26

Am Freitagabend gab Holly ihm einen Kuss auf die Wange und wünschte ihm viel Spaß.

In der Diele umarmte er sie fest, und sie machte sich lachend von ihm los. »Hey, du bist doch nur eine Nacht weg!«

Sie strich ihm über das Revers – er hatte einen teuren Anzug an und trug eine Adidas-Sporttasche über der Schulter –, drehte ihn dann um, gab ihm einen Klaps auf den Hintern und schob ihn durch die Haustür. Ein Taxi wartete am Straßenrand.

Es brachte ihn in die Stadt, wo er sich mit Bob traf, der am Steuer eines alten Audi 100 auf ihn wartete. Die rückwärtige Stoßstange war mit Klebeband befestigt und die Steuerplakette abgelaufen.

Nathan stieg ein und zeigte auf die Plakette.

»Das ist eine super Idee. Hoffentlich werden wir angehalten.«

»Ist doch nur eine Kleinigkeit. Was hast du da in der Tasche?«

»Frische Unterwäsche. Nurofen Plus gegen den Kater. Lucozade. So was eben.«

»Das klingt ja, als würde sie dich zum Camping schicken.«

Während Nathan sich anschnallte, sagte er: »Das ist das letzte Mal, dass du sie heute Abend erwähnst.«

»Ist ja gut«, antwortete Bob und startete den Motor.

Sie fuhren.

»Hast du alles?«, fragte Nathan.

»Ich denke schon. Soll ich irgendwo anhalten, damit du dir ein paar billige Klamotten holen kannst?«

Bob wartete im Parkhaus eines Einkaufszentrums am Steuer, während Nathan zu Millets ging. Er kaufte einen dunkelgrünen Fleecepullover und eine schwarze Windjacke, Wanderschuhe, eine khakifarbene Hose. Und eine Sturmhaube.

Er bezahlte bar.

Wieder im Parkhaus angekommen, warf er die Einkaufstüten neben seine Reisetasche auf die Rückbank von Bobs Wagen.

Während der Fahrt fragte Bob: »Wie kommst du damit klar?«

»Ich fühle mich krank. Und du?«

»Ich fühl’ mich ganz gut. Ein bisschen aufgekratzt. Als hätte ich einen Kaffee zu viel getrunken.«

Um sich zu beruhigen und die Zeit totzuschlagen, bis es spät genug war, hielten sie bei einem Pub.

Bob saß gelangweilt über einem großen Glas Guinness. Nathan trank etliche lauwarme Gin Tonic. Sie saßen in einer Nische, konnten und wollten sich nicht unterhalten – die Jukebox war zu laut. Kurz bevor sie wieder aufbrachen, ging Nathan ausgiebig pinkeln.

Sie fuhren von der Autobahn ab, auf die Landstraße. Der Nachthimmel war von mehreren Schichten schnell dahinziehender Wolken bedeckt, die der Mond anleuchtete.

Sie ließen die gelben Lichter der Stadt hinter sich. Nathan drehte sich um und sah sie wie ein Ufo im Tal liegen. Bob nahm die übliche Straße zum Wald und fand den engen Weg fast mühelos wieder.

Er bremste ab und lenkte den Audi ruckartig auf die dunkle Öffnung zu. Sie folgten dem Licht seiner Scheinwerfer. Die Bäume bewegten sich am Rand ihres Gesichtsfelds.

Sie kamen am richtigen Ort an.

Sie wussten, dass es der richtige Ort war.

Bob stoppte den Wagen. Sie hörten den Motor knistern. Den Wind in den Bäumen. Nathan erinnerte sich an das letzte Mal, als er hier gesessen hatte. Er erinnerte sich an Elise. Lachend, nackt. Die Art, wie ihre Finger sich verkrampft und dann auf seinen Armen entspannt hatten, als er in sie eindrang. Er dachte an die Samen, die er in sie hineingespritzt hatte.

Das Geräusch ihres und seines Atems.

Bob sagte: »Ich bin hier manchmal hergekommen. Damals. Einfach vorbeigefahren. Nur so.«

Nathan wollte nichts hören. Er schnallte sich ab und kletterte auf den Rücksitz. Er nahm die neuen Kleider aus der Einkaufstasche und riss die Zettel ab. Dann begann er sich auszuziehen.

»Wie in alten Zeiten«, kommentierte Bob.

Nathan streifte seine feine Hose ab.

»Damals hast du dir auch auf meinem Rücksitz die Hose ausgezogen.«

Nathan hatte die saubere Hose gefaltet neben sich gelegt und knöpfte sein Hemd auf. Er zog ein Millets-T-Shirt an. Sein Haar stand ab.

»Pass auf, dass du alle Zettel von den Klamotten abmachst«, meinte Bob. »Du darfst sie nicht hier verlieren.«

Nathan strich sich das Haar glatt.

Bob lenkte ein: »Okay, tut mir leid. Ich fand es nur ganz schön unheimlich, das ist alles. Dass du dich auf meinem Rücksitz ausziehst. Ausgerechnet hier. Das musst du doch zugeben.«

»Wenn es noch unheimlicher wird, dreh’ ich komplett durch«, sagte Nathan. »Verstehst du, Bob? Dann kann man mich im Brunnen in der Stadt suchen, wo ich mir Ziegelsteine auf den Kopf haue und Hundescheiße fresse. Also schalt mal einen Gang runter, okay?«

Bob rauchte eine Zigarette, während Nathan sich fertig anzog. Die Kleider rochen neu; man konnte noch sehen, wie sie im Laden gefaltet gewesen waren. Die Schuhe waren teuer gewesen – er wollte nichts tragen, wovon er möglicherweise Blasen bekam.

Er und Bob blickten geradeaus durch die schwarze Windschutzscheibe.

»Fuck«, fluchte Nathan.

Seine Stimme, so laut in dem engen Raum des Autos, schien Bob zu elektrisieren, der sich daraufhin auf die Schenkel klopfte und die Tür aufmachte. Er ging zum Kofferraum. Nathan stellte sich neben ihn. Im Kofferraum lagen zwei Schaufeln und eine große Rolle transparente Plastikfolie. Außerdem zwei Rollen Klebeband und zwei Paar Gartenhandschuhe.

Sie lauschten dem Wind. Die Wolken zogen schnell über sie hinweg, silbern angestrahlt vom Mond.

»Packen wir’s an«, meinte Bob.

Er griff hinein und nahm beide Schaufeln mit einer Hand. Er reichte sie Nathan. Bob hob die sperrige Rolle Plastikfolie heraus. Er stützte das Kinn darauf ab. »Dann mal los«, sagte er.

Nathan betrachtete die Bäume: die Eichen, die silbrigen Eschen, die wogenden Farne und das weiche Moos. Der Geruch.

»Bist du sicher, dass es hier ist?«

»Ziemlich sicher.«

Das war Nathan auch. Er folgte Bob in den Wald hinein. Nach einem einzigen Schritt unter die Bäume verabschiedete sich das Mondlicht und die Dunkelheit war vollkommen. Er konnte Bobs angestrengten Atem hören, das Rascheln ihrer Kleider. Aber er konnte nichts sehen. Der Baldachin aus Ästen bildete eine rauschende, wogende Membran über seinem Kopf.

Bobs heiseres Flüstern:

»Bist du noch da?«

»Ja. Ich sehe gar nichts, verdammte Scheiße.«

»Noch ein paar Schritte. Ich mach die Taschenlampe an, sobald es sicher ist.«

»Aber ich sehe verdammt noch mal nichts!«

»Dann pass auf, wo du hintrittst.«

Nathan bewegte sich mit großer Vorsicht. Aber trotzdem blieb er mit seinem Fuß in einer verschlungenen Baumwurzel hängen. Einen schrecklichen Moment lang glaubte er, eine menschliche Hand habe sich ausgestreckt und ihn am Knöchel gepackt.

Er war hingefallen, bevor er schreien konnte.

Ein kalter Lichtkegel leuchtete auf und bewegte sich über ihn hinweg. Bobs Taschenlampe. Nathan stand auf, klopfte seine Kleider ab und griff nach den Schaufeln. Im Lichtschein sah Bobs Gesicht bleich aus.

Er gab Nathan eine Taschenlampe. Nathan nahm die Schaufeln unter den Arm und folgte dem zitternden Lichtstrahl tiefer in den Wald.

Schließlich fanden sie den Bach. Sein Wasser floss schwarz zwischen weißen Gesteinsbrocken dahin. Sie blieben nah beieinander, sprachen nicht und begannen den Boden abzusuchen. Keine halbe Stunde später hatten sie die Stelle gefunden. Sie hatten Elise in der Nähe der Astgabelung eines gewaltigen, alten Baumes am Bach vergraben. Das Ufer war in der Zwischenzeit abgebröckelt und hatte die Baumwurzeln freigelegt.

Weiter oben, wo das Ufer eben wurde, breiteten sie die Plastikfolie aus und beschwerten sie an den Ecken mit Ästen und Steinen. Sie blähte sich auf und glättete sich im Wind wie etwas Atmendes.

Bob legte seine Taschenlampe auf den Boden. Dann rammte er das Blatt seiner Schaufel in die Erde. Sie machte ein schneidendes Geräusch. Er sah Nathan an, schaltete dann die Taschenlampe aus. Nathan schien es, als wäre er plötzlich verschwunden, er strahlte mit seiner Taschenlampe umher, bis er auf Bobs Gestalt stieß und ihn einen Augenblick lang aufleuchten ließ wie den Mond. Bob hielt mit dem Spaten in der Hand inne und flüsterte: »Jetzt mach die Scheißtaschenlampe aus und hilf mir.«

Es war schwere Arbeit, viel schwerer, als sie zu vergraben. Nathan zog sich den Fleecepullover und die Windjacke aus und arbeitete im T-Shirt. Seine Hose und seine Schuhe waren bis zu den Knien verdreckt und mit Schlamm und Erdklumpen verklebt.

Sie bereuten, dass sie vergessen hatten, das Wasser mitzunehmen. Es war im Kofferraum. Die Arbeit machte durstig.

Sie gruben eine Stunde oder länger. Dann zischte Bob, dass sie aufhören sollten.

Sie knieten sich hin und schoben die Erde mit ihren groben Handschuhen beiseite. Bob war an eine weiße Verdickung von etwas gestoßen.

Nathan stand auf. Er ging an den Rand des Wassers und atmete heftig durch die Nasenlöcher. Auf die Schaufel gestützt, sah er in die dahinziehenden Wolken am Himmel. Dann sah er aufs Wasser.

Er ging zu Bob zurück.

»Was ist es?«

»Keine Ahnung. Ein Ellbogen?«

»Oder ein Knöchel.«

»Was auch immer.«

In der schwarzen Erde sah es aus wie der Hut eines Pilzes.

Sie knieten sich hin und begannen, die Erde mit ihren Handschuhen umzugraben und zu durchsieben. Die Kälte drang durch die Handschuhe, sodass ihre Finger schmerzten.

Bob bedeutete Nathan, aufzuhören. Unter seiner Hand lag ein langer Knochen. Selbst in der Dunkelheit sah er rissig und alt aus.

Nathan setzte sich auf.

»Es ist nichts mehr übrig.«

Er saß am Rand der Grube. Die Erde war kalt, und er bekam einen feuchten Hintern. Er brauchte eine Zigarette. »Was machen wir jetzt?«, fragte er.

Bob stützte sich auf seine Schaufel. Er hatte Dreck wie Tarnfarbe im Gesicht.

»Wir versuchen so viel zu finden, wie wir können. Den Schädel. Die Hüftknochen. Die wichtigen Teile.«

»Das ist ein verdammtes Skelett, Bob. Sie ist weg.«

Bob war außer Atem. Er sah zu Nathan herüber und grub dann weiter.

Innerhalb der nächsten Dreiviertelstunde fanden sie einige Wirbel; sie waren in der Erde verstreut wie die Perlen einer zerrissenen Halskette. Sie fanden einige Dutzend kleinere Knochensplitter. Sie warfen alles auf die Plastikfolie. Sie fanden noch zwei lange Knochen. Die landeten ebenfalls auf der Folie. Sie lagen da wie Feuerholz.

Dann bückte Bob sich und untersuchte den Boden.

Er hatte Elises Schädel gefunden. Er befand sich nahe der Biegung des Flusses.

Er lag nicht mehr mit dem Gesicht nach unten.

Ein Stück weiter sah Nathan die Spitze ihres Unterkiefers aus der Erde ragen. Er hob ihn auf und legte ihn auf die Plastikfolie. Dann half er Bob dabei, mit den Fingern unter den Schädel zu gelangen, um ihn aus der Erde zu befreien.

Sie legten den Schädel auf die Folie. Nathan drehte ihn von ihnen weg, sodass er in die Bäume blickte.

Eine Stunde später fanden sie die Einkaufstüte. Sie war schwarz und ölig und vom Gewicht des Bodens zusammengedrückt worden, aber intakt. Darin lagen die feuchten Überreste von Elises Kleidung. Nathan tastete sie ab: gefrorener Stoff, der schwarz geworden und verrottet war. Sogar das Gummi der Adidas-Schuhe war brüchig geworden. Aber sie warfen die Tüte ebenfalls auf die Plastikfolie.

Dann hielten sie inne, um alles zu begutachten. Es sah nicht nach viel aus. Ein geborstener Schädel, ein paar zerbrochene Knochen. Eine Tüte Lumpen. Nathan schaute auf den aufgewühlten Boden hinunter.

»Wir werden nie alles finden.«

»Das macht nichts. Wenn ein Bauarbeiter etwas ausgräbt, was er für ein menschliches Skelett hält, ist er verpflichtet, die Polizei zu verständigen. Aber wenn er ein paar Knochensplitter an einem Fluss im Wald findet, was wird er dann denken? Er wird denken, dass sie von einem Tier stammen. Ich meine …« Er bückte sich, um ein Bruchstück von der Folie aufzuheben. Er kratzte die angetrocknete Erde ab und fragte: »Was ist das?«

»Ich weiß es nicht.«

»Ich auch nicht. Vielleicht ist es nicht mal ein Teil von ihr. Und wir sind schließlich die, die sie hier hingelegt haben.«

Nathan zählte die langen Knochen.

»Etwas fehlt. Ein Bein oder so was.«

Bob betrachtete die Plastikfolie.

»Wahrscheinlich wurde es damals verschleppt und gefressen. Von einem Dachs.«

»Von einem Dachs

»Woher zum Teufel soll ich das wissen?«

»Von einem Fuchs. Vielleicht einem Hund.«

Sie untersuchten das Grab.

»Wie spät ist es?«, fragte Bob.

»Kurz nach drei.«

»Okay. Dann haben wir nicht mehr viel Zeit.«

Sie rollten die Knochen zu einem Plastikbündel zusammen und klebten dieses mit Isolierband fest. Sie ließen das Bündel unter den Bäumen liegen und begannen das Loch wieder zuzuschütten. Sie warfen Steine und verfaulte Blätter und Zweige und Äste in den Bereich, den sie umgegraben hatten. Das Atmen tat weh. Nathans Hände waren taub.

Als sie fertig waren, begutachtete Bob den Schauplatz. Er untersuchte den Boden mit dem Strahl seiner Taschenlampe.

Er fragte: »Hast du alles? Schlüssel, Portemonnaie? Brille? Alles, was du gekauft hast. Hast du nichts vergessen? Dein Handy?«

»Nein.«

»Bist du sicher?«

»Ziemlich sicher.«

»Zwei Taschenlampen«, listete Bob auf. Er zählte alles an seinen behandschuhten Fingern ab. »Zwei Schaufeln. Teppichmesser. Klebeband.« Er sah sich um. »Ich glaube, das ist alles.«

Er tastete seine Taschen ab.

»Autoschlüssel.«

Nathan wartete, bis Bob den Schlüssel gefunden hatte. Sie gingen zu den Bäumen. Sie waren am Ende ihrer Kräfte und ihrer Geduld angelangt. Nathan nahm die Schaufeln. Bob hob die in Plastik gewickelten Überreste hoch.

Das Bündel war leicht, aber sperrig, und Bobs Arme waren müde. Er konnte es nicht allein tragen. Er konnte es auch nicht hinter sich herschleifen; die Folie hätte von einer Baumwurzel aufschlitzt werden können. Nathan würde helfen müssen. Aber Nathan konnte nicht helfen und gleichzeitig die Schaufeln tragen.

»Einer von uns muss zurückkommen, um sie zu holen«, flüsterte Bob. »Wir losen.«

»Scheiß drauf. Werfen wir einfach alles in den Fluss.«

»Was?«

»Verdammt noch mal. Wir hatten Handschuhe an. Wir haben nicht geblutet oder gespuckt oder sonst was. Der Fluss wird alle Spuren abwaschen. Und er wird die Teile verstreuen: Er wird sie den ganzen Weg stromabwärts mitnehmen. Vielleicht bis ins Meer, in den Ozean. Es ist das Sicherste, was wir tun können.«

»Bist du wahnsinnig

»Nein, wahnsinnig ist, sie auszugraben und dann in deinem Kofferraum mit nach Hause zu nehmen. Warum können wir sie nicht einfach jetzt loswerden?«

»Wir würden zu viel dem Zufall überlassen.«

»Nicht so viel, wie wenn wir um vier Uhr morgens mit einem verdammten Skelett im Kofferraum hier wegfahren.«

»Wenn wir das Beweismaterial aus der Hand geben, es einfach in den Fluss werfen, müssen wir uns für den Rest unseres Lebens Sorgen machen, dass es irgendjemand irgendwie findet – und identifiziert. Und wir müssten jede Nacht ins Bett gehen mit der Befürchtung, dass wir einen Hinweis hinterlassen haben, irgendeine Spur, die zu uns zurückverfolgt werden kann. Himmel, was weiß ich – vielleicht steckt ein Haar von dir zwischen ihren Zähnen oder sonst wo, vielleicht hat es sich dort verfangen, als du den Schädel vom Boden aufgehoben hast.«

»Der Fluss würde es wegwaschen.«

»Vielleicht ja. Vielleicht auch nicht. Willst du das riskieren?«

»Das Haar würde verwesen.«

»Vielleicht würde das kalte Wasser es konservieren.«

»Fuck«, fluchte Nathan, weil er wusste, dass Bob recht hatte.

Sie starrten einander wütend an und blickten dann auf die in Plastik gewickelten Überreste.

Sie klebten die Schaufeln an dem Bündel fest und trugen es zwischen sich wie eine Bahre. Der Rückweg dauerte lange. Sie ließen mehrere Hundert matschige Fußabdrücke zurück. Sie schalteten die Taschenlampen nicht ein, und es war sehr dunkel. Weil ihre Arme erschöpft waren, wurden Elises Überreste schließlich sehr schwer.

Als sie wieder beim Auto angelangt waren, zogen sie ihre Schuhe aus und warfen sie in einen schwarzen Müllsack. Sie zogen ihre Kleider aus und warfen diese in einen weiteren Müllsack. Im Kofferraum standen sechs große Flaschen Evian. Zuerst löschten sie damit ihren Durst, dann wuschen sie sich den gröbsten Morast von den Händen und dem Gesicht und aus den Haaren. Das Wasser war kalt. Sie prusteten und fluchten. Bob hatte nicht daran gedacht, ein Handtuch mitzunehmen.

Bob legte Elise in den Kofferraum, während Nathan seinen Anzug wieder anzog. Ihm war kalt, er war nass und dreckig, und der saubere Stoff rieb an seiner Haut. Seine Finger zitterten, als er sich die Schuhe band. Bob machte den Kofferraum zu. Er stütze sich mit einer Hand auf dem Dach ab, während er sich eine Breitcordhose und einen an den Ellbogen zerschlissenen Zopfpullover überstreifte. Er roch nach Motoröl.

Sie setzten sich bibbernd in den Audi.

»Okay«, sagte Bob.

Er startete den Motor und wendete. Nathan drehte sich auf seinem Sitz nach hinten, um zu sehen, wie die roten Bremslichter den Halbmond der Reifenspuren beleuchteten, die sie auf dem Weg hinter sich zurückließen. Bob sagte, er müsse sich keine Sorgen machen. Die Reifenspuren und Fußabdrücke würden längst nicht mehr erkennbar sein, wenn die Bauarbeiter kamen, geschweige denn die Polizei: ausgelöscht von Wind und Regen und den Spuren anderer Autos mit matschigen Rädern, Autos, die junge Liebespaare auf diesen dunklen Waldweg brachten. Und wenn die Fußabdrücke und Reifenspuren einmal verschwunden waren, würden sie für immer verschwunden bleiben. Jegliche frische Spuren, die sie zurückgelassen hatten, würden unwiederbringlich verwischt werden.

Der Audi hielt an, wo der Weg in die Straße mündete.

Bob wartete, bis er sicher war, dass keine Autos kamen – kein Auto, dessen Fahrer oder Beifahrer den alten Audi bemerken könnte, der so spät in der Nacht aus einem so finsteren Pfad herausfuhr. Aber weil es spät war, gab es keinen Verkehr. Die Straße erstreckte sich leer in beide Richtungen.

Sie sahen kaum ein anderes Fahrzeug, bis sie auf die Autobahn auffuhren, und selbst dann war das Verkehrsaufkommen spärlich. Bob fuhr in gemäßigtem Tempo auf der inneren Spur. Sie kamen an zwei Polizeiwagen mit Blaulicht vorbei, die jemanden am Straßenrand blasen ließen. Sie wurden nervös. Aber das war alles.

Es war nach fünf, als sie bei Bobs Haus ankamen. Arbeiter gingen zur Frühschicht. Diskobesucher kamen nach Hause. Es war dunkel, aber die Nacht war vorbei. Ein neuer Tag brach an.