Was in der heutigen Zeit an Informationen auf uns einströmt, ist alles andere als Nahrung für die Seele. Womit uns die Medien von morgens bis abends in Zeitungen und Zeitschriften, Radio und TV oder übers Internet füttern, ist weitgehend nur belastend, konsumfördernd oder zerstreuend. So wechseln sich Schreckensmeldungen, Werbung, Nervenkitzel, Gewalt, Klamauk- oder gar Trashsendungen ab. Nun haben wir es zwar weitgehend in der Hand, welche Medien wir an uns heranlassen, doch es wird immer schwerer, sich der Berieselung von eher belastenden Informationen zu entziehen. Die Innenweltverschmutzung ist wahrscheinlich schon verhängnisvoller als die Umweltverschmutzung geworden. Es bringt an dieser Stelle jedoch wenig, das alles anzuprangern oder moralisierend zu verurteilen. Es ist nun mal Teil unserer heutigen Realität, und die wenigsten von uns sind in der Lage daran grundlegend etwas zu ändern. Wir haben allenfalls Einfluss darauf, was wir davon auswählen, und ob wir ein gesundes Gegengewicht setzen, insbesondere unsere Innenwelt auch mit positiver und uns aufbauender geistiger Nahrung stärken.
Philosophische und religiöse Weisheitstexte aller Kulturen bilden da eine wahre Fundgrube an Worten und Schriften, die uns geistig stärken und ausrichten können, bei deren Lektüre wir uns orientieren und innerlich gegen negative Einflüsse des Alltags imprägnieren können. Solche Texte können gewissermaßen die Wahrheit der eigenen Seele zum Schwingen bringen: Angenommen im Innersten jedes Menschen ist die Grundweisheit des Lebens verborgen, jedenfalls die eigene Wahrheit, die eigenen innersten Werte und das Wissen, um das, was gut für einen selbst ist. Diese innere Weisheitsquelle kommt in unserem hektischen Alltagsgeschehen oft nicht zur Geltung und wird von allen äußeren Einflüssen überlagert. Durch die Lektüre bestimmter Weisheitserkenntnisse können wir möglicherweise einen Teilaspekt unserer eigenen Lebens- und Seelenweisheit in Resonanz und damit zum Schwingen bringen. Wenn wir mit dem Herzen und nicht nur mit dem Verstand lesen, wird auch nur das uns ansprechen und innerlich berühren, was zu uns gehört, weil es Teil unserer eigenen tiefsten Weisheit ist.
Sinnvoll ist es dabei, mit der Zeit die Art der Texte herauszufinden, die einen seelisch nähren – beispielsweise, ob dies eher christliche, buddhistische oder abendländisch philosophische Schriften sind – und die Themen, um die es im eigenen (Seelen-)Leben geht. Jede Seele wird sowohl prinzipiell als auch speziell in der jeweiligen Lebenssituation andere geistige Nahrung bevorzugen. Im Laufe des Lebens wird sich dies wahrscheinlich immer wieder ändern. Möglicherweise werden einen manche Basistexte oder Lieblingsautoren ständig begleiten – wie beispielsweise die Bibel, das Tao Te King, Plato oder Rilke – doch andere werden je nach Lebenssituation auftauchen, uns eine gewisse Zeit begleiten und dann wieder entschwinden. Mit der Zeit werden Sie immer klarer erkennen, welche Ihre geistigen Seelenquellen und Ihre persönlichbevorzugten Themen sind.
Praxistipps
Legen Sie sich eine »Seelenbibliothek« zu. Ein Archiv mit Ihren persönlichen Seelentexten, die Sie ansprechen, berühren oder Zuversicht geben. Zum einen in Buchform zum anderen können Sie einzelne Texte auch gesondert sammeln: in einem Ringbuch, einer Kartei, oder auch in einer speziellen Datei auf der Festplatte Ihres persönlichen Computers. Ausschneiden, kopieren oder einscannen. So können Sie sich die geistige Essenz Ihrer Seelentexte schnell verfügbar machen.
Nehmen Sie sich jeden Tag ein paar Minuten, am besten morgens, um in einem dieser Texte zu lesen. Eine Seite oder auch nur ein paar Sätze können schon genügen, Ihnen einen geistigen Impuls aus der Welt der Weisheit und Werte mit in Ihren Alltag zu geben. Es gibt heute auch hervorragende Sammlungen, mit kurzen Texten oder Reflektionen für jeden Tag – aus den verschiedenen religiösen Traditionen ebenso wie von überkonfessionellen Philosophen.
Wenn mich bei meiner morgendlichen Kurzbesinnung ein Gedanke anspricht und berührt, dann schreibe ich ihn mir auf eine kleine Karte, stecke sie in meinen Timer und nehme sie mit in den Tag. Später dann, in der Hektik des Alltages hole ich sie immer wieder mal hervor, sozusagen als »geistigen Mini-Snack« zwischendurch.
Eine Variante davon praktiziert ein Berufskollege von mir: Er hat mittlerweile eine Art Karteikasten mit vielen solcher Sätze auf seinem Schreibtisch stehen. Wenn er früh in sein Büro kommt greift er als Erstes in den Kasten und zieht sich seinen »Satz des Tages«, der dann seinen Platz in einem eigenen Kartenhalter bekommt. – Das Gleiche lässt sich natürlich auch elektronisch umsetzen: Jeden Morgen begrüßt Sie auf Ihren Bildschirm als Erstes Ihr neuer Tagesspruch.
Wechseln Sie ab! Nicht nur die Autoren, sondern auch die Kulturen und Traditionen. Natürlich ist es nahe liegend, als Christ täglich in der Bibel zu lesen oder in Texten christlich orientierter Autoren. Und doch kann es eine sinnvolle Ergänzung sein, auch mal Texte aus anderen religiösen oder philosophischen Richtungen heranzuziehen. Es erweitert nicht nur Ihren Horizont, sondern vertieft auch das Verständnis für andere Kulturen, und es kann außerdem Teilaspekte Ihrer eigenen Seelenstruktur zum Schwingen bringen, die in der gewohnten religiösen oder philosophischen Tradition nicht im Vordergrund stehen. So geht es in der Botschaft Jesu primär um den Gedanken der Nächstenliebe, des Friedens, der Vergebung und der persönlichen Beziehung zu Gott, während der Fokus in buddhistischen Texten, wie man sie beispielsweise heute vom Dalai Lama vermittelt bekommt, auf die Achtsamkeit im Alltag, das bewusste Leben im Augenblick und das Stärken des inneren Beobachters gerichtet ist. In der Weisheit indianischer Traditionen steht wiederum die Naturverbundenheit im Vordergrund, im Zen die geistige Klarheit und Disziplin. All dies steht nicht in einem Verhältnis von »richtig oder falsch«, sondern bietet die Möglichkeit der Ergänzung beziehungsweise lässt einen selber herausfinden, was der Struktur und dem innersten Wesen unserer Seele am meisten entspricht! – Eine gute Möglichkeit hierzu bieten übrigens Sammlungen mit Weisheitstexten und Parabeln aus den verschiedensten Kulturen.
Hier noch eine Auswahl von Texten, deren Lektüre viele Menschen als bereichernd empfinden. Vielleicht finden auch Sie darin das eine oder andere, was Ihre Seele anspricht:
- Aus der Bibel: Etliche Psalmen, Sprüche Salomons und die Worte Jesu aus den Evangelien
- Das chinesische Weisheitsbuch: I Ging
- Lao Tse: Tao tê king
- Reden des Buddha
- Dalai Lama: Ratschläge des Herzens
- Eugen Herrigel: Zen in der Kunst des Bogenschießens
- Sri Ramana Maharshi: Leben und Werk
- Martin Buber: Die Erzählungen der Chassidim
- Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus
- Meister Eckehard: Deutsche Predigten und Traktate
- Marc Aurel: Selbstbetrachtungen
- Jörg Zink: Wie wir beten können
- Roland Kübler: Die Mondsteinmärchen
- Anselm Grün: verschiedene Bücher, insbesondere: Buch der Lebenskunst
- Rainer Maria Rilke: Duineser Elegien, Gedichte
- Hermann Hesse: Siddharta, Gedichte
- Der Papalagi: Die Reden des Südseehäuptlings Tuiawi aus Tiavea
- Kahlil Gibran: Der Prophet
Worte und Texte für die Seele: Festhalten und mitnehmen möchte ich