die Haupttreppe hinauf. Im ersten Stock angelangt, gingen sie durch einen halbdunklen Flur, von dem viele Türen abgingen.
»Warst du schon mal hier?«, fragte Nathan.
»Nee. Ich folge den Schwingungen.«
»Ja, klar.«
»Ich weiß, dass es wie Verarsche klingt. Aber wenn du so viele Spukerlebnisse hattest wie ich, lernst du, ein Haus einzuschätzen.«
Er drückte auf eine Türklinke, ging weiter. Versuchte noch eine; die Tür ging auf. Er tastete durch die Dunkelheit und ein Licht ging an. Sie betraten den Raum und Nathan schloss die Tür.
Es war ein Gästezimmer, so unpersönlich wie ein Holiday Inn. Ein Doppelbett, ein Nachttisch, ein Spiegelschrank.
Nathan schaltete eine Stehlampe ein, die in einer Ecke stand. Sie verbreitete ein angenehmeres Licht, also löschte er die Deckenleuchte.
»Glaubst du echt an so was?«, fragte er.
»Ja.«
Nathan nahm einen quadratischen Spiegel von der Wand, der etwa die Größe einer Schallplatte hatte, und legte ihn mit der verspiegelten Seite nach oben auf die Bettdecke. Dann kniete er sich hin und legte vier Lines Kokain zurecht, die wie die Kratzspur einer Katze durch sein Spiegelbild liefen.
Bob durchforstete sein dickes, speckiges Portemonnaie. Er zog eine Zehn-Pfund-Note heraus. Zwei Lines für jeden.
Anschließend saßen sie ans Bett gelehnt auf dem Boden und schnieften.
»Und«, fragte Nathan, »hast du schon mal einen Geist gesehen?«
»Nicht direkt.«
»Was soll das heißen, nicht direkt?«
»Das heißt, ich habe die Auswirkungen gesehen.«
»Was für Auswirkungen?«
»Anomalien in Spukhäusern. Elektrische Störungen. Kalte Stellen. Poltergeister.«
»Ach Quatsch.«
»Doch.«
»Du willst also gesehen haben, wie ein Geist Sachen herumwirft?«
»Das dachte man früher. Heute geht man davon aus, dass es sich um eine Art geothermische Reaktion handelt – wie ein starkes, auf einen Ort beschränktes, elektrisches Feld. Es lädt die Dinge irgendwie auf – und ja, es wirft auch Sachen herum.«
»Ohne Scheiß jetzt?«
»Ja. Ich kenne einen Professor in Kopenhagen, der eine Poltergeist-Maschine konstruiert hat. Ich schwör’s dir. Er hat ein Zimmer in irgend so einer elektromagnetischen Kabine gebaut und Alltagsgegenstände hineingestellt: Stühle, andere Möbel, Zeitungen, Tassen. Dann lässt er die Ladung durchfließen, eine sehr starke Ladung. Und was passiert? Er erschafft einen Poltergeist, mitten im Labor: Dinge schweben, fliegen durch den Raum und so was.«
»Hast du das gesehen?«
»Ja.«
»Und wie fühlt es sich an?«
»Verdammt gruselig.«
Nathan war begeistert. »Dann meinst du also, das ist das Übernatürliche? Nichts als Naturphänomene?«
»Ja, das meiste schon. Neunundneunzig Prozent.«
»Und das eine Prozent?«
»Mich interessiert vor allem dieses eine Prozent. Wahrscheinlich sind gut neunundneunzig Prozent dieses letzten Prozents erklärbar. Wir wissen nur noch nicht, wie. Aber das restliche eine Prozent von dem einen Prozent?«
Er drückte seine Nasenflügel zusammen und schloss die Augen.
»Krass. Hast du eine Zigarette?«
Nathan spürte, wie jede Zelle seines Körpers vibrierte.
Nachdem sie den letzten Rest Kokain geschnupft, ihre Fingerspritzen angefeuchtet und sich die bitteren Rückstände ins Zahnfleisch gerieben hatten, füllte Nathan die Weingläser noch einmal mit Eis und Bombay Sapphire.
Bob setzte sich aufrecht aufs Bett und hielt sein Glas am Stiel fest.
»Heftig«, sagte er.
»Ich hab vor zwei Jahren aufgehört, das Zeug zu nehmen, kannst du dir das vorstellen?«, fragte Nathan.
Bob meinte, er könne sich das nicht vorstellen.
Sie schwiegen.
Das Licht schien plötzlich anders zu leuchten.
»Was ist los?«, fragte Bob.
»Nichts.«
»Doch. Dich bedrückt was.«
Nathan zögerte.
Schließlich sagte er: »Na gut. Ich hab da ein Problem.«
»Was für ein Problem?«
»Ich wollte mit Sara Schluss machen.«
»Wie, sie abservieren?«
»Das ist ein sehr krasses Wort dafür. Wir haben uns halt irgendwie auseinander gelebt, du weißt schon. Jemand muss was sagen. Einer von uns beiden.«
»Willst du ihr hier eine Szene machen?«
»Nein. Ich bin zu high. Bist du high?«
»Ja.«
»Ich auch.«
»Also, wenn nicht hier – wann dann?«
»Morgen, beim Mittagessen, beim späten Frühstück.«
»Und warum?«
»Weil sie eine Affäre hat.«
»Mit?«
»Ihrem Chef.«
»Okay. Und wo ist das Problem?«
»Ich habe Zweifel. Tue ich das Richtige? Sollte ich nicht um sie kämpfen?«
»Wenn du in sie verliebt wärst, würdest du das.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Nathan, Kumpel. Die Entscheidung ist längst gefallen. Das ist nur die Angst.«
»Und der Alk.«
»Ja.«
»Und das Koks.«
»Das auch.« Bob beugte sich vor und tippte Nathan mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Aber da drin weißt du, was du tun musst. Du hast dich schon entschieden.«
»Glaubst du?«
»Ja.«
»Ich bin mir da nicht so sicher.«
Bob schien angestrengt nachzudenken. »Liebst du sie?«, fragte er.
»Ich glaube nicht. Aber wenn ich mir vorstelle, wir wären nicht mehr zusammen, macht mich das ein bisschen traurig.«
»Das ist normal. Aber das ist keine Liebe, das ist Bedauern. Das Ende der Liebe.«
»Das Ende der Liebe«, wiederholte Nathan voller Ehrfurcht vor einem solchen Gedanken. »Wow. Das Ende der Liebe.«
Bob klatschte sich auf die Schenkel und stand auf. Er schwankte leicht. Seine Knie knackten.
»Lass uns das Orakel befragen!«, schlug er vor.
Nathan blinzelte zu ihm hoch.
»Geh ins Bad und hol einen Plastikdeckel von einem Deo oder so was. Raumspray. Irgendwas«, wies Bob ihn an.
Aufgeregt – und zu stoned, um Bobs Auftrag in Frage zu stellen – eilte Nathan den Flur entlang ins Badezimmer, das seine besten Zeiten längst hinter sich hatte. Dusche, Badewanne und Waschbecken waren mit Kalk überzogen. Den Waschbecken fehlten Stöpsel. Die Hähne tropften. Nathan durchstöberte die Schränke und fand eine Dose Rasierschaum, von der er den Plastikdeckel entfernte.
Als er wieder ins Gästezimmer kam, schrieb Bob gerade alle Buchstaben des Alphabets auf die aufeinander folgenden Seiten eines kleinen Notizbuchs. Schließlich riss er die Blätter einzeln heraus und ordnete sie so auf dem Spiegel an, dass ein ungefährer Kreis entstand. Er legte das Wort JA auf zwölf Uhr, gefolgt von den Buchstaben A bis M, und auf sechs Uhr das Wort NEIN, gefolgt von den Buchstaben N bis Z.
Nathan betrachtete das behelfsmäßige Ouijabrett und lachte.
»Komm schon. Was soll das denn werden? Das Brett hat ja noch nicht mal einen Zeiger.«
»Eine Planchette«, verbesserte Bob und nickte in Richtung des Plastikdeckels in Nathans Hand.
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Lass es uns versuchen.«
Nathan kicherte, während sie sich im Schneidersitz neben das Brett setzten. Bob legte die Planchette in die Mitte.
»Was muss ich machen?«, fragte Nathan.
»Du legst den Zeigefinger auf die Planchette – ganz leicht, so leicht du nur kannst. Dann wartest du einfach.«
»Wie funktioniert das?«
»Über den sogenannten ideomotorischen Effekt: winzige, unbewusste Muskelbewegungen. Finde heraus, was du wirklich denkst.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich wissen will, was ich wirklich denke.«
Aber Nathan tat, was Bob gesagt hatte. Sie warteten in gespannter Stille. Und dann schien die Planchette langsam unter ihren Fingerspitzen zu rotieren.
Bob schloss die Augen und leckte sich über die Lippen. »Gut. Ist da jemand?«
Sie warteten wieder. Bis die Planchette mit einem trockenen Quietschen über die Spiegeloberfläche zum Wort JA glitt.
Nathan zog den Finger zurück.
»Hör doch auf. Du bewegst die Planchette, ich kann es spüren.«
»Leider nicht. Jetzt komm schon. Du willst sie doch nicht verärgern.«
»Wen verärgern?«
Bob blickte zur Decke. »Na sie eben.«
»Mann, du machst mir Angst«, beschwerte sich Nathan.
Bob warf ihm einen flehenden, ungeduldigen Blick zu. Also legte Nathan den Finger zurück auf die Planchette.
»Hast du einen Namen?«, fragte Bob in die Luft.
Die Planchette glitt zum Buchstaben D. Dann zum Buchstaben A.
david
»Kennst du uns, David?«
nein
»Warum bist du dann hier?«
könnt ihr hören
»Ja. Hast du eine Botschaft?«
stirb fotze
»Ist das deine Botschaft?«
stirb fotze stirb fo –
»Und tschüs dann.«
Bob nahm den Finger von der Planchette. »Alter, du zitterst ja.«
»Verdammte Scheiße. Sag, dass du das mit Absicht gemacht hast.«
»Hast du es mit Absicht gemacht?«
»Nein.«
»Ich auch nicht. Versuchen wir’s noch mal?«
Nathan schüttelte den Kopf; auf keinen Fall.
»Sieh mal, da ist gar nichts. Es kommt aus deinem Kopf«, beschwichtigte ihn Bob.
»Oder aus deinem.«
»Oder aus meinem, ja. Vielleicht. Jetzt komm schon.«
Noch einmal – Nathan diesmal viel zögerlicher – legten sie die Zeigefinger auf die Planchette.
»Also«, fragte Bob, »ist da jemand?«
ja
»Wer ist da?«
sunny
»Kennen wir uns, Sunny?«
heiss hier
Nathan zog den Finger zurück.
»Scheiße.«
Bobs Gesicht hatte sich verdüstert. »Leg den Finger wieder drauf.«
Nathan gehorchte.
Dann entspannte sich Bob und fragte noch einmal in die Luft: »Warum bist du hier, Sunny?«
fikt ihn
»Wer fickt wen?«
fikt ihn
fikt ihn
fikt ihn
Nathan stand auf.
»Wirklich«, sagte er. »Ich scheiß drauf. Ich mein das ernst. Ich scheiß drauf.«
Er schaute hinunter auf den Spiegel. Dann schaltete er die Deckenlampe ein. Der plötzliche, weißere Lichtschein blendete ihn. Mit dem Fuß verstreute er die Buchstaben des Ouijabretts über den Teppich.
Bob stand ebenfalls auf. »Was tust du da?«
»Und auf dich scheiß ich auch.«
»Hast du eine Ahnung, wie gefährlich das ist?«
»Du hast doch einen Kopfschuss, Mann.«
Nathan nahm seine Zigaretten und verließ das Gästezimmer. Draußen im halbdunklen Flur schaute er auf die Uhr. Er konnte nicht klar sehen. Er lehnte sich an die Wand.
Dann ging er die Treppe hinunter, wo es noch heißer war als zuvor. Die Menschen und der Lärm drangen auf ihn ein. Er quetschte sich in den Ballsaal.
Er schaute auf die Uhr. Es war unwahrscheinlich viel Zeit vergangen. Sara war auf der Tanzfläche. »Crocodile Rock« ging gerade zu Ende. Darauf folgte »He’s the Greatest Dancer (That I’ve Ever Seen)«. Sara tanzte mit Mark Derbyshire. Mark hatte sein Jackett ausgezogen. Nathan sah ihnen zu: Mark ließ die Hüften kreisen, rieb sich an ihr, als wollte er sie an Ort und Stelle flachlegen, und Sara lachte. Marks Hemd war klatschnass unter den Achseln und zwischen den Schulterblättern.
Die Tanzfläche war gerammelt voll und die Musik schnell und alle schienen Spaß zu haben.
Nathan schnappte sich eine Flasche Chardonnay von der Theke, dann holte er seinen Mantel und ging zur Haustür hinaus.