31
Bob und er trafen sich im Park. Sie setzten sich auf eine Bank und sahen Kindern beim Spielen zu. Der Wind zerrte an den Zipfeln von Nathans Mantel. Er rauchte eine Zigarette.
Nathan sagte: »Bob, was dich belastet – was uns beide belastet –, ist die Schuld. Klar? Der musst du ins Auge sehen. Du musst ihr direkt ins Auge sehen und damit klarkommen. Du musst sie verarbeiten.«
»Ich fühle mich nicht schuldig. Warum sollte ich?«
»Weil wir beide ein neunzehnjähriges Mädchen gefickt haben, das dann gestorben ist. Und wir haben sie heimlich vergraben. Wir haben sie nackt und mit dem Gesicht nach unten in dem beschissenen Wald vergraben, während ihr unsere Soße noch an den Beinen runtergelaufen ist, und niemand hat sie je gefunden.«
Bob zuckte noch einmal mit den Schultern.
»Schuld ist nicht das Problem.«
Nathan stand auf. »Das führt zu nichts.«
»Wir müssen sie begraben. Wir haben keine andere Wahl.«
»Ich muss zurück zur Arbeit. Lass mich drüber nachdenken. Triff keine vorschnellen Entscheidungen. Wir kriegen das schon hin. Klar?«
»In Ordnung.« Bob stand ebenfalls auf, die riesigen Hände tief in den Taschen seines blaugrauen Mantels vergraben.
»Okay«, sagte Nathan.
Sie gingen in verschiedene Richtungen davon.
Noch bevor Nathan beim Parktor angekommen war, hatte er Justin auf dem Handy angerufen. Sie verabredeten sich in einer halben Stunde im Cricketer’s. Als Nathan dort ankam, war Justin beim zweiten Bier. Er stand auf und schüttelte Nathan die Hand. Justin und er schüttelten sich immer die Hände; sie schüttelten sich jeden Tag ein halbes Dutzend Mal die Hände. Es war schon vor langer Zeit zu einem Ritual geworden.
Es standen Getränke für ihn bereit: ein doppelter Whisky und ein Glas Lagerbier. Nathan trank den Whisky noch bevor er sich den Mantel aufknöpfte.
»Und wie komme ich diesmal zu der Ehre?«, fragte Justin.
Nathan zog sich den Mantel aus und legte ihn auf einen freien Barhocker. Sein Handy klingelte. Er schaltete es aus. Er nippte am Bier.
»Ich wünschte, du würdest mir sagen, was dein Problem ist«, bohrte Justin.
»Ich hab gar kein Problem. Außer, dass ich von allen Menschen auf der Welt ausgerechnet dich als besten Freund erwischt habe.«
»So schlimm ist das nicht.«
»Nein«, bestätigte Nathan, »so schlimm ist es nicht.«
Er kam spät nach Hause. Holly wartete. Sie tat so, als würde sie fernsehen. »Wo warst du?«
»Mit Justin was trinken.«
»Und warum hat dann Justins Sekretärin hier angerufen, um zu fragen, wo du bist? Angeblich sollte irgendeine Präsentation stattfinden. Ein gewisser Steve Jackson musste sie für dich halten. Es hat ziemlich viel Ärger im Büro gegeben.«
Nathan ließ sich in den Sessel fallen.
»Scheiße. Das hab ich vergessen.«
»Wo warst du?«
»Mit Justin unterwegs.«
»Okay. Das habe ich Miriam auch gesagt: ›Wahrscheinlich ist er mit Justin unterwegs.‹ Aber sie hat mir gesagt, dass Justin in einer Besprechung ist.«
»Sie wird dafür bezahlt, das zu sagen. Sie sagt das hundertfünfzig Mal am Tag. Es stimmt nie.«
»Ich habe keinen Grund, ihr nicht zu glauben.«
»Doch, das hast du. Sie ist Justins Assistentin. Ihr Job besteht darin, zu lügen.«
»Scheinbar hattest du dein Handy ausgeschaltet.«
»Das stimmt.«
»Das passt aber gar nicht zu dir.«
»Nein.«
»Betrügst du mich?«
»Wie bitte?«
»Hast du eine Affäre?«
Er wollte empört aufstehen, aber er war viel, viel zu müde.
»Du solltest wissen, dass du so was nicht fragen musst.«
»Was soll ich denn denken? Du bist wie ausgewechselt.«
»Tut mir leid.«
»Wenn du keine Affäre hast, was ist dann los?«
»Das kann ich nicht erklären.«
»Hat es was mit Bob zu tun?«
»Nein. Wieso?«
»Weil du nicht mehr derselbe bist, seit dem Moment, als er damals hier aufgekreuzt ist. Seit genau dem Moment.«
Was konnte er schon sagen? Sie hatte recht.
Sie sagte: »Ich gehe jetzt ins Bett.«
»Ich auch.«
»Mach, was du willst.«
Er folgte ihr auf den Fersen. Versuchte, wenigstens die körperliche Distanz zwischen ihnen zu verringern.