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Selbstverständlich suchte Holly das Haus aus.

Sie führte ihn durch ein feuchtes, viktorianisches Gemäuer mit abblätternden Blümchentapeten und pries sein Potenzial. Er tat so, als könne er es sich vorstellen, aber er machte sich Sorgen wegen des letzten Mieters. Der alte Mann, der in dem Haus gewohnt hatte, war in einem Altersheim gestorben, hatte aber zuvor an einer sehr einsamen Demenz gelitten. Seine Nachbarn hatten ihn im Hinterzimmer hausend gefunden, halb verhungert. Nathan zuckte bei dem Gedanken daran zusammen, aber Holly lachte, hakte sich bei ihm unter und sagte, er solle nicht albern sein – schließlich war das einer der Gründe, weshalb das Haus ein solches Schnäppchen war.

Mit einem Blick zur vergilbten Decke fragte er: »Bist du sicher

Sie war sich sicher.

Holly stellte den Architekten ein und Holly stellte die Bauarbeiter ein und Holly stellte den Bauleiter ein. Nathan besuchte das unfertige Haus nur zwei, drei Mal. Jedes Mal schien es in einem noch schlechteren, nicht besseren, Zustand zu sein, angefüllt mit herausgerissenen Dielenbrettern, hageren Männern in farbverschmierten Jeans und Teetassen. Er beschloss, dass das Haus ihm viel zu viele Sorgen bereitete, und ging nicht mehr hin. Holly lernte, ihm erst dann von Rückschlägen und Erschwernissen zu erzählen, wenn sie behoben waren.

Der Großteil der Möbel war eine Woche vor der Hochzeit ins Haus gebracht worden. Nathan verlebte eine seltsame Übergangswoche in seiner fast leeren Wohnung über der Kindertagesstätte, saß auf seinem letzten Stuhl und sah fern.

Er hatte sich gefragt, ob vielleicht ein Hauch von Elise – der Teil von ihr, den er mit sich herumgetragen hatte – hier in dieser Wohnung gefangen sein könnte wie ein Nachtfalter in einem Einmachglas. Sie wäre eine Art Aroma in der Atmosphäre, bemerkt, aber nicht weiter beachtet von den Nachmietern – bis sie verdunstete wie ein Spritzer Parfüm auf einer menschlichen Kehle.

June hatte alles so organisiert, dass das Haus bezugsfertig war, als sie aus den Flitterwochen zurückkehrten. Sie fanden Kleidung in den Schränken, Besteck in den Schubladen, Waschpulver im Kästchen und Fairy Ultra neben der Spüle. Auf dem Esstisch standen Blumen neben einer Willkommen-zu-Hause-Karte. Nathan untersuchte die Rückseite der Karte, um nachzusehen, welcher von Hermes’ Konkurrenten sie hergestellt hatte.

Er stellte seinen Koffer neben dem frisch bezogenen Bett ab, in dem noch nie jemand geschlafen hatte, und meinte: »Es ist so komisch

Holly trug noch immer Urlaubsshorts.

»Na ja, von nun an ist das unser Leben. Also gewöhnen wir uns besser dran.«

Er befühlte das Bett mit einer Hand.

»Sollen wir es ausprobieren?«

Sie probierten es aus. Sie probierten auch die anderen Zimmer aus und das Bad und das Wohnzimmer. Er vögelte sie auf den Fensterbrettern und auf der Treppe. Jedes Mal ging es schnell. Er packte ihr Haar mit einer Hand, woraufhin sie den Rücken durchbog und sich ihm entgegen stieß, und er konnte sich nicht mehr zurückhalten.

Es schien ihr nichts auszumachen. Danach lief sie immer barfuß, halb nackt und lachend herum und fuhr sich mit den Händen durch die aufgelöste Frisur, während ein Spermatröpfchen in ihrem Schamhaar glänzte.

Normalerweise war Nathan nach wenigen Minuten wieder bereit. Dann sorgte er dafür, dass es gut wurde. Wenn ihr Orgasmus sich anbahnte, grinste er in sich hinein, und wenn er dann in sie eindrang, schrie sie auf und bohrte ihm ihre Nägel in den Hintern.

An ihrem ersten Arbeitstag nach den Flitterwochen betrachtete er sie in ihrem strengen grauen Kostüm und der weißen Hemdbluse mit Kentkragen, dann schob er ihr den Rock bis zu den Hüften hoch und vögelte sie gegen die Tür. Und als sie an jenem Abend nach Hause kam, zog er sie aus, noch bevor sie Hallo sagen konnte, und vögelte sie auf dem Sofa.

»Das ist ganz natürlich«, meinte sie. »Dein Körper versucht mich zu schwängern.«

»Glaubst du?«

»Ja.«

»Und wie findest du das?«

»Was?«

»Dass mein Körper versucht dich zu schwängern.«

»Na ja, ich will jedenfalls nicht, dass du damit aufhörst.«

»Aber was ist, wenn es klappt?«

»Wenn was klappt?«

»Dass mein Körper dich schwängert.«

Sie richtete sich auf einen Ellbogen gestützt auf. »Wie findest du das?«

»Das kommt drauf an.«

»Worauf?«

»Darauf, wie du es findest.«

Sie legte sich mit einem Arm über den Augen auf den Rücken und gab ihm einen Klaps auf den Oberarm.

»Ich finde das ganz gut.«

»Was heißt ›ganz gut‹?«

»Ich bin bereit, wenn du bereit bist.«

»Okay.«

»Ist es nicht noch zu früh?«

»Ich wüsste nicht, wieso.«

Sie setzte sich wieder auf.

»Hast du darüber nachgedacht

»Natürlich.«

»Wie lange?«

»Schon ewig. Ich weiß nicht genau.«

Sie kitzelte die Härchen in seinem Nacken.

»Bist du sicher, dass du sicher bist?«

An jenem Abend stellten sie sich gemeinsam neben das Klo, drückten die Antibabypillen eine nach der anderen aus der Packung und ließen sie wie Konfetti in die Schüssel fallen. Holly betätigte die Spülung und sah zu, wie sie hin- und herschwammen und davontanzten.

»Es ist noch nicht zu spät«, gab sie zu bedenken.

Er führte sie an der Hand ins Schlafzimmer und legte sie aufs Bett. Als sie fertig waren, drückte sie seine Handfläche leicht auf die weiche Wölbung ihres Bauches, und so schliefen sie ein.

Spät in der Nacht drehte sie sich auf die Seite und streichelte ihn. Er deckte sie zu. Er lag wach da. Er dachte an die dunklen Räume unten und die dunkle Diele und das dunkle Bad mit den unbedeckten Spiegeln. Er dachte an den dunklen Schrank unter der Treppe, in dem eine menschliche Gestalt sich zusammenrollen konnte, um ihr lächelndes Gesicht zu zeigen, wenn die Tür geöffnet wurde. Und er dachte an die flirrenden Lebensfünkchen, die blind in Holly herumstoben, die Essenz seines Wesens.

Irgendwann schlief er in der Dunkelheit ein.

Als sie ihre Periode bekam, taten sie so, als seien sie nicht enttäuscht. Sie hatten es erst seit ein paar Wochen versucht. Sie waren etwas zu höflich zueinander, aber nur einen oder zwei Tage lang.

Als vier Wochen später noch einmal dasselbe passierte, war es ein bisschen schlimmer – aber nur ein bisschen. Aber den Monat darauf war es noch ein bisschen schlimmer und den Monat darauf ebenfalls. Aber sie waren noch immer am Anfang, und sie waren jung, und es machte noch Spaß, es zu versuchen.

Und sie versuchten und versuchten es – aber am Ende des Zyklus kam immer Blut. Und mit dem Blut gab es einen weiteren geisterhaften Trauerfall. Die Ahnung eines Jungen oder Mädchens – nicht mehr als der Hauch einer Möglichkeit, aber dennoch ebenso geliebt – war aus der Welt gewischt worden.

Jedes Jahr, wenn der Jahrestag von Elises Verschwinden näher rückte, zog Holly sich in sich selbst zurück. Sie sprach morgens weniger und lief verwirrt und geistesabwesend durchs Schlafzimmer, bevor sie nach einem Handtuch oder einer sauberen Unterhose oder ihrer Uhr griff.

An einem Sonntagmorgen kurz vor Weihnachten 2004 stand Nathan früh auf, machte Holly Frühstück und brachte es ihr auf einem Tablett ans Bett.

Sie setzte sich auf. Ihr Haar war auf der einen Seite platt gedrückt und das zerknitterte Bettzeug hatte Abdrücke auf ihren Brüsten und ihrem Oberkörper hinterlassen. Ihr Brustbein war ganz leicht gerötet. Weil sie nicht gerne nackt aß, reichte er ihr ein T-Shirt.

Sie setzte sich in den Schneidersitz und balancierte das Tablett auf dem Schoß. Sie trank einen Schluck Orangensaft, dann Kaffee und fragte: »Und womit habe ich mir das verdient?«

»Ich mache mir Sorgen um dich.«

Sie streifte sich das Haargummi vom Handgelenk und machte sich einen lockeren Pferdeschwanz. Sie schob etwas Rührei auf die umgedrehte Gabel.

»Wieso machst du dir Sorgen um mich?«

»Du weißt schon, wieso.«

Sie schob sich das Rührei in den Mund.

Während er ihr beim Essen zusah, sagte er: »Weißt du, es ist nicht gesund.«

Sie gab ihm ein lautloses Warnsignal.

Er sehnte sich nach einer Zigarette. Aber er hatte schon vor langer Zeit aufgehört.

Er sagte: »Du redest nie über sie. Nicht einmal jetzt.«

»Das stimmt nicht. Ich rede ständig über sie.«

»Du denkst ständig an sie. Aber das ist nicht dasselbe.«

»Was soll ich denn sagen? Du siehst jedes Mal so unglücklich aus, wenn ich sie erwähne.«

Das war ihm nicht bewusst gewesen.

Er sagte: »Das ist nicht fair. Wie soll ich denn reagieren? Du zeigst mir ja nicht, wie ich mich verhalten soll. Soll ich dabei etwa glücklich sein? Das bin ich nämlich nicht.«

»Ich will jetzt wirklich nicht deswegen streiten.«

»Ich will auch nicht deswegen streiten.«

»Was willst du mir dann sagen?«

»Also, pass auf. Du hast keine Fotos von ihr. Vielleicht wäre es besser … ich weiß nicht, nach so langer Zeit … vielleicht wäre es besser, wenn du einfach ein paar Fotos aufhängen würdest, oder so.«

Lange Zeit war sie ganz still. Und dann sagte sie: »Manchmal kann ich es kaum glauben.«

Er sah sie mit plötzlichem Entsetzen an.

Aber sie hatte ihm ein Kompliment gemacht. Sie trank den Kaffee aus und sprang aus dem Bett und huschte durchs Zimmer, nackt bis auf sein T-Shirt, der blasse Abdruck ihrer Bräune war noch sichtbar rund um ihren Hintern. Sie suchte ihre Kleider zusammen. Sie duschte schnell, und bald waren sie bei Grahams und Junes Haus in Sutton Down angekommen.

Nathan hatte sich nicht rasiert. Er trug eine alte Jeans, Turnschuhe und einen Mantel. Soweit er sich erinnern konnte, hatte er nie zugelassen, dass Hollys Eltern ihn anders als tadellos gekleidet sahen. Graham missbilligte Schlampigkeit.

Nathans Schwiegereltern waren wie immer so angezogen, als hätten sie Besuch erwartet, June hatte lediglich noch kein Make-up aufgetragen. Sie sah schockierend nackt aus ohne.

»Es ist doch nichts Schlimmes passiert, oder?«, fragte Graham.

Statt einer Antwort zeigte Nathan ihm die Einkaufstüten mit frischem Brot, Eiern, Speck und Obstsaft vom Bauernmarkt. Zum zweiten Mal an jenem Morgen bereitete Nathan das Frühstück zu. Holly machte Kaffee für alle.

»Und wie kommen wir zu dieser Ehre?«, fragte June.

Holly sah Nathan an.

»Na los, sag es ihnen.«

»Was soll ich ihnen sagen?«

»Was du mir heute Morgen gesagt hast.«

Nathan schaute hinunter auf die pochierten Eier.

»Was sollst du uns sagen?«, fragte Graham.

Holly verschränkte die Arme. »Nathan hatte eine Idee. Um den Jahrestag zu begehen … graben wir alle alten Fotos aus! Die Fotos von Elise. Und wir hängen sie wieder auf. In unserem Haus und in eurem. Und ich finde, er hat recht. Ich finde, das ist eine gute Idee.«

Sie frühstückten. Dann machte Graham sich im Gewächshaus zu schaffen, und Nathan saß Zeitung lesend im Wintergarten, während Holly zusammen mit ihrer Mutter auf den Dachboden stieg und mehrere zugeklebte Kartonschachteln herunterholte. Die gerahmten Fotos und Alben waren in Luftpolsterfolie verpackt und mit Klebeband umwickelt worden – typisch für June, dachte er, bei etwas so Unerträglichem so organisiert zu sein.

Er fragte sich, was er wohl gemacht hatte und wo er gewesen war an dem Tag, als diese Fotos verpackt worden waren – und wo er an dem Tag gewesen war, als June beschlossen hatte, Elises Zimmer auszuräumen und ein Büro daraus zu machen. Sie hatte darin ein ganzes Computernetzwerk eingerichtet und Drucker, Scanner und Aktenschränke hineingestellt. Sie hatte Elises Bett, ihren Schrank und ihre restlichen Möbel einem ihrer Wohltätigkeitsvereine gegeben. Elises persönliche Gegenstände standen in Schachteln auf dem Dachboden. Ihre Kleider würden gefaltet und luftdicht verpackt dort liegen bleiben und langsam unmodern und dann wieder modern werden.

Er konnte sich nicht erinnern, wo er gewesen war, oder wer. Jener Mensch war ihm fremd, er war unwirklicher als ein Geist.

Er schlenderte ins Esszimmer, wo June und Holly die Fotos auf dem Tisch ausbreiteten. Sie hielten sich an den Händen und lachten. Bei manchen Bildern schwelgten sie in Erinnerungen: Elise als Fünfjährige, pausbäckig an einem Strand in Cornwall, als Achtjährige in einem Rollkragenpulli, ohne Schneidezähne. Als schmollendes Schulmädchen in einem blauen ausgestellten Rock, den sie nicht ausstehen konnte.

Zärtlich sagte June: »Den Rock hat sie gehasst. Sie hat den gleichen noch einmal gekauft und einen Minirock daraus gemacht. In der Schule hat sie sich dann umgezogen. Jeden Abend, wenn sie nach Hause kam, hat sie ihn mit Shampoo von Hand im Badezimmer gewaschen. Hat ihn unter ihrem Handtuch versteckt auf dem Heizkörper getrocknet.«

Dann erinnerte Holly June daran, wie alle Teetassen und Kaffeebecher im Haus immer in Elises Zimmer gelandet waren, sodass June eine monatliche Razzia veranstalten musste und dann Arme voll schimmeliger Tassen und haariger Kekse hinuntertrug.

Inzwischen hatten sie die Bilder auf zwei Haufen aufgeteilt. Hollys Fotos hatten sie wieder lose in eine Schachtel gelegt, die in der Mitte des Tisches stand. Nathans Blick fiel auf Elises lächelnde Mundwinkel und ihre Haarspitzen und ihre lachenden Augen.

Er ging wieder hinaus. Er setzte sich auf eine Gartenbank und sah dem sanften Wogen der Apfelbäume zu. Er betrachtete die hellen Wolken.

Als er wieder hineinging, zog Holly ihren Mantel an.

Nathan trug die Schachtel mit den Fotos ins Auto. Er küsste June. Sie verabschiedeten sich und fuhren nach Hause.

Während Nathan an jenem Abend fernsah, hängte Holly die Bilder auf. Er hörte, wie sie Maß nahm und sich dabei konzentrierte sowie ihre kurzen, präzisen Hammerschläge. Dann folgte eine Stunde lang – eine schöne Stunde, dachte er – das Arrangieren und Umarrangieren an der Wand. Als sie fertig war, war es fast elf. Nathan bestellte Curry und sie aßen es müde vor dem Spätfilm.

Sie gingen erst nach Mitternacht hinauf ins Bett. In der Dunkelheit auf der Treppe spürte Nathan, wie Elises vervielfältigtes Abbild ihn anlächelte. Er versuchte sich nicht umzudrehen, weil er fürchtete, dass ihr Lächeln auf einem der Fotos zu einer sabbernden Fratze geworden sein könnte.

Aber er war schwach. Er drehte sich auf der Treppe um. Und er sah nur lächelnde Gesichter.

In ihrem ersten Ehejahr lieh Holly sich genügend Geld, um Hypotheken auf drei heruntergekommene Häuser aufnehmen zu können. Zwei vermietete sie wohnungsweise, das dritte baute sie um, vergrößerte es und gestaltete es außen streng modernistisch. Das Haus mit den sechs Zimmern war ein großes Risiko, das sie nicht wiederholen würde. Sie verbrachten viele schlaflose Nächte mit Diskussionen darüber, aber am Ende verkaufte es sich, und sie steckte den Gewinn in weitere Objekte.

Sie stellte June als gelegentliche Beraterin und Teilzeit-Sekretärin ein. Eine Weile arbeiteten sie von zu Hause aus, aber bald mietete Holly ein paar Büros und erweiterte das Geschäft, um externe Bauleitungs- und Architektendienste einzugliedern. Sie stellte vier junge Architekten in Vollzeit ein.

Nathan blieb bei Hermes, wo sein anfänglicher schneller Aufstieg von Justins verbissener Hartnäckigkeit aufgehalten worden war.

Ihm wurden andere Jobs angeboten, aber Hermes besserte sein Gehalt immer auf, damit er blieb. Er blieb jedoch nicht wegen des Geldes. Er blieb, weil er die Struktur seines Lebens mochte. Montags bis freitags arbeitete er. Er stellte seinen Wecker auf 6.45 Uhr und stand um 7.15 Uhr auf. Am Dienstag- und Donnerstagabend kochte er. Freitags bestellten sie Essen, abwechselnd chinesisch oder indisch. Am Samstagabend ging Holly mit Freunden aus, einmal im Monat übernachtete sie bei Jacki. Die Sonntage verbrachten sie in Sutton Down. Holly und June gaben sich Mühe, am Esstisch nicht über die Arbeit zu reden. Am Sonntagabend gingen Nathan und Graham in den Pub. Graham zahlte das erste Bier: Lager & Lime im Sommer und Cask Bitter im Winter.

Sie machten jedes Jahr eine Woche Urlaub mit Graham und June, wobei sich Junes Wunschziel mit einem Ort abwechselte, wo Graham Golf spielen konnte. Nathan hatte einmal behauptet, er würde eher sterben, als einen Golfplatz zu betreten – aber es machte ihm nicht wirklich etwas aus, und Graham freute sich.

Jedes Jahr verbrachten Nathan und Holly zwei Wochen damit, an einem Strand auf Barbados oder den Bermudas in der Sonne zu liegen. Der tiefblaue, golddurchwirkte Sarong, den sie sich um die Hüften knotete, erregte ihn jedes Mal. Er mochte es, ihr zuzusehen, wie sie ins Meer watete. Er liebte den Geruch von Salz und Ambre Solaire auf ihrer Haut. An Hollys Geburtstag fuhren sie immer für ein langes Wochenende weg. Ihren Hochzeitstag begingen sie mit einem Wochenende in London oder Paris.

Ein- oder zweimal im Jahr fuhren Graham und Nathan zum Angeln. Dann stellten sie Zelte am Fluss auf, legten sich in ihre Schlafsäcke und betrachteten die Sterne. Sie standen früh auf, während der Nebel noch über dem Wasser hing, und wärmten ihr Frühstück über einem Primuskocher.

Er dachte selten an Elise. Außer in der fiebrigen Unmittelbarkeit seiner Träume spürte er keine Verbindung zu dem Menschen, der er in der Nacht ihres Todes gewesen war. Er wurde noch immer schweigsam, wenn er durch den Wald fuhr – das Flackern am Rand seines Gesichtsfelds –, aber es war eine fast automatische Reaktion geworden, ein Pawlowscher Reflex infolge eines alten, längst vergessenen Reizes. Wie das Knicksen eines Taufscheinkatholiken.

2007 hatten sie genug gespart, um sich ein größeres Haus in einer besseren Gegend leisten zu können. Aber sie wussten, dass sie ihr jetziges Haus niemals aufgeben würden, solange das fertig gestrichene Kinderzimmer leer stand. Das würde Unglück bringen.

Ihr Sexualleben verlief normal – voller Höhen und Tiefen. Aber Holly schob sich nach dem Geschlechtsverkehr schon lange nicht mehr Kissen unter das Becken, und sie hielten schon lange nicht mehr Händchen und diskutierten über Vornamen und örtliche Schulen.

Sie machten Fruchtbarkeitstests. Es gab keine pathologischen Ursachen.

Nathan zweifelte nicht daran, dass es an ihm lag. Er stellte sich vor, wie Hollys sanft leuchtende Eizelle bei der Berührung mit seinen infizierten Spermien verkümmerte.

Er hatte schon vor langer Zeit eine künstliche Befruchtung vorgeschlagen. Holly hatte abgelehnt. Es würde passieren, wenn es passieren sollte, sagte sie, und außerdem hatten sie genug zu tun. Aber nun war schon 2008 und sie dachten ernsthaft darüber nach. Bald sprachen sie wieder über Vornamen und Schulen. Sie standen in der Tür des leeren Kinderzimmers und blickten in die Zukunft.

Und dann kam Bob zurück, um Nathan zu sagen, dass der Wald gerodet wurde, weil eine Wohnsiedlung gebaut werden sollte.