Das Tempo der Seele

 

Unsere Seele braucht Zeit, ihr Tempo ist langsam. Leider ist Langsamkeit heutzutage kaum gefragt – zumindest noch nicht wieder ausreichend. Dennoch zeigt der Erfolg von Büchern wie Sten Nadolnys Die Entdeckung der Langsamkeit oder Lothar Seiwerts Bestseller Wenn du es eilig hast, gehe langsam, dass ein möglicher Umschwung stattzufinden scheint. Dieser Umschwung wird allerdings ein innerer Umschwung bleiben, denn die Geschwindigkeit der Welt um uns herum wird weiterhin zunehmen. Umso wichtiger, innerlich immer wieder zu bremsen und zu verlangsamen, sonst wird die Seele auf der Strecke bleiben.

Sehr schön beschreibt die folgende Überlieferung das Bild von der langsamen Seele:

 

Durch den südamerikanischen Urwald zieht eine Gruppe von Menschen. Es sind Weiße und etliche Indianer, die für die Fremden den Weg schlagen und von ihnen »gekauft« wurden. Den Weißen hat die Zeit etwas genommen, nun wollen sie zurück an den Beginn dieser Zeit, um zu finden, was sie verloren haben. Sie dringen vorwärts und lassen kein Rasten, kein Schauen, kein Hören zu. Sie schreien in Worten, die die dunklen Männer nicht verstehen, doch die ahnen, was sie bedeuten: Vorwärts! Vorwärts! Wer an den Beginn der Zeit will, so denken die Menschen aus dem fernen Land, der darf keine Minute verschwenden, muss den Tag nutzen, muss die Nacht nutzen, um ans unbekannte Ziel zu kommen.

Doch die Gesichter der Indianer verändern sich mit jedem Schritt, mit jedem neuen Befehl. Sie werden immer unruhiger und verstörter, und eines Morgens sind sie verschwunden. Nach langem Suchen entdecken die Weißen sie: Sie sitzen im Kreis auf einer Lichtung, mit geschlossenen Augen und scheinen nach innen zu hören, in unsichtbare Fernen zu sehen. Alles Schimpfen und Schreien der Fremden kann sie nicht aus der Ruhe bringen. Schließlich erhebt sich ihr Anführer und sagt: Wir können nicht weiter. Wir müssen hier warten. Unsere Seelen konnten euer Tempo nicht mithalten. Sie sind unterwegs verloren gegangen. Nun müssen wir warten, bis sie nachkommen. Wenn sie wieder bei uns sind, können wir die Reise fortsetzen. Aber langsamer – in der Geschwindigkeit von Körper und Seele!

 

nach: Folke Tegetthoff, Das Paradies in der Wüste

 

In seinem Buch Zeit zum Leben – den Augenblick genießen schreibt Stephan Rechtschaffen über den Unterschied »mentaler Zeit« und »emotionaler Zeit«: Gedanken und Gefühle arbeiten in völlig unterschiedlichem Tempo und besitzen ganz andere Rhythmen. Mental sind wir unglaublich schnell, »das wahre Wesen der Gedanken ist die Geschwindigkeit«, so Rechtschaffen. Das Gehirn, der schnellste Computer der Welt, registriert und verarbeitet Gedanken in Bruchstücken einer Sekunde. Wenn Sie dies testen wollen, halten Sie bitte einen Moment inne und denken jetzt einmal an einen weißen Eisbären, dann an ein rotes Flugzeug und schließlich an die deutsche Fahne. Was stellen Sie fest? Kaum, dass Sie die Worte gelesen haben, erzeugt Ihr Gehirn vor Ihrem inneren Auge das dazugehörige Bild – in einer kaum wahrnehmbaren Geschwindigkeit.

Gefühle dagegen haben ein ganz anderes Tempo. Versuchen Sie einmal, Trauer, Wut und jetzt wahnsinnige Verliebtheit auf Befehl zu empfinden. Rechtschaffen vermutet, dass Ihnen das als eine merkwürdige Aufforderung erscheinen wird: »Richtig, das ist es auch, denn derartige Gefühle lassen sich nicht so mir nichts, dir nichts aufrufen. Wir können sie uns schnell vorstellen, ohne sie jedoch zu empfinden ... Gefühle, die im gegenwärtigen Moment wirklich empfunden werden, benötigen Zeit, um sich zu entwickeln. Der Unterschied zwischen mentalen und emotionalen Verarbeitungsprozessen ist vergleichbar mit dem Unterschied zwischen einem modernen Kommunikationssystem und einer Brieftaube.«

Genauso ist es mit der Seele, deren Erleben nicht primär mental, sondern über das Fühlen wahrgenommen wird. Daher erfordert ein sinnvolles, intensives Seelen(er)leben Zeit! Denn:

Das wahre Wesen der Seele ist die Langsamkeit.

 

Je öfter Sie es daher schaffen, Ihr Lebenstempo zu verringern und bisweilen sogar zum Stillstand zu bringen, desto mehr passen Sie sich allmählich dem langsamen Rhythmus Ihrer Seele an und können tief in Ihren Innenraum eintauchen – und auftanken! Je besser Sie in der Lage sind, Ihre (Lebens-)Geschwindigkeit zu verringern, desto mehr wird sich Ihr (Seelen-)Leben grundlegend verändern!

Wo die Seele auftankt: Die besten Möglichkeiten, Ihre Ressourcen zu aktivieren: Die besten Möglichkeiten Ihre Ressourcen zu aktivieren
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