27

Bob hatte in der Nähe seines Hauses eine Garage gemietet. Der Audi wartete mit laufendem Motor vor dem Tor, während Nathan sich mit tauben Händen am Vorhängeschloss zu schaffen machte.

Die Garage war düster und roch nach Schimmel und Öl, genau wie Bobs Pullover. Nathan betrat die feuchte Höhle und tastete nach dem Lichtschalter. Er fand ihn an der Porenbetonwand. Nun wurde die Garage von einem fahlen Licht erfüllt, die Ecken blieben dunkel. Nathan trat zur Seite, um das Auto vorbeizulassen.

Es fuhr im Schneckentempo herein und berührte mit der Schnauze die Rückwand. Nathan zog das Garagentor zu und schob die vier schweren Riegel vor, die Bob angebracht hatte.

In der Garage stand eine Werkbank, zwischen deren Ecken und Löchern sich uralte Spinnweben spannten. Es standen auch ein paar Ölkanister herum, in einer Ecke lag eine Hutablage, und es gab eine Gefriertruhe mit verrosteten Scharnieren. Nathan betrachtete sie. Er konnte das leise Brummen ihrer Kühlung hören.

Bob stieg aus. Er drückte sich die Fingerknöchel ins Kreuz und zündete sich eine Zigarette an.

»Was für eine Nacht.«

Nathan zündete sich ebenfalls eine Zigarette an.

»Und jetzt?«

»Ich lasse sie in der Kühltruhe, bis ich rausgefunden habe, wie ich sie am besten loswerden kann.«

»Verbrenn sie doch einfach.«

»Und wo soll ich sie verbrennen? Wo soll ich eine Wärmequelle hernehmen, die stark genug ist, um menschliche Knochen zu zerstören? Soll ich sie vielleicht mit nach Hause nehmen und in den Ofen schieben?«

»Schon gut. Aber die Klamotten. Lass sie uns einfach mit Benzin übergießen und auf dem Boden verbrennen. Das können wir jetzt gleich machen. Hier und jetzt.«

»Und was, wenn sie Spuren hinterlassen?«

»Das werden sie nicht, Bob. Es ist nichts mehr übrig

»Und das willst du also wissen, ja? Kannst du dir da sicher sein?«

»Ja, ziemlich sicher.«

»Das wäre ich auch gern.«

Nathan war erschöpft. Die Wände schienen weit entfernt.

»Es kommt alles in die Kühltruhe«, wiederholte Bob geduldig. »Bis ich rausgefunden habe, wie ich es beseitigen kann.«

Nathan warf seine Zigarette auf den Boden und trat näher an Bob heran.

»Wir sind gerade eben schon ein dummes Risiko eingegangen, indem wir das Zeug ausgegraben haben. Und jetzt willst du es auch noch ausgerechnet in deiner Garage lagern? Was geht denn mit dir ab?«

»Wirst du irgendjemandem erzählen, dass es hier ist?«

»Natürlich nicht. Aber Mann, du kannst es doch nicht einfach hierlassen. Wir sollten es in Säure auflösen oder so was.«

»Gute Idee. Weißt du, wo man die herkriegt?«

»Das kann ich googeln.«

»Ausgezeichnet. Und weißt du, wie man sicher damit umgeht?«

»Das kann ich auch googeln. Ich gehe jetzt gleich in ein Internetcafé, bestell mir einen Kaffee und …«

Er brach ab und trat nach dem Wagen – nahezu fest genug, um sich den Zeh zu brechen. Dann stützte er sich auf die Motorhaube. »Verdammter Mist. So eine Scheiße. So eine Scheiße.«

Bob sagte: »Okay, pass auf. Es war eine lange Nacht. Aber wir haben es geschafft. Also lass es uns nicht jetzt vermasseln, indem wir etwas überstürzen, solange wir beide so müde sind. Denn genau dann werden Leute erwischt. Sie machen etwas Dummes, wenn sie sich genau so fühlen, wie wir jetzt gerade. Zum Beispiel gehen sie in ein Internetcafé, um nachzusehen, wie man eine Leiche beseitigt, und werden von den Sicherheitskameras gefilmt.« Er hielt eine Hand hoch, um Nathans Einwand zuvorzukommen, und fuhr fort: »Hör zu, ich bin sicher, dass du recht hast. Ich bin sicher, dass wir die Klamotten einfach in Benzin tränken und verbrennen könnten. Schön und gut. Aber was ist, wenn, ich weiß auch nicht … du weißt doch, dass immer so etwas herumfliegt, wenn man Feuer macht. Die Asche, was auch immer. Was ist, wenn sich durch das Verbrennen der Kleider feine Stäubchen in der ganzen Garage verteilen? Dieses Zeug, das man nicht sehen kann, aber das die Spurensicherung in nicht mal zwei Minuten entdeckt? Spuren von menschlichem Fett oder was auch immer.«

»Das kommt mir ziemlich unwahrscheinlich vor.«

»Mir auch. Aber ich bin nicht sicher. Klar? Ich bin nicht sicher. Ich will das lieber recherchieren. Glaub mir, so ist es am besten.«

»Sie in einer Kühltruhe aufzubewahren?«

»Es ist auch nicht schlechter als sonstwo. Besser als dort, wo sie bisher war.«

Er sah Nathans Blick zum Kofferraum huschen und fuhr fort: »Sieh mal, wir sind ungestraft davongekommen. Wir werden nicht mal verdächtigt. Aber wir wären verdächtigt worden, wenn man sie da draußen im Wald gefunden hätte. Aber man sucht sie nicht, Nathan, man sucht sie nicht mal. Wir müssen nur dafür sorgen, dass man, sollte doch nach ihr gesucht werden, nichts finden kann. Überhaupt gar nichts. Und ich will das beste Mittel finden, um das zu erreichen.«

In einer Ecke befand sich eine Wasserleitung. Nathan ging darauf zu. Er drehte den Hahn auf. Er zog sich das Hemd aus. Das Wasser war unerträglich kalt. Er zwang seinen Kopf darunter. Seine Kopfhaut zog sich zusammen. Er streckte und schüttelte sich. Gänsehaut breitete sich über seinen ganzen Oberkörper aus. Seine spärliche Körperbehaarung stellte sich auf und seine Frisur sah aus wie das Fell einer nassen Katze.

Zitternd sagte er: »Du hast recht. Ich kann nicht klar denken. Ich weiß nicht, was das Beste ist.«

Bob nickte ernst.

Dann machte er den Kofferraum auf, hob die in Folie gepackten Überreste mit beiden Armen hoch und trug sie zur Kühltruhe. Noch immer halbnackt und zitternd öffnete Nathan den Deckel. Er nahm die Körbe mit Tiefkühlgemüse heraus. Sie legten Elise auf den Boden und hängten die Gitter mit der Tiefkühlkost wieder über ihr ein.

Dann machte Bob den Deckel zu und sicherte ihn mit einem Vorhängeschloss.

Nathan schaute ihm dabei zu. »Das sieht jetzt aber verdächtig aus.«

»Was?«

»Eine abgeschlossene Kühltruhe. Wer schließt schon seine Kühltruhe ab?«

»Was, wenn irgendwelche Kinder auf die Idee kommen, hier einzubrechen?«

Nathan vergrub seine eiskalten Hände in den Hosentaschen. Er eilte zur Motorhaube, wo seine Kleider lagen, und zog sich das T-Shirt und das Hemd über den Kopf.

»Ich gehe jetzt.«

»Soll ich dich fahren?«

»Ich nehme den Bus oder ein Taxi.«

»Bist du sicher? Du siehst übel aus.«

»Mir geht’s gut. Ich muss den Kopf freikriegen.«

»Was wirst du Holly sagen?«

»Sie wird schon weg sein, wenn ich nach Hause komme.«

»Hoffentlich ist sie dann wirklich weg.«

»Das wird sie.«

»Denn du siehst echt scheiße aus, Alter.«

»Tja, wovon das wohl kommt?«

»Kannst du mir einen Gefallen tun?«

»Was?«

»Kannst du unsere Klamotten mitnehmen und sie irgendwo wegwerfen?«

Nathan sackte in sich zusammen. Er griff in den Kofferraum und holte den Müllbeutel mit den verdreckten Kleidern heraus. Er roch nach Erde. Er knotete ihn zu.

»Wirf ihn einfach vor einen Laden in der Endymion Road«, sagte Bob. »Dort liegen immer Müllhaufen.«

Nathan testete das Gewicht des Beutels. Er kam ihm schwer vor. Seine Arme waren so müde.

»Was machst du jetzt?«, fragte er.

»Schlafen. Dann den Wagen loswerden. Die Spaten. Den ganzen Rest.«

»Okay.«

Es gab nichts mehr zu sagen. Mit dem Sack voll Beweismaterial in der Faust entriegelte Nathan das Garagentor und trat hinaus in den zarten Morgen.

Hinter ihm schob Bob die Riegel einen nach dem anderen zu. Schloss sich mit den Knochen ein.