18
Am Freitag bestellte Nathan Blumen. Er gab dem Blumenladen seine Kreditkartendaten und sagte, der Preis spiele keine Rolle – er wolle, dass die Blumen schön, aber nicht pompös wirkten. Sie sollten genau so aussehen, als hätte er viel Zeit damit verbracht, mit einem Blumenhändler darüber zu diskutieren. Am Samstagmorgen holte er sie ab.
Im Laden war es unangenehm feucht. Blasses Sonnenlicht schien durch ein Glasdach auf das tiefgrüne Blattwerk. Die Fliesen unter Nathans Füßen waren nass.
Die Floristinnen waren eine rundliche Japanerin und eine schlanke Schottin mit kupferfarbenem Bürstenschnitt. Sie freuten sich, ihn zu sehen, und nachdem sie sich am Morgen beim Kaffee ausgiebig über ihn, den besten Kunden der Woche, ausgetauscht hatten, kümmerten sie sich um ihn, als wären sie seine persönlichen Dienerinnen. Sie erklärten ihm, wie die einzelnen Blumen hießen, was sie bedeuteten und warum sie sie ausgesucht hatten. Sie wickelten den Strauß in Folie und braunes Papier, banden eine Schleife darum und überreichten ihn Nathan feierlich.
Er verließ den Laden und hielt die Blumen im Arm wie eine riesige Opfergabe. Er merkte, dass die Leute ihm nachsahen, wie er in einen langen Mantel gehüllt einen so großen Blumenstrauß trug. Er wusste, was sie dachten, und es gefiel ihm, dass sie recht hatten. Schließlich fand er sogar den Mut, einige Blicke zu erwidern und einem Rentnerpaar in taubenblauen Regenmänteln und vernünftigem Schuhwerk verschwörerisch zuzulächeln.
Er legte den Strauß auf die Rückbank seines Wagens, der von der Autowäsche noch leicht chemisch roch. Er schaltete das Radio ein und klappte einen Straßenatlas auf seinem Schoß auf. Nach und nach füllte sich das Auto mit dem schweren Blumenduft.
Er war unkonzentriert, als er aus der Stadt hinausfuhr.
Erst nach einer Weile sah er sich um. Er kam an einer Weide mit ein paar vereinzelten Rindern vorbei. Er las den Namen des Städtchens Sutton Down auf einem Schild.
Er nahm eine Straße durch den Wald, in dem Elise Fox mit dem Gesicht nach unten vergraben lag. Er suchte nach der Einfahrt in den dunklen, namenlosen Weg, sah sie aber nicht.
Sobald er aus dem Wald draußen war, blieb er auf dem grasbewachsenen Straßenrand stehen, bis sein Herzschlag sich normalisiert hatte. Er brauchte einen Drink und er brauchte eine Zigarette. Aber er wollte auch sauber riechen. Er wollte aussehen, als sei er gerade aus der Dusche gekommen, strahlend und gut aussehend und selbstbewusst.
Er erkannte Sutton Down nicht wieder. In der Nacht, als er durchgefahren war, hatte er in der Dunkelheit nur vage Umrisse wahrgenommen. Jetzt sah er, dass das Zentrum aus einer langen, ovalen Dorfwiese bestand. Es gab einen urigen Pub mit niedriger Decke und einem Schild in keltischer Schrift.
Nachdem er die Dorfwiese dreimal umrundet hatte, fand er das richtige Haus: Es war drei- bis vierhundert Jahre alt und lag hinter knorrigen Apfelbäumen, die gerade zu blühen begannen. Er parkte den Wagen auf dem grasbewachsenen Straßenrand. Er holte seinen Mantel vom Rücksitz und zog ihn an. Der Mantel hatte überall dunkle Flecken, wo das Wasser vom Blumenstrauß, den er darauf abgelegt hatte, heruntergetropft war. Auf der Brust hatte er einen goldenen Streifen Blütenstaub.
Er nahm die Blumen sanft unter den Arm und schloss das Auto mit einer übertriebenen Handbewegung per Fernbedienung ab – eine Überkompensation, damit ein Beobachter seine Nervosität nicht bemerkte.
In der Einfahrt parkte ein alter, dunkelgrüner MG neben einem weißen Peugeot 205 mit rostigen Felgen. Die Haustür war von Efeu umrankt. Nathan stand auf der steinernen Schwelle. Er kicherte beinahe vor Aufregung.
Er klingelte.
Nach einer langen Minute hörte er undeutliches Schlurfen in der Diele. Panik stieg in ihm auf, und er dachte darüber nach, sich hinter dem Peugeot zu verstecken. Aber er wusste nicht, was er sagen sollte, falls man ihn entdeckte. Also blieb er, wo er war.
Nicht Holly öffnete die Tür, sondern ihr Vater, ein gepflegter Mann mit schmalen Schultern, der gebügelte, indigoblaue Jeans und ein pastellfarbenes Hemd trug.
»Ja bitte?«, fragte er.
»Mr. Fox?«
»Ja?«
»Ich bin Nathan, ein Freund von Holly.«
Hollys Vater schielte nach den Blumen. Nathan war nahe dran, sie ihm zu überreichen.
»Holly ist leider nicht da.«
Er hatte einen abgehackten, altmodischen Tonfall, der Nathan an Kriegsfilme erinnerte, aber nicht unfreundlich klang.
»Ach so.«
»Kommen Sie von weit her?«
»Nein, nur aus der Stadt.«
»Gut, passen Sie auf. Sie müsste gleich zurückkommen, sie ist nur kurz für ihre Mutter etwas erledigen gegangen. Sie können gerne hereinkommen und auf sie warten.«
»Ich möchte Ihnen keine Umstände machen.«
»Das ist gar kein Problem. Wir freuen uns über Besuch. Wir haben auch Scones da, wenn Sie welche mögen.«
»Das klingt verlockend«, sagte Nathan, der Scones nicht ausstehen konnte.
»Dann kommen Sie herein.« Hollys Vater ging einen Schritt zur Seite und Nathan trat über die Schwelle.
»Ich bin Graham, Hollys Dad.«
Nathan schüttelte ihm die Hand. Sie war schlank und trocken und kräftig.
»Nathan«, sagte Nathan.
»Wir dachten, Sie sind vielleicht von der Presse, wissen Sie. Die stehen immer mal wieder vor der Tür.«
Das Haus roch nach einem Potpourri aus altem Leder und einem leichten Hauch alter Zigarren. Nathan folgte Graham in die Küche. Der lange, helle Raum mündete in einen komplett verglasten Wintergarten, von dem aus man den Rasen und eine kleine Obstwiese sehen konnte. Alles draußen war nass und schwarzbraun, die Farbe des englischen Frühlings. Scheinbar tot, aber bereit zu sprießen.
In der Küche stand eine Frau. Sie war ein wenig jünger als Graham: dunkle Haare, praktischer Schnitt. Stoffhose und Pumps. Um die Hüften etwas breiter. Sie machte etwas mit einer Pflanze unter fließendem Leitungswasser. Als Nathan hereinkam, drehte sie das Wasser ab und trocknete sich die Hände an einem York-Minster-Geschirrtuch ab.
»June, Liebling«, sagte Graham. »Das ist Nathan.«
Sie legte das Geschirrtuch weg und betrachtete die Blumen. »Die sind aber schön. Soll ich sie ins Wasser stellen?«, fragte sie.
Nathan war erleichtert, dass sie sie ihm abnahm.
June lächelte. Das war überraschend und seltsam bewegend.
»Nur, bis Holly zurückkommt«, sagte sie und schien zu zwinkern.
Mit einer Reihe schwindelerregend schneller und gewandter Bewegungen hatte sie die oberste Schublade aufgemacht, eine Gartenschere herausgenommen und begonnen, die nassen, grünen Stängel zu beschneiden.
Graham ging mit dem Wasserkocher in der Hand vorbei. June trat zur Seite, um ihm Platz zu machen, als er ihn mit Wasser füllte.
Nathan konnte nicht fassen, was er diesen Leuten angetan hatte.
Er folgte June in den Wintergarten. Sie setzten sich an einen Couchtisch, auf dem der Sunday Telegraph der vorigen Woche ausgebreitet war. Während Nathan sich setzte, zog er sich die Hosenbeine hoch, als würde June ihn gleich interviewen.
Das leise Klappern hinter ihnen kam von Graham, der mit einer Teekanne auf einem Tablett folgte. Er deckte den Couchtisch mit Tassen, Untertassen, Löffeln, einer Zuckerdose und einem Milchkännchen.
Auch Graham zog sich die Hosenbeine hoch, als er sich setzte. Dann beugte er sich vor, nahm den Deckel von der Teekanne und rührte den Tee um.
»Der braucht noch fünf Minuten.«
June bot Nathan einen Teller mit Shortbread Fingers an. Nathan nahm einen. Er war zwar nicht hungrig, aber froh über die Ablenkung. Als Tellerersatz hielt er seine gekrümmte Hand darunter, bis June ihm eine Untertasse reichte.
»Es kann nicht lange dauern. Sie ist mit Hetty beim Tierarzt«, sagte June.
»Hetty?«
»Die Katze unserer Tochter.«
Er wusste, welche Tochter sie meinten.
Nicht Holly.
Er sagte: »Oh.«
Kummer kam über sie wie ein Wetterumschwung. Doch Graham gab sich sichtlich Mühe, die Stimmung wieder aufzuheitern. Nathan fragte sich, wie viele Male am Tag diese Mühe nötig war.
»Und«, fragte Graham, »woher kennen Sie Holly?«
»Also …« Nathans Verkäuferlächeln fühlte sich aufgesetzt und festgefroren an, heuchlerisch wie das eines Wanderpredigers. »Wir haben uns sozusagen bei der Arbeit kennengelernt.«
June zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Ich wollte ein Haus kaufen. So lernten wir uns kennen.«
»Aha.«
Eine weitere Stille brach herein; sie war nicht angespannt, aber es lag etwas Trauriges darin. Nathan fühlte sich von ihrem Gewicht erdrückt.
Er sagte: »Wir sind vor ein paar Wochen was trinken gegangen.«
June zog die Augenbraue noch einmal hoch. Graham goss Tee in eine Porzellantasse und fügte dann einen Schuss Milch hinzu.
»Es ist nicht besonders gut gelaufen«, erklärte Nathan, »um ganz ehrlich zu sein.«
»Tatsache ist«, sagte Graham, »dass Holly es in letzter Zeit leider ziemlich schwer hatte.«
Nathan schaute auf seinen Schoß, wischte an einem Fleck Blütenstaub herum und antwortete: »Ich weiß. Na ja, ich weiß, worum es geht. Ich meine, Holly hat es erwähnt.«
»Verstehe.«
Sie tranken Tee.
Nathan meinte: »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Das ist sehr nett. Aber Sie müssen auch gar nichts sagen.«
Nathan nickte. Er spürte, dass Elise mit ihnen im Zimmer war. Ihn anstarrte. Mit Dreck in den Haaren und Nasenlöchern.
Ein Windstoß ging über die kleine Obstwiese, die hinter dem Garten lag.
Nathan sagte: »Ihr Haus ist sehr schön.«
»Es hat meinem Vater gehört«, erwiderte Graham.
»Wir wollten nicht, dass die Mädchen in der Stadt aufwachsen«, ergänzte June.
Nathan nickte.
»Holly hat in den letzten Jahren eine Menge auf sich genommen«, sagte June. »Aber wir wollen nicht, dass sie Angst bekommt vor dem Leben.« Sie blickte bedeutungsvoll auf die Blumen, die sich in der Kristallvase prächtig ausnahmen.
Nathan nickte zum Zeichen, dass er verstand. Er trank seine Tasse leer. Wie bei einer japanischen Teezeremonie schenkte Graham ihm augenblicklich nach.
»Deshalb sind wir froh, dass Sie hier sind«, sprach June weiter. »Weil wir finden, dass sie ein wenig Glück verdient hat. Ein bisschen Spaß.«
Später nahm er an, dass die alten Steinmauern das Geräusch des Autos in der Einfahrt gedämpft haben mussten, denn als Hollys Schlüssel ins Schloss glitt, war er überrascht. Vor Schreck stand er automatisch auf und verschüttete dabei beinahe seinen zweiten Tee. Beschämt blickte er zu June. Aber June winkte ihn zu den Blumen und trieb ihn zur Eile an.
Aus der Diele rief Holly: »Wem gehört das Auto da neben der Einfahrt?«
Graham machte ein fröhliches, verschwörerisches Gesicht und fragte laut: »Tee, Liebes?«
»Au ja!«
Nathan hörte es rumoren, als sie etwas absetzte, dann den Mantel auszog und aufhängte.
Er stand mit den tropfnassen Blumen in der Hand da.
Holly kam in die Küche. Sie trug kein Make-up und hatte ihr Haar hastig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Wangen waren rot vor Kälte. Sie hatte einen Pullover mit Zopfmuster, alte blaue Jeans und dicke graue Wandersocken an. In einer Hand hielt sie einen Katzenkäfig.
Sie sah Nathan an, als wüsste sie im Moment nicht, wo sie ihn hinstecken sollte.
Dann sagte sie: »Oh.«
Nathan lächelte und streckte ihr die Blumen entgegen.
»Weil es mir leid tut.«
Sie hielt noch immer den Katzenkäfig in der Hand.
»Was tut dir leid?«
»Dass ich alles vermasselt habe.«
»Das hast du nicht.«
»Okay. Dann tut es mir leid, dass alles nicht so gelaufen ist, wie ich gehofft hatte.«
»Das war auch nicht deine Schuld.«
»Trotzdem tut es mir leid.«
»Wie hast du herausbekommen, wo ich wohne?«
Darauf war Nathan nicht vorbereitet.
»Im Ernst«, fragte sie, »wie hast du herausbekommen, wo ich wohne?«
»Ich habe nachgesehen. Im Telefonbuch.«
»Wir stehen nicht im Telefonbuch.«
»In einem alten. Ich hab eine Menge alte Telefonbücher. Na ja, sie gehören nicht mir. Sie liegen in meiner Wohnung. In einem Schränkchen. Bei den Zählern.«
»Und woher wusstest du, in welchem Dorf du suchen musst?«
»Du hast es erwähnt.«
»Daran kann ich mich nicht erinnern. Normalerweise erwähne ich so etwas bewusst nicht.«
Er zuckte mit dem Schultern, als täte es ihm leid. »Du hast es aber erwähnt.«
Ihr steinharter, skeptischer Gesichtsausdruck wurde weicher. Sie blickte über seine Schulter zu ihren Eltern, die hinter ihm standen und vor Hoffnung überschäumten. Sie verlagerte ihr Gewicht auf eine Hüfte.
»Das war jedenfalls ziemlich einfallsreich von dir.«
»Was soll ich sagen?«
»Und ganz schön hartnäckig.«
June trat zwischen Nathan und Holly, nahm ihm die Blumen ab und schlug vor: »Holly, zeig Nathan doch mal den Garten.«
Holly sah ihn zweifelnd an.
»Warte hier.«
Das tat er. Sie kam in grünen Gummistiefeln zurück und trug ein zweites Paar in der Hand, das sie Nathan reichte mit den Worten: »Da draußen ist es ziemlich nass.«
So kam es also, dass er ohne Schuhe auf dem Küchenboden der Familie Fox saß und sich in ein Paar Gummistiefel zwängte, das ihm eine halbe Nummer zu klein war. Er stand auf, und Holly reichte ihm seinen Mantel.
Er folgte ihr in den Garten. June machte sich an der Spüle zu schaffen. Von Zeit zu Zeit spürte er, dass ihre Augen über ihn und Holly huschten wie der Lichtstrahl eines Leuchtturms.
Holly trug eine Barbour-Jacke, vermutlich Grahams, und einen Schal, der kratzig und ungemütlich aussah. Sie vergrub die Hände in den Taschen. Es war hell und nass, die Sonne stand tief über dem Horizont. Er konnte ihrer beider Schritte und Atem hören. Langes, vom Wasser schweres Gras strich ihm um die Beine. Er hörte Kühe in der Ferne, das raue Krächzen von Krähen.
Sie blieben an dem wackeligen, halb vermoderten Lattenzaun am Rand des Obstgartens stehen. Holly setzte sich auf einen Zauntritt, presste die Knie aneinander, stützte die Ellbogen darauf ab und legte das Kinn in die Hände. Sie starrte ohne etwas zu sehen in Richtung des Hauses. Nathan starrte in das unregelmäßige, blattlose Gewirr des Obstgartens.
Sie sagte: »Ich kann nicht fassen, dass du das gemacht hast.«
»Dass ich was gemacht habe?«
»Dass du hergekommen bist, um meine Eltern kennenzulernen.«
»Sie sind total nett. Sie haben mir Tee gemacht.«
Sie streifte das Haargummi von ihrem Pferdeschwanz. Das Haar fiel ihr ums Gesicht. Sie wand sich das Gummi ums Handgelenk. Ein paar rote Haare waren daran hängen geblieben und reflektierten das Sonnenlicht.
»Lass dich bloß nicht täuschen. Dad kann ganz schön furchteinflößend sein, wenn er will. Er war früher bei der Royal Navy.«
»Er ist mir gar nicht so furchteinflößend vorgekommen.«
»Dann hast du ihm wahrscheinlich gefallen.«
Nathan drehte sich um und lehnte sich an den Zaun.
Holly schaute noch immer angestrengt zum Haus, wie jemand, der versucht, sich an einen Traum zu erinnern.
Sie sagte: »Es ist wundervoll, dass du das gemacht hast. Auf eine leicht gruselige Art.«
Auf dem Baum saß ein Vogel. Nathan wusste nicht, was für einer. Vielleicht ein Star. Er beobachtete Nathan mit unbeweglichen Reptilienaugen.
»Das würde ich so nicht sagen«, meinte er.
»Lügner«, sagte sie.
Später schlenderten sie zum Haus zurück. Sie ließen die Hände in den Taschen und hielten die Köpfe gesenkt. Sie hatten nicht viel gesprochen.
In der Küche streiften sie die Stiefel ab, stellten sie auf die Fußmatte, zogen dann ihre Jacken aus und stapften in nassen Socken und dreckverklebten Hosen in die Diele, um die Jacken aufzuhängen.
Sie aßen mit Graham und June zu Mittag: Pastinakensuppe, dann kalten Schinken und Ofenpommes mit Salat. Hollys Eltern stellten viele Fragen, vor allem über Nathans Karriere. Nathan wollte, dass Graham und June ihn mochten, und er wollte, dass Holly sah, dass sie ihn mochten. Also schmückte er seine Erfolge aus – einschließlich jener Erfolge, die selbst in seinen Ohren leicht absurd klangen.
Während des Essens sagte Holly wenig. Aber manchmal sah sie ihn an. Später, während sie die Zeitung las, half Nathan June dabei, die Teller in die Spülmaschine zu stellen.
Mit dem Wirtschaftsteil unter dem Arm entschuldigte Graham sich und ging nach oben, um sein Wochenendnickerchen zu halten. Vorher gab er Nathan noch einmal die Hand.
»Hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen.«
»Mich auch.«
Nachdem die Spülmaschine eingeräumt und eingeschaltet war, sah Nathan auf die Uhr und kündigte an, dass er gehen müsse. Er holte seine Schuhe und seine Jacke.
Bei der Verabschiedung hielt June ihm die Wange hin. Als er sie küsste, drückte sie ihm kurz die Hand.
Es blieb Holly überlassen, ihn zur Tür zu bringen. Noch in ihren Wandersocken, mit über der Brust verschränkten Armen und gesenktem Kopf begleitete sie ihn in die Diele und bis zur Einfahrt. Während er nach seinem Schlüssel suchte, wippte sie auf den Fersen vor und zurück.
»Ich kenne dich überhaupt nicht.«
Er lehnte sich auf das niedrige Dach seines Autos. »Für mich ist es auch komisch. Glaubst du, ich mache so was öfter?«
»Keine Ahnung.«
»Ich mach so was nie. Vertrau mir.«
Sie sah ihm in die Augen. Etwas Strahlendes und Wütendes lag in ihrem Blick.
»Das werden wir sehen.«
Er lachte, obwohl sie keinen Witz gemacht hatte, und stieg in sein sauberes Auto und startete den Motor und fuhr los, und sie stand noch immer mit verschränkten Armen und in dicken, grauen, vom feuchten Gras durchnässten Socken da und wurde immer kleiner.
Er nahm den langen Weg nach Hause, indem er den Wald umfuhr.
Als er zu Hause ankam, fiel ihm ein, was ihn an dem Haus gestört hatte. An den Wänden hingen mehrere Gemälde: Kunstdrucke, ein paar Aquarelle. In den Bücherregalen stand Messing- und Porzellannippes.
Aber es gab keine Fotos.