Die Navigation in der Stille

 

 

Das eigentliche Problem, dem die meisten Menschen heute in puncto Stille begegnen, ist nicht in erster Linie der äußere Lärm, der uns umgibt, sondern der innere Lärm der auftauchenden Gedanken, Sorgen und Ängste, wenn wir mal alleine sind und um uns herum alles still ist (wie auf S. 211 beim Thema Meditation noch näher erläutert wird). Bevor man wirklich »die Stille hören« und die Seele darin »baden« kann, muss erst der innere Lärm versiegen, sonst kann einem die Stille sogar laut und erschreckend vorkommen. In einem Zeitungsartikel las ich vor ein paar Jahren einen Bericht über einen Berliner Taxifahrer, der sein Leben im tobenden Verkehr verbringt, und sich mit seinem Zelt für drei Wochen in die schwedische Einsamkeit zurückzog – um mal in sich zu gehen. Doch jede Nacht schreckte er auf und konnte nicht wieder einschlafen. »Es war absolut still, kein Vogel, kein Wind. Ich dachte, ich gewöhn mich dran, aber ich hab mich nicht dran gewöhnt.« Wie Druck habe die Ruhe auf seinen Ohren gelegen, lauter als würde in der Wohnung nebenan Schlagzeug geübt. »Stille kann richtig weh tun!«, meinen auch Miller und Schmude.

Erlauben Sie mir einen Vergleich: Mit der Stille ist es oft wie mit dem Anzapfen eines Bierfasses. Erst kommt nur Schaum, dann das Bier. Auch wir stehen im Alltag oft so unter Druck, dass dann, wenn wir plötzlich innehalten und in die Stille gehen, wie bei einem geschüttelten Bierfass unser inneres Chaos wie Schaum herauszischt. Doch wenn man lernt dieses Gedankenchaos einfach vorüberziehen zu lassen, dann kommt man, wie das Bierfass, zur Ruhe und die innere Ordnung fließt wie das reine Gebräu.

Ja, Stille ist für viele Menschen die Kraftquelle Nummer eins, die intensivste, innerste Auftankmöglichkeit für die Seele, und gleichzeitig ist sie doch das, wovor wir uns am meisten fürchten. Denn das »Nirwana« ist für viele westliche Menschen alles andere als »erleuchtend« – im Gegenteil, es kann uns beängstigend oder gar bedrohlich vorkommen. Es sei denn, wir haben gelernt, damit umzugehen. Und genau darum geht es: Eine Brücke in die Stille zu finden, die uns hilft, Stille auszuhalten, ja sogar genießen zu lernen! Also nicht: So viel Stille wie möglich, sondern so viel, wie ich noch entspannt erleben kann!

Die Stille als Chance – nicht als Muss!

 

Es mag sein, dass es uns immer wieder etwas Überwindung kosten mag, in die Stille einzutauchen. Doch sinnvollerweise nur soviel, dass wir uns dabei nicht überfordern, dass wir uns nicht anstrengen müssen, die Stille zu ertragen – oder gar zu erleiden. Sonst erleben wir die Stille angespannt, was ein tiefes Erleben in der Regel verhindert. Daher ist es wichtig, das eigene Maß zu finden, Stille positiv zu erleben sowohl, was die Dauer als auch was das Umfeld betrifft.

 

Zeitlich: Wie lange tut mir Stille gut, ohne mich zu überfordern? Zwanzig Minuten am Tag, eine Stunde in der Woche, einen Tag im Monat, eine Woche oder einen Monat im Jahr ... oder am Anfang nur ein paar Minuten täglich?

 

Räumlich: Wo und wie kann ich Stille am besten und leichtesten erleben und genießen? Beim Wandern in der Natur, beim Bergsteigen, beim Tauchen, in einem Kloster, in einem Meditationsraum, in meinem eigenen Zimmer oder einem sonstigen Umfeld? Allein oder in stiller, schweigender Gesellschaft?

 

All dies ist von Mensch zu Mensch sehr verschieden, je nach Veranlagung und nach persönlicher Erfahrung im Umgang mit Stille. Und es ist so wichtig, behutsam genau dort anzusetzen, wo man selber steht und wie man eben strukturiert ist. – Ohne Idealbilder, ohne Patentrezepte, ohne Dogmen und all diese »Nur so ist’s richtig«-Anweisungen! Erlauben Sie sich also herauszufinden, auf welche Weise Sie am leichtesten und tiefsten in den »Ozean der Stille« eintauchen können. Die folgenden Tipps sollen Ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie in Ihrem Alltag die Schwelle zur Stille am einfachsten überschreiten können.

Prinzipiell gibt es zwei Wege, in die Stille zu gehen:

 

  • Einfach nur still sein, ohne irgendwelche Regeln oder
  • den Weg der Meditation: eine strukturierte Form, meistens mit einem bestimmten Inhalt, worauf sich die Aufmerksamkeit richtet.

 

Beide Arten können Sie in Ihrem Alltag nutzen. (Hinweise zur Meditation finden Sie auf Seite 209.)

 

Schaffen Sie in Ihrem Alltag »Inseln der Stille: Augenblicke, in denen Sie kurz innehalten. Am besten Sie schließen die Augen, richten Ihre Aufmerksamkeit nach innen und folgen dem Fluss Ihres Atems. Das können Sie morgens nach dem Aufwachen machen, an Ihrem Arbeitsplatz, in der Mittagspause auf einer Parkbank, aber genauso gut in der S-Bahn, in einem Taxi oder im Flugzeug. Auch wenn um Sie herum noch ein paar Geräusche sind, so können Sie doch in die innere Stille eintauchen. Fünfzehn Minuten können ausreichen, um Sie ruhig werden zu lassen und innerlich wieder ins Gleichgewicht zu bringen – wenn Sie geübt darin sind, sogar schon zehn oder fünf Minuten. Ein Freund von mir berichtete, sein Leben habe sich qualitativ entschieden verändert, seit er jeden Tag mindestens zwei Minuten innehält und schweigt. Anfangs musste er sich tatsächlich noch jedes Mal überwinden und hat sich einen Wecker gestellt, doch mit der Zeit wuchs sein Bedürfnis, länger in der Stille zu verharren, und immer häufiger wurden es drei, fünf oder zehn Minuten. Heute kann er sich sein Leben nicht mehr ohne seine tägliche zwanzig Minuten Auszeit vorstellen. Als ich ihn einmal vom Büro abholen wollte, und zu früh dran war, meinte er: »Sorry, aber ich habe noch ein Rendezvous«. So musste ich warten, war aber erstaunt, da er weder einen Mandanten bei sich hatte, noch telefonierte.  Später erklärte er lächelnd: »Ja, ich hatte ein Rendezvous mit mir und der Stille.« – Machen auch Sie ein Rendezvous mit sich! Die Inseln der Stille schaffen sich nicht von selber. Oft müssen wir sie wie kostbares Land dem Meer der ständigen Anforderungen abgewinnen, die von morgens bis abends auf uns einstürmen. Doch wie viel Sie auch zu tun haben: zwei Minuten sind immer drin.

 

Schaffen Sie sich Orte der Stille. Einen Ort ohne Fernsehen, Musikberieselung oder sonst einer Ablenkung. Am besten einen eigenen Platz, den Sie immer wieder aufsuchen, wenn Sie still werden wollen. Natürlich können Sie auch an Ihrem Schreibtisch die Augen schließen und kurz abtauchen. Doch es kann hilfreicher sein, sich dafür einen eigenen Platz zu reservieren, beispielsweise einen Stuhl oder Sessel in einer Ecke – Ihren persönlichen Ruheplatz, an dem Sie am besten auch sonst nichts anderes machen. Dann koppelt Ihr Nervensystem mit der Zeit die Erfahrung des Stillwerdens und Innehaltens mit diesem Platz und schaltet gewissermaßen schon auf »Ruhe«, wenn Sie sich dorthin begeben. Denken Sie an den Gebetsteppich eines Moslems: Er benutzt ihn nur zum Beten und nicht auch zum Teetrinken oder Kartenspielen. Wenn er ihn ausrollt und sich daraufkniet, schaltet sein Nervensystem schon um auf »Innehalten und sich im Gebet versenken«. Für manche Menschen ist es gut, an diesem Platz, wenn er sich in ihrer Privatsphäre befindet, zusätzlich eine Kerze aufzustellen, eine Ikone, eine Buddhastatue oder ein Bild, mit dem Sie Ruhe und Stille verbinden.– Orte der Stille können Sie aber auch unterwegs aufsuchen, beispielsweise in einer Kirche, egal ob Sie sich ihr konfessionell zugehörig fühlen oder nicht. Oft sind es Orte, die schon Stille und Ruhe ausstrahlen, wenn Sie sie betreten. – Übrigens: Inspiriert vom Meditationsraum im New Yorker Gebäude der Vereinten Nationen wurde 1994 im Seitenflügel des Brandenburger Tores ein »Raum der Stille« eröffnet. Der ehemalige Kanzlerkandidat Björn Engholm schrieb vor einigen Jahren für Die Zeit in der Rubrik »Ich habe einen Traum«, jede Firma solle Räume der Stille, des Innehaltens einrichten, in dem jeder pro Tag eine halbe Stunde für sich sein könne. Bisher leider nur ein Traum. Doch Ihren Raum der Stille können Sie auch selber schaffen.

Ein einfacher Trick, um Stille mitten im Alltagsgeschehen »hörbar« zu machen besteht im Einsatz von Oropax oder Ohrstöpseln. Wenn Sie damit Ihre Ohren nach außen »dicht« machen, können Sie besser nach innen hören. Insbesondere hören Sie Ihren Atem verstärkt, falls Sie durch die Nase atmen. Lassen Sie zwischen Ein und Ausatmen jeweils eine kurze Pause (etwa drei bis vier Sekunden). Dies sind die Momente, in denen Sie den Eindruck haben können, die Stille zu hören – und in denen Sie mit einer tiefen inneren Ruhe in Kontakt kommen können. Das Wahrnehmen der Atempausen ist das Entscheidende beim Beobachten des eigenen Atems. Oropax hält also nicht nur äußere Geräusche ab, sondern unterstützt das Lauschen nach innen.

 

Nützen Sie Wartezeiten als Gelegenheiten, innezuhalten! Angenommen, Sie kommen zum Bahnhof und stellen fest, dass Ihr Zug 25 Minuten Verspätung hat. Was tun? Viele Menschen suchen sofort etwas, um die Zeit totzuschlagen oder zu überbrücken: eine Illustrierte, ein paar Telefonate per Handy, ein Gespräch mit den Mitreisenden über die empörende Unpünktlichkeit der Bahn, oder sie sitzen da und ärgern sich alleine über die Verspätung. – Verständlich, menschlich, normal. Warten ist in unserer Kultur negativ besetzt. Nicht nützlich verbrachte Zeit scheint vertane Zeit zu sein. – Sie könnten sie aber auch als Chance sehen, einfach mal nichts tun zu müssen und sich in Ihrem immer schnelleren Tagesablauf eine Ruhepause zu gönnen. Gleiches gilt, wenn Sie beim Arzt warten müssen oder in einen Stau geraten. Auch ein Stau kann eine willkommene Zwangspause darstellen, der Ihnen Gelegenheit bietet (bei ausgeschaltetem Radio) still zu sitzen und einfach auf Ihren Atem zu achten. Nutzen Sie jede Unterbrechung, um Stille zu tanken.  Dann können Sie in Zukunft das Wort »STAU« als Abkürzung sehen für: »Stille Tanken Aufgrund Unterbrechung«.

 

Experimentieren Sie mit Zeiten der Stille in unterschiedlicher Länge: Täglich einige Minuten, pro Woche ein bis zwei Stunden, in denen Sie beispielsweise still spazieren gehen oder ein Buch lesen, und jeden Monat vielleicht einen ganzen Tag alleine schweigend wandern. Wenn Sie nach einem solchen Tag in der Natur heimkehren, kann es sein, dass viel Belastendes von Ihnen abgefallen ist, Sie mehr und mehr zur Ruhe gekommen sind und Ihre Seele wie nach einem reinigenden Bad wieder frei atmen kann, so Anselm Grün in Damit dein Leben Freiheit atmet. Und möglicherweise gönnen Sie sich auch einmal im Jahr eine ein- bis zweiwöchige Auszeit der Stille in einem Kloster, in der Natur oder an einem sonstigen Ort, wo Sie weitgehend in Ruhe alleine sein können. Es geht auch gar nicht darum, die ganze Zeit zu schweigen, sondern einfach viel Ruhe und Stille genießen zu können. Ich fahre beispielsweise jährlich für einige Wochen alleine an einen einsamen Ort zum Schreiben. Und auch wenn ich zwischendurch mal in ein Café oder zum Telefonieren gehe, Einkäufe mache und Musik höre – nirgendwo tanke ich so viel Ruhe und Stille, wie in dieser Zeit! – Zum Nachdenken:

 

Stellen Sie sich vor, Sie kommen an einen Urlaubsort, voller Sehnsucht nach Ruhe und Stille – noch voller Hektik und innerem Lärm aus dem Alltag. Am ersten Morgen auf der Terrasse sind Sie gerade dabei, in die Ruhe und Stille ringsum einzutauchen, da werden Sie plötzlich aufgeschreckt vom Baulärm auf dem Nachbargrundstück. Sie sind außer sich vor Wut, empört und verzweifelt. Alles andere haben Sie erwartet, nur das nicht! Der ganze Tag, die ganze Laune sind ruiniert ...

Doch dann: Nach einer Woche in völliger Ruhe am gleichen Ort, voller innerem Frieden und vollgesogen mit Stille, sitzen Sie wieder morgens auf der Terrasse. Außer Vogelgezwitscher und Meeresrauschen kein Laut. Da beginnt der Baulärm auf dem Nachbargrundstück. – Sie nehmen ihn erst nach einiger Zeit wahr und zur Kenntnis. Doch er kann die Stille in Ihnen nicht trüben – die Stille ist nicht nur in Ihnen, sondern gewissermaßen »um Sie herum«. Sie genießen einfach die Ruhe des Ortes – und hören (fast nebenbei), dass da auch irgendwo gebaut wird ...

 

Und natürlich können Sie auch mit anderen gemeinsam schweigen. Zusammen mit dem Partner oder einem guten Freund zwei Stunden still durch den Schnee zu stapfen, lässt nicht nur die eigene Seele auftanken, sondern kann die Verbindung mit dem anderen vertiefen und bereichern (mehr hierzu im Kapitel »Gleichklang mit anderen«, Seite 214).

 

Die Auszeit im Kloster

 

So wie in der Antike Eremiten aus den Städten in die Wüste zogen, um in der Einsamkeit Gott zu finden, zogen sich später die Mönche in die Abgeschiedenheit der Klöster zurück, um ein Leben in Einfachheit und Stille zu führen. Auch wir können uns im heutigen Alltag Wüstenzeiten gönnen, »den Mönch in uns entdecken«, wie der Buchtitel des Religionswissenschaftlers Raimon Pannikar heißt, und uns für eine Weile in die Stille eines Klosters zurückziehen. Nicht wenige Menschen nutzen diese Möglichkeit, sich für einige Tage dem Rhythmus der Mönche anzuschließen und Stille zu tanken. Für die Reinigung unserer »Innenräume« kann sich eine Zeit im Kloster wie ein Katalysator auswirken. Warum? Worauf beruht die Heilkraft einer Auszeit in einem Kloster?

 

Zunächst lösen wir uns von unserer gewohnten Umgebung – von eingefahrenen Abläufen, von festgefahrenen Beziehungen, von den vielen Anforderungen und Problemen, von gesellschaftlichen  »Spielen« und sonstigen Zerstreuungen. Zu all dem bekommen wir vorübergehend eine gesunde Distanz.

 

Alles im Kloster ist auf Ruhe ausgerichtet. Ruhe ist der Grundbaustein der Welt der Mönche. Diese Ruhe wird gefördert durch dicke Klostermauern, die den Lärm der Welt abhalten, durch Kreuzgänge im Innenhof als Sphären der Stille und Meditation, durch den fast lautlosen Gang der Mönche, das leise Sprechen und das häufige Schweigen. Und nicht zuletzt durch einen Tagesablauf, der in Ruhe beginnt, mit einer frühzeitigen Nachtruhe endet und auch tagsüber Zeiten der Rast und Besinnung bietet. All dies, um das Lauschen nach innen zu unterstützen. Eine Atmosphäre der Ruhe und Stille, die in christlichen wie buddhistischen Klöstern als Voraussetzung für das Auftanken der Seele gesehen wird, so argumentiert Simone Kosog in ihrem Buch Die Ruhe der Mönche.

 

Viele Reize werden dort reduziert und wir erfahren eine heilsame Enthaltsamkeit – vor allem von der permanenten telefonischen Verfügbarkeit, von E-Mail-Terror, von sinnlosen TV-Abenden und von der Gefahr, an irgendeiner Bartheke zu versumpfen. Gewissermaßen wird radikal alles ausgeblendet, was einen Menschen von sich selbst ablenken kann, um einem Gelegenheit zu geben, sich auf das Wesentliche zu besinnen.

 

Alles im Kloster ist auf Sammlung und Kontemplation ausgerichtet. Gelegenheit, zu schweigen, loszulassen, nach innen zu schauen, in den Raum der Seele, zu lauschen, lange Unterdrücktes aufsteigen zu lassen und letztlich zu sich selber zu finden. »Schon die Kapuze der Mönche ist zu nichts anderem gedacht, als zum Zeichen der Sammlung über den Kopf gezogen zu werden«, so Peter Seewald.

 

Die ordnende Wirkung des Rhythmus der klösterlichen Tagesordnung. Eine Struktur, die die Seele beruhigt und rhythmisiert. Psychologen bestätigen immer wieder, wie wichtig der ordnende Rhythmus für ein gesundes Seelenleben ist und dass viele psychischen Probleme mit der Entrhythmisierung unserer Zeit zusammenhängen. Ohne Rhythmus verliert sich unsere psychische Energie unkoordiniert. Wer sich im Kloster auf den Rhythmus des dortigen Tagesablaufes einlässt, kann eine Neuordnung und Konzentration seiner psychischen Energie erfahren. Für manche kann dadurch eine Woche Einzelexerzitien mehr bewirken als eine Woche Urlaub.

 

Die Gemeinschaft mit anderen, die ebenfalls auf dem Weg »nach Innen«, zu sich selber unterwegs sind. Die Möglichkeit der Ansprache oder Seelsorge, sofern man Bedarf danach hat. Gemeinsame Rituale und Andachten. Ansonsten die Erfahrung, wie wohltuend gemeinsames Schweigen, beispielsweise bei den Mahlzeiten sein kann.

 

Und etliche weitere Angebote: an Meditationen oder Exerzitien, an geistiger Lektüre und oft auch an seelisch wohltuender Musik.

 

Natürlich ist es wichtig, dass man sich dabei wohl fühlt. Wer das Klosterleben als Korsett, Enge oder Unfreiheit erfährt, wird dort kaum entspannen und innerlich auftanken können. Einige Tage allein in der Natur können dann möglicherweise mehr bewirken. Doch um das herauszufinden, ist es wohl am besten, es auszuprobieren. Eine wichtige Erfahrung wird man in jedem Falle machen. Adressen zu Klöstern im deutschsprachigen Raum finden Sie im Klosterführer des Grünewald Verlags und in Der Klosterurlaubsführer von Hanspeter Oschwald, erschienen im Herder Verlag.

 

Meditieren, aber wie?

 

Infolge der weltweiten Vernetzung von Kulturen und der Verbreitung der Religionen finden sich heute die verschiedensten Anleitungen, wie man am besten meditieren soll. Das Angebot an Büchern, Kursen und Seminaren dazu ist unüberschaubar. Immer wieder stellen sich Menschen die Frage, welche denn die »richtige« Meditationsform sei. Die Antwort ist im Prinzip ganz einfach: Diejenige, die Ihnen persönlich am meisten liegt, mit der Sie am besten und am leichtesten zurechtkommen und zu sich finden können. Dann ist diese Form gut und richtig – für Sie! Ihre eigenen Erfahrungen werden Ihnen also die Antwort geben. Und es ist durchaus möglich, dass Sie im Laufe der Zeit eine übernommene Meditationsform verändern oder eine neue als bereichernder erkennen werden. Oft ist es hilfreich, am Anfang eine Meditation unter fachlicher und seriöser Anleitung in einem Kurs zu lernen, unterstützt durch die Gemeinsamkeit mit anderen. Sie können aber auch alleine für sich beginnen, indem Sie beispielsweise die notwendigen Informationen einem entsprechenden Buch entnehmen oder sich Kassetten oder CDs mit Anleitungen hierzu besorgen. – Im Wesentlichen werden Sie immer wieder auf folgende Faktoren stoßen:

 

Wichtig ist die aufrechte Haltung der Wirbelsäule. Diese fällt am leichtesten, wenn Sie auf einem Stuhl mit gerader Lehne aufrecht sitzen, Ihre Beine parallel halten mit den Fußsohlen am Boden (nicht unter den Stuhl gezogen), und die Hände auf den Stuhllehnen, auf Ihren Knien oder locker im Schoß ruhen lassen. – Manche ziehen es vor, auf dem Boden zu sitzen, im Schneidersitz auf einem Sitzkissen (damit die Wirbelsäule gerade bleibt) oder auch im Lotussitz, wie man ihn von Buddhastatuen kennt. Doch ist diese Haltung am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig, nach einer gewissen Meditationszeit oft auch schmerzlich, und für die Kniegelenke eine ziemliche Belastung. – Der Vorteil der Meditation auf einem Stuhl sitzend besteht unter anderem darin, dass Sie sie ohne große Vorbereitung überall (in Ihrem Büro, in der Bahn, am Flughafen oder auf einer Parkbank) und vor allem unbemerkt praktizieren können.

 

Schließen Sie einfach die Augen ... und atmen Sie ruhig und tief in Ihren Bauch. Gemeint ist die volle Zwerchfellatmung, bei der sich auch Ihr Bauch leicht hebt und senkt, nicht die »flache« Brustatmung, zu der man meistens im hektischen Alltag neigt. Halten Sie nach dem langsamen Einatmen den Atem ein bis zwei Sekunden an, atmen Sie langsam wieder aus und lassen Sie wieder eine kurze Atempause, bevor Sie erneut einatmen. Gerade diese kurzen Atempausen fördern das Innehalten und Zu-sich-Kommen. Es gibt sogar Meditationsexperten, die sagen, die Atempausen seien mit die wichtigsten Momente der Meditation.

 

An sich wär‘s das auch schon! Wären da nicht die Gedanken. Viele im Alltag verdrängte Sorgen, Ängste, Wünsche und Pläne melden sich nun zu Wort, wenn wir eigentlich endlich einmal nur Ruhe haben wollen. Und das Dilemma dabei ist: Je mehr wir dagegen ankämpfen und versuchen, die Gedanken und Stimmen in uns zum Schweigen zu bringen, desto schlimmer kann es werden. Im alten China gab es ein gutes Bild dafür: Die Gedanken sind Affen, die im Baum des Gehirns hin und her springen. Der Mensch versucht nun, einen nach dem anderen zu fassen und ihn auf die Erde zu werfen, bis der Baum frei ist. Doch oft werden die Affen den Baum alsbald von der anderen Seite her wieder besteigen und der Aufruhr kann größer sein als am Anfang. – Was tun? Zwei Dinge können Ihnen helfen, damit umzugehen:

 

  • Machen Sie sich damit keinen Stress! Es ist völlig normal, und jeder, der meditiert, macht diese Erfahrung. Es entspricht der natürlichen Arbeitsweise unseres Gehirns, sofort nach einer Beschäftigung zu suchen, sobald mal nichts geschieht. Also erlauben Sie sich, diesen Vorgang zunächst einfach nur wahrzunehmen, vielleicht sogar mit einem leichten Lächeln darüber, wie verrückt es doch ist, dass unser Gehirn in dem Augenblick, wo wir mal innerlich abschalten und zur Ruhe kommen wollen, mit einem Gedankenmarathon beginnt. Aber verbieten Sie sich nicht zu denken (was sowieso nicht geht!) und seien Sie auch nicht frustriert oder ärgerlich darüber, dass Sie gedanklich abschweifen – dadurch wird es nur noch schlimmer. Wenn möglich, entspannen Sie dabei und nehmen gelassen wahr, dass Sie mal wieder in Gedanken unterwegs sind. – Und dann:
  • Kehren Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit zu Ihrem Atem zurück! Das Atmen hat nämlich nicht nur eine körperlich beruhigende Funktion, sondern ist gleichzeitig ein geistiges Mittel, um die Aufmerksamkeit zur Ruhe kommen zu lassen. Beobachten Sie Ihren Atemfluss. Manchen Menschen hilft es, dabei leise mitzuzählen: beim ersten Ein- und Ausatmen »eins, eins, eins ... – eins, eins, eins«, beim nächsten Ein- und ausatmen »zwei, zwei, zwei ... – zwei, zwei, zwei ...« und so weiter. Wenn Sie bei zehn angelangt sind, beginnen Sie wieder mit eins. Wenn Sie merken, dass Sie gedanklich abschweifen, fangen Sie wieder von vorne an. Und falls Sie mit einem Mantra meditieren (siehe hierzu S. 186), so kehren Sie einfach mit Ihrer Aufmerksamkeit zu Ihrem Mantra zurück. – Gleiches gilt natürlich auch, wenn Sie mit Musik meditieren; dann richten Sie Ihre bewusste Wahrnehmung eben wieder auf die Musik.

 

Weitere Hilfen, vor allem in der Anfangsphase, können sein:

 

  • Möglichst immer zur gleichen Zeit am Tag zu meditieren. Das hilft Ihnen, in den Rhythmus zu gelangen.
  • Möglichst immer am gleichen Platz zu meditieren, auf einem besonderen Stuhl oder einem bestimmten Teppich. Das hilft Ihrem Geist als »Ankerplatz«, sich auf die Meditation einzustellen.– Was übrigens auch der Sinn der moslemischen Gebetsteppiche ist.
  • Beenden Sie Ihre Meditation durch ein Signal, beispielsweise eines Weckers. Nach einer gewissen Zeit weiß Ihr Nervensystem allerdings sowieso, wann die Zeit vorbei ist. Optimal sind etwa zwanzig Minuten. Allerdings können es auch dreißig sein, oder auch nur zehn. Es kommt auf Sie an: besser regelmäßig zehn Minuten als nur sporadisch zwanzig oder dreißig.

 

Doch vor allem: Setzen Sie sich nicht unter irgendeinen Erfolgszwang. Es geht beim Meditieren nicht um irgendeine Leistung. Nichts muss geschehen, nichts muss sich einstellen, weder besondere Gefühle noch erleuchtende Erkenntnisse. Je weniger Sie erwarten, und je mehr Sie darauf verzichten, es perfekt oder »richtig« machen zu wollen, umso leichter werden Sie entspannen und zur Ruhe kommen. Außerdem tritt die eigentliche Wirkung der Meditation erst mit der Zeit aufgrund der Regelmäßigkeit ein. Meditation hat zwar immer auch eine unmittelbare Wirkung, doch die spürbare Wirkung ist gewissermaßen »kumulativ« und nicht »sofort reaktiv«. Geben Sie daher am Anfang auch nicht sogleich auf, falls Sie noch keine große Wirkung merken. Lassen Sie sich möglichst vier bis sechs Wochen Zeit, bis Sie entscheiden, ob Sie weitermachen oder nicht. – Und wenn es Ihnen gar nichts bringt, dann lassen Sie es eben. Es gibt noch genügend andere Möglichkeiten, innerlich zur Ruhe zu kommen und aufzutanken!

 

Stille, Schweigen, Meditation: Festhalten und mitnehmen möchte ich

 


Wo die Seele auftankt: Die besten Möglichkeiten, Ihre Ressourcen zu aktivieren: Die besten Möglichkeiten Ihre Ressourcen zu aktivieren
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