Vom Sinn und Gewinn des Engagements für andere  

 

Etliche Menschen werden karitativ tätig, um ihrer religiösen oder ethisch-moralischen Überzeugung gerecht zu werden. Immer wieder hört man: »Es ist eine Christenpflicht, Nächstenliebe zu üben«, und die Aussage Jesu »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« wurde immer wieder als Pflicht (miss-)verstanden, die es zu erfüllen gilt, um einst im Himmelreich dafür belohnt zu werden. Doch wie soll man eigentlich Liebe aus Pflicht üben? »Wenn das Erbarmen nicht aus dem Herzen kommt, kommt es beim Empfänger auch nicht wirklich als Barmherzigkeit an, sondern verursacht bei ihm eher ein schlechtes Gewissen, das ihn mit Schuldgefühlen erfüllt«, schreibt Pater Anselm Grün. Und genau genommen sind Pflichterfüllung und Moral hierfür auch gar nicht erforderlich, denn »wer Erbarmen übt, tut sich selbst wohl«, heißt es schon in den Sprüchen Salomons (11,17). Mit anderen Worten: Wer anderen hilft, tut seiner Seele etwas Gutes. Warum ist das so?

 

Einsatz für andere als Voraussetzung persönlicher Reife. In allen geistigen Traditionen findet sich die Erkenntnis, dass der helfende Einsatz für andere ein wesentlicher Teil, wenn nicht gar Voraussetzung des persönlichen Reifungsprozesses ist. Ob Moses, Jesus, Mohammed oder Buddha, alle haben den Menschen die gleiche Weisung gegeben: »Wer nur für sich selbst lebt, kann niemals über sich hinauswachsen. Wer aber für das Wohl anderer da ist, der wird seine höchste Entwicklungsstufe erreichen«, formuliert es Eknath Easwaran. Schon vor der jüdischen und christlichen Tradition hat der römische Philosoph und Rhetoriker Cicero gesagt: »Durch nichts ist der Mensch den Göttern näher, als wenn er seinem Nächsten Gutes tut«. So haben auch Umfragen von amerikanischen und finnischen Wissenschaftlern über die Beweggründe freiwilliger Helfer ergeben, dass der Wille zu helfen von vielen Menschen als elementarer Teil der eigenen Persönlichkeit gesehen wird.

 

Blick über die eigene Lebenssituation hinaus. Wer sich ständig nur um sich selber dreht und sich ausschließlich mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen beschäftigt, isoliert sich immer mehr von seiner Umwelt und wird mehr und mehr in sich selber gefangen. Er baut sozusagen die unsichtbaren Wände des eigenen Gefängnisses immer höher. Der Einsatz für andere Menschen dagegen, die meist unter viel schwierigeren Umständen leben, löst einen aus dem Gefangensein in der eigenen Lebenssituation und macht einem in der Regel auch wieder bewusst, wie gut es einem selber geht. Menschen, die sich helfend für andere engagieren, fördern in sich die Fähigkeit zu Mitgefühl, Verständnis und eigener Zufriedenheit. Gewissermaßen ist der Profit unter anderem eine persönliche »Horizont- und Herzerweiterung«.

 

Tieferer Lebenssinn. Das Engagement für andere kann unserem Leben einen tieferen Sinn geben, und die menschliche Seele sehnt sich nach Sinn! Sinn ist ein Hauptfaktor für Erfüllung und Zufriedenheit im Leben. Und für sinnhaftes Handeln ist der Mensch oft bereit, alles zu geben – im positiven, wie leider auch im negativen Sinne (wie beispielsweise die Selbstmordattentate zeigen). Wie der amerikanische Glücksforscher Martin Seligman bestätigt, ist der Einsatz der eigenen Stärken für ein höheres Ziel Voraussetzung für ein »sinnvolles Leben«. Untersuchungen über die Motivationsfaktoren von Putzpersonal in Krankenhäusern haben ergeben, dass diejenigen sogar Glück bei ihrer Arbeit empfanden und mit Begeisterung und großem Engagement bei der Sache waren, die glaubten, dass sie eine sinnvolle und für die Patienten wichtige Arbeit leisteten.

Der Mensch hat anscheinend ein natürliches und tiefes Bedürfnis zu geben. Und er ist froh, wenn er jemanden findet, dem er geben kann. Das kann man schon an der Freude kleiner Kinder erkennen, wenn sie einem etwas selbst Gebasteltes schenken können. Und auch viele Jugendliche haben das Bedürfnis, sich sinnvoll zu betätigen. So sagt beispielsweise Josef Grundner, früher bei Cap Anamur, jetzt Mitglied des Peace-Corps »Grünhelme«, stellvertretend für viele andere: »Ich habe mir schon als junger Mensch gewünscht, etwas zu bewegen.« Von wegen Null-Bock-Generation! Für manch ehrenamtlich Tätige ist Helfen ein wesentlicher, mittragender Grund ihres Lebens geworden. Und wie wesentlich dieser Faktor ist, wird meist erst deutlich, wenn jemand meint, er könne nichts mehr geben oder für andere tun. Das Schlimmste für Arbeitslose sind nicht einmal die finanziellen Schwierigkeiten, sondern das Gefühl, nicht gebraucht zu werden! Ebenso ältere Menschen, die nach ihrer Pensionierung in Wohltätigkeit einen heilsamen Ausweg aus dem Gefühl der Leere und der persönlichen Nutzlosigkeit finden. – Sich für andere zu engagieren, erfüllt also in allen Lebenssituationen unser Bedürfnis, gebraucht zu werden und gibt dem Leben Sinn.

 

Sofortiger Return on investment. Wenn wir etwas für andere tun, dann tut es uns selber gut, und zwar unmittelbar im Augenblick der Tat. Wir bekommen gewissermaßen in »Seelenwährung« sofort vergütet, was wir tun – ein »instant return on investment«. Nicht erst später im »Jenseits«. Daher müsste es heißen:

Wir werden nicht später für unsere guten Taten belohnt, sondern durch unsere guten Taten – im Augenblick, da wir sie tun!

 

Dass der Helfer vom Helfen selbst belohnt wird, schien auch König Salomo zu wissen, der im Alten Testament schrieb: »Eine segnende Seele wird gesättigt, und wer andere tränkt, wird selbst erquickt.« (Sprüche 11, 25) Letztlich könnte man sagen: Was auch immer Sie für andere tun, Sie tun es auch für sich!

Dies ist gewissermaßen ein gesunder »altruistischer Egoismus«, der auch unabhängiger machen kann von der Anerkennung durch die Öffentlichkeit. – Sie dienen sich selbst, wenn Sie anderen dienen! So hat sich auch Mutter Theresa durch ihr Engagement für andere viel Gutes getan und ein seelisch reiches und erfülltes Leben gelebt.

Doch es geht bei alledem nicht darum, es Mutter Theresa nachzumachen, alles aufzuopfern oder gar zum oder zur Heiligen zu werden. Es geht darum, sinnvolle Möglichkeiten in Ihrem konkreten Alltag zu finden, wie Sie sich, ohne sich zu überfordern auf Ihre persönliche Weise engagieren können, wenn Sie es wollen.

Wo die Seele auftankt: Die besten Möglichkeiten, Ihre Ressourcen zu aktivieren: Die besten Möglichkeiten Ihre Ressourcen zu aktivieren
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